Praxis

Insulinpens richtig anwenden

Probleme erkennen, bevor sie auftreten
Wolfgang Kircher

Trotz ihrer relativ unkomplizierten Bedienung sind Insulinpens erklärungsbedürftig. Sie gehören zu den Artikeln, die häufig wegen vermuteter Funktionsstörungen von Apotheken an die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker gesandt werden. Als Ursache für die reklamierte Störung erweist sich dabei jedoch oft kein Gerätemangel, sondern eine Fehl­bedienung durch den Patienten. Einige Charakteristika der verschiedenen Penmodelle sind für diejenigen Diabetiker von Bedeutung, die schlecht sehen oder hören oder nicht genug Kraft in den Fingern haben.

Die in Deutschland im Handel befindlichen Insulinpens können vier Typen zugeordnet werden (s. Kasten). Zur korrekten Applikation des Insulins sind mehrere Punkte zu berücksichtigen [1], von denen die wichtigsten im Folgenden genannt werden:


Typen von Insulinpens

Wiederbefüllbarer Pen ohne Federmechanik

"Klassische" Konstruktion; leere Zylinderampullen ("Insulinpatronen") auswechselbar; Kanüle wird manuell in die Haut gestochen, anschließend wird der Kolben in der Zylinderampulle durch kräftigen Fingerdruck auf den Dosierknopf bewegt.

Einmalpen (Insulin-Fertigspritze, Fertigpen)

Nach dem Entleeren der Insulinpatrone nicht mehr verwendbar; Insulinampulle und Injektionsmechanik bilden eine Einheit; ansonsten Handhabung wie beim wiederbefüllbaren Pen.

Halbautomatischer Pen

Der Kolben wird mittels einer Federmechanik bewegt; die Feder wird beim Einstellen des Dosierknopfes gespannt und durch Verschieben und Festhalten eines seitlich am Pen angebrachten Schiebeknopfes wieder gelöst; die Kolbenbewegung (und die Geschwindigkeit der Injektion) ist also unabhängig von dem ausgeübten Fingerdruck; ansonsten Handhabung wie beim wiederbefüllbaren Pen ohne Federmechanik.

Vollautomatischer Pen

Durch kräftiges Eindrücken einer Kappe wird eine Feder gespannt, die nach kurzem Drücken des Auslöseknopfes sowohl die Kanüle in die Haut sticht als auch den Kolben bewegt. Das Wechseln der Kanüle und der Insulinpatrone erfolgt wie beim wiederbefüllbaren Pen ohne Federmechanik.

20-mal kippen oder schwenken

Zum Homogenisieren von Insulinsuspensionen ist der Pen vor jedem Gebrauch so oft zu kippen oder um 180° zu schwenken, bis eine völlig homogene Trübung des Präparates vorliegt. Während verschiedene Patientenbroschüren und Packungsbeilagen zu einem etwa zehnmaligen Kippen der Pens raten, erwies sich in einer Untersuchung an verschiedenen Präparaten, dass dies nicht ausreicht. Erst nach etwa 20 Kipp- oder Schwenkbewegungen waren die Präparate vollständig resuspendiert.

Dosis einstellen – manchmal ein Problem

Das Einstellen der Insulindosis geschieht durch Drehen des Dosierknopfes oder eines anderen Bedienungselementes, wobei jeder Dosierschritt sicht-, spür- und hörbar mitverfolgt werden kann, falls der Patient nicht unter entsprechenden Behinderungen leidet. Daraus folgt, dass die einzelnen Modelle für den jeweiligen Patienten unterschiedlich gut geeignet sind.

Die Anzeige der gewählten Dosis erfolgt bei den verschiedenen Insulinpens entweder analog oder digital (Tab. 1). Für sehbehinderte Diabetiker empfehlen sich Modelle mit größeren Ziffern, die zugleich einen starken Kontrast zum Untergrund aufweisen.

Bei Diabetikern mit eingeschränktem Hörvermögen muss der betreuende Apotheker berücksichtigen, dass bei den verschiedenen Penmodellen die beim Drehen des Dosierknopfes hörbaren Klickgeräusche unterschiedlich laut sind (Tab. 1). Wenn ein Patient diese Geräusche nicht wahrnimmt, kann dies zu Fehldosierungen führen. Vor allem Diabetiker mit gleichzeitig bestehender Hör- und Sehschwäche sind gefährdet. Hier ist der pharmazeutische Betreuer besonders gefordert. Beispielsweise lässt sich das Klickgeräusch durch einen an den Pen gedrückten, dünnwandigen Plastikbecher verstärken, der als akustischer Resonanzkörper fungiert. Zum gemeinsamen Üben mit dem Patienten und zum Überprüfen, ob für ihn ein anderes Penmodell besser geeignet ist, muss der Apotheker eine komplette Palette von Placebopens griffbereit haben. Selbstverständlich ist ein gegebenenfalls angezeigter Wechsel des Modells mit dem behandelnden Arzt abzusprechen.


Tab. 1: Merkmale verschiedener marktgängiger Insulinpens
Modell
Typ
Dosier-schritte, höchste Dosis, I.E.
Klickgeräusch1
Anzeige der gewählten Dosis; Höhe der Ziffern2
Gewählte Dosis korrigierbar?
Unterdosierung
möglich?3
Kraft-aufwand4
Anzeige der
letzten Dosis?
Zurückstellen d. Kolbenstange beim Patronenwechsel
Autopen® 3/1,
- 3/2
halbauto-matischer Pen
1 → 21
2 → 42
mittellaut
analog;
3,5 mm
nein
ja
nein
Kolbenführung halten, Pen-Oberteil drehen
BerliPen® 301,
- 302
halbauto-matischer Pen
1 → 21
2 → 42
mittellaut
analog;
2,5 mm
nein
ja
nein
Kolbenführung halten, Pen-Oberteil drehen
BerliPen® aero
4 Modelle
wieder-
befüllbarer Pen*
1 → 60
wenig laut
analog,
Sichtfenster; 3,5 mm
ja**
nein
10 N,
9-12 N
nein
Rückstellring halten, Pen-Oberteil drehen
Diapen
3.1,
- 3.2
vollauto-matischer Pen
1 → 28
2 → 56
leise
digital, mechanisch, Sichtfenster; 2,0 mm
ja**
nein
nein
automatisch
(b. Abschrauben d. Containers)
Flexpen®
Einmalpen
1 → 60
mittellaut
analog, Sichtfenster; 3,0 mm
ja**
12 N,
11-13 N
nein
Humalog® Fertigpen, Huminsulin® Fertigpen
Einmalpen
1 → 60
leise
digital, mechanisch, Sichtfenster mit Lupeneffekt; 3,0 mm
ja**
15 N,
12-16 N
nein
HumaPen® Ergo
wieder-
befüllbarer Pen*
1 → 60
wenig laut
analog, Sichtfenster m. Lupeneffekt; 3,0 mm
ja**
ja
11 N,
8-13 N
nein
automatisch***
HumaPen® Luxura
wieder-
befüllbarer Pen*
1 → 60
wenig laut
analog,
Sichtfenster; 3,0 mm
ja**
ja
10 N,
9-12 N
nein
automatisch***
HumaPen® Luxura HD
wieder-
befüllbarer Pen*
0,5 → 30
wenig laut
analog,
Sichtfenster; 3,0 mm
ja**
ja
10 N,
9-12 N
nein
automatisch***
HumaPen® Memoir
wieder-
befüllbarer Pen*
1 → 60
mittellaut
digital, LCD;
5,5 mm, Uhrzeit u. Datum 3 mm
ja**
ja
10 N,
9-12 N
ja
automatisch***
Innolet®
Einmalpen
1 → 50
wenig laut
analog;
4,0 mm
ja**
6 N,
5-8 N
nein
NovoLet®
3 ml
Einmalpen
2 → 78
sehr leise
analog, Grob- und Feinskala; 3,5 bzw. 2,0 mm
ja**
9 N,
7-11 N
nein
NovoPen® 3
wieder-
befüllbarer Pen*
1 → 70
mittellaut
analog, Sichtfenster; 2,5 mm
ja++
ja
12 N,
8-14 N
nein
Ring am Pen-Oberteil drehen
NovoPen® 3 junior
wieder-
befüllbarer Pen*
0,5 → 35
mittellaut
analog,
Sichtfenster; 2,5 mm
ja++
ja
12 N,
8-14 N
nein
Ring am Pen-Oberteil drehen
NovoPen® 4
wieder-
befüllbarer Pen*
1 → 60
wenig laut
analog, Sichtfenster m. Lupeneffekt; 4,0 mm
ja**
nein
7 N,
6-8 N
nein
mit wenig Druck hineinschieben
Omnican® Pen 31,
- 32
halbauto-matischer Pen
1 → 21
2 → 42
sehr laut
analog;
3,5 mm
nein
ja
nein
Kolbenführung halten, Pen-Oberteil drehen
Opticlik®
wieder-
befüllbarer Pen*
1 → 80
wenig laut
digital, LCD, Sichtfenster m. Lupeneffekt;
6,0 mm
ja**
nein
17 N,
15-18 N
ja,
2 min
lang
nicht nötig+++
OptiSet®
Einmalpen
2 → 40
mittellaut
analog;
2,0 mm
ja**
14 N,
12-16 N
ja
SoloStar®
Einmalpen
1 → 80
leise
analog,
Sichtfenster;
3,0 mm
ja**
4 N,
3-4 N
nein
Ypsopen®
wiederbefüllbarer Pen*
1 → 60
mittellaut
digital, LCD, Sichtfenster m. Lupeneffekt;
5,0 mm
ja**
nein
15 N,
14-16 N
ja,
2 min
lang
Dosierknopf bis zum Anschlag nach links drehen

1 Schallpegel der Klickgeräusche bei der Dosiswahl: sehr laut > 42 dB(A); mittellaut 39-42 dB(A); wenig laut 35-38 dB(A); leise 31-34 dB(A); sehr leise < 31 dB(A); 
Mittelwerte von jeweils zehn Messungen mit jeweils zwei Exemplaren des Pens, Distanz = 0,5 m

2 Werte auf 0,5-mm-Intervalle gerundet 

3 Höhere Dosis wählbar und applizierbar als im Pen noch enthalten (bei wiederbefüllbaren und automatischen Pens)

4 Auf den Injektionsknopf am Pen auszuübende Kraft, um 90% von 20 I.E. Insulin innerhalb von 10 ± 1 s in ein offenes Gefäß abzugeben, Kanüle 0,25 x 8 mm; 
Mittel- und Extremwerte von jeweils zehn gravimetrischen Messungen mit jeweils zwei Exemplaren des Pens

* ohne Federmechanik 

** Dosierknopf bzw. Drehschalter zurückdrehen 

++ Patronenhalterung vom Pen-Oberteil wegziehen, gleichzeitig Dosierknopf auf 0 zurückdrücken 

*** Patronenkolben drückt beim Einsetzen Kolbenstange zurück 

+++ Kolbenstange wird mit Patrone ausgetauscht

Hat der Patient versehentlich eine zu hohe Insulindosis eingestellt, ist es bei einigen Gerätetypen nicht möglich, diese Falscheinstellung durch Zurückdrehen des Dosierknopfes zu korrigieren (Tab. 1). Die falsch gewählte Insulindosis ist zu verwerfen und anschließend die korrekte Dosis einzustellen.

Erläuterungsbedürftig ist auch der Umstand, dass sich bei verschiedenen Penmodellen eine höhere Dosis einstellen lässt, als im Pen noch enthalten ist (Tab. 1), sodass nur ein Teil der gewählten Dosis injiziert wird. Wenn dieser Fall eingetreten ist, muss sich der Patient nach erfolgtem Patronenwechsel eine ergänzende zweite Teilmenge injizieren.

Vor der Injektion in eine Hautfalte ist stets die Spritzbereitschaft des Pens zu überprüfen und dabei gleichzeitig eventuell vorhandene Luft aus der Patrone zu entfernen. Dazu stellt man eine Dosis von ein bis zwei Einheiten ein und prüft, ob beim Betätigen des Dosierknopfes einige Insulintropfen aus der Nadelspitze austreten.

 

Die zum Injizieren auf den Dosierknopf auszuübende Fingerkraft unterscheidet sich bei den verschiedenen Insulinpens ohne Federmechanik bis um das Sechsfache (Tab. 1). Sie ist deshalb bei der Betreuung feinmotorisch eingeschränkter Patienten zu berücksichtigen. Das Verschieben bzw. Festhalten des an halbautomatischen Pens seitlich angebrachten Auslöseknopfes erfordert nur eine relativ geringe Kraft von circa 6 N. Beim Spritzen in das Abdomen ist bei diesen Modellen ferner die erforderliche Handstellung bequemer und damit die Fingerkraft höher. Auch bei derartigen ergonomischen Aspekten lässt sich in der Apotheke mit Hilfe von Placebopens patientenspezifisch leicht zwischen gut und weniger gut geeigneten Modellen differenzieren.

Nach dem vollständigen Niederdrücken des Injektionsknopfes bzw. Zurückspringen des Dosierknopfes in die Nullstellung muss die Kanüle mindestens noch zehn Sekunden in der Haut verbleiben. In folgenden Situationen kann sogar ein Ausdehnen dieser Zeitspanne erforderlich sein:

Wenn sich infolge einer Fehlbedienung des Pens eine große Luftblase in der Insulinpatrone befindet,

  • wenn der Patient nur eine geringe Fingerkraft aufbringen kann,

wenn die Kanüle infolge falscher Handhabung geknickt oder durch eingetrocknete Insulinreste teilweise verlegt ist,

  • wenn der Patient die Hautfalte sehr stark komprimiert.

Beim Wechseln der Insulinpatrone ist bei vielen Geräten die Kolbenstange zurückzuschrauben. In einigen Fällen lässt sie sich zurückschieben oder passt sich in der Auszuglänge automatisch der neuen Patrone an (Tab. 1).

 

Literatur 

[1] W. Kircher: Arzneiformen richtig anwenden. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2007, S. 15-36 und S. 56-83. 

 


Anschrift des Verfassers: 

Dr. Wolfgang Kircher 

St. Barbara Apotheke

Hauptstr. 24, 82380 Peißenberg

 

 

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