Länderdossier Schweiz

"Ich mache meine Apotheke jetzt noch fitter!"

Ein Erfahrungsaustausch vor Ort in Zürich – die deutsche Apothekerin Ann-Kathrin Gräfe-Bub im Gespräch mit Ruth Küster-Beilharz.

DAZ: Frau Gräfe-Bub, vor Kurzem haben Sie mit Ihrer Erfa-Gruppe eine Tagung in Zürich durchgeführt und ich durfte die Gruppe im Vorfeld einer möglichen Liberalisierung unseres deutschen Marktes über die schweizerischen Verhältnisse informieren. Wie haben Sie die Situation dort für die unabhängige Apotheke erlebt?

 

Gräfe-Bub

: Vor Beginn der Erfa bin ich zunächst durch die Züricher Innenstadt geschlendert – die hohe Apothekendichte fällt sofort ins Auge. Mein erster Eindruck: Das ist ja alles total diffus! Über den mir optisch als "normal" erscheinenden Apotheken – von modern bis altmodisch – prangen in großen Schriftzügen neben oder statt des Apothekennamens: TopPharm-Apotheke, Amavita, Capitole, Rotpunkt oder – die Ausnahme – keine Dachmarke. Davor meist große Aufsteller mit zumeist preisaktiven Aktionen. Selbst als marktinterner Beobachter erschließt sich mir der Unterschied nicht und ich frage mich: Wie differenziert der Verbraucher?

 

Im Laufe der Erfa wird mein Bild klarer: Fast paritätisch, um nicht zu sagen liberal, existieren hier die unterschiedlichen Apothekenkulturen nebeneinander. Von der klassischen Kette (Amavita), über Franchise (Coop Vitality), festeren Verbünden (TopPharm), losen Kooperationen (Rotpunkt-Apotheken) bis hin zum überzeugten Einzelapotheker. Schnell wird klar: Wer vor der Marktöffnung eine Nische besetzt hat, zum Beispiel mit Homöopathie oder Eigenmarken oder entsprechender (Umsatz)größe, kann sich eine hohe Individualität und Unabhängigkeit auch im liberalisierten Markt leisten. Der Zusammenschluss ist für diese Kollegen rein politisch, strategischer Art (Rotpunkt). Mittelgroße Apotheken schließen sich – je nach Neigung – den diversen Marketingkonzepten an, die von hoher Beratungskompetenz (TopPharm) bis hin zur aggressiven Preisstrategie (SunStore) gehen.

 

 


DAZ:

Welche Erlebnisse haben Sie beeindruckt? Haben Sie Überraschungen erlebt?

 


Gräfe-Bub

: Zwei Dinge haben mich fasziniert: Trotz unterschiedlichster Geschäftsmodelle und Interessen der jeweiligen Akteure ist das Apothekenbild doch recht einheitlich geblieben. Ich habe nichts gefunden, was mich "erschlagen" hätte oder in dieser Form in unserem noch reglementierten deutschen Markt nicht bereits vorzufinden wäre. Merke: Gekocht, wird überall mit Wasser … Zweitens: Jeder findet scheinbar seine Nische. Die Amavita-Geschäftsführerin der Davoser Apotheke genauso wie die Rotpunkt-Apothekerin aus Bern oder der eigenständige Naturkundeapotheker mit seinen Blutegeln in Zürich Mitte. Alle erscheinen absolut authentisch und überzeugt von ihrer Marktpositionierung – ohne verbissen gegenüber anderen Konzepten zu wirken. Generell überrascht hat mich, dass sich keines der Konzepte als marktbeherrschend durchgesetzt hat. Ein echter "major player" war für mich nicht erkennbar. Intuitiv hatte ich erwartet, dass die professionelle Kette mit dem durchdeklinierten Marketing oder etwa das aggressive Preiskonzept marktdominierend wären. Scheinbar lässt sich der Schweizer Kunde aber nicht so einfach (ver)leiten und bleibt gerade in puncto Gesundheit den Personen mehr verbunden als dem Konzept.

 

 


DAZ:

Was leiten Sie für Ihre Apotheke aus der Schweizer Entwicklung ab?

 

 


Gräfe-Bub

: Aus dem Schweizer Besuch ist für mich vor allem hängen geblieben, meine Apotheke noch fitter für zukünftige Veränderungen zu machen. Eine klare Positionierung, ein professioneller Auftritt, sauber aufbereitete Zahlen, ein Businessplan sind das Rüstzeug für die kommenden Entscheidungen. Man kann nicht gleichzeitig mit dem Verkauf an eine Kette liebäugeln und sich vorbereiten auf eine liberale Kooperation mit hoher Eigenständigkeit. Die Entscheidung, in welche Richtung man seine Apotheke, seine Mannschaft und auch sich selber tendieren sieht, ist jetzt zu treffen. Nur dann wird man zum Zeitpunkt X die richtigen Partner finden und seine Idee umsetzen können.

 

 


DAZ:

Sie waren auch im Kontakt mit Apothekern und haben verschiedene Apotheken besucht. Apotheker in der Schweiz und in Deutschland – arbeitet diese Berufsgruppe in beiden Ländern mit einem ähnlichen Selbstverständnis? Gibt es kulturelle Unterschiede?

 

 


Gräfe-Bub

: Die Schweizer Kollegen, die ich während der Tagung kennen gelernt habe, habe ich als recht liberal, selbstbewusst und sympathisch wahrgenommen. Nach dem Motto "leben und leben lassen" erschien mir das Verhältnis unverkrampft und kollegial. Die Atmosphäre in den einzelnen Apotheken war zumeist sehr entspannt – was meines Erachtens auch an der anderen Kostenstruktur und der dadurch wesentlich höheren Personaldichte liegt. Die Auswahl bei einer solchen Erfa ist natürlich selektiv und nur die Aktiven erklären sich bereit, den Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Wenn sich acht deutsche engagierte Apotheken mit ihren Teams präsentieren würden, wäre der Eindruck nicht anders.

 

 


DAZ:

Vielen Dank, Frau Gräfe-Bub und weiterhin viel Erfolg mit Ihrer Apotheke in Deutschland oder haben Sie nach Ihrem Schweiz-Besuch jetzt Auswanderungsgedanken?

 

 


Gräfe-Bub

: Der Gedanke eines nicht unattraktiven Geschäftführergehaltes hat uns dort ja auch deutsche Apotheker kennen lernen lassen, die dem Ruf in die Schweiz gefolgt sind. Ich persönlich denke, das ist eine Sache des Naturells – und ich bin überzeugt, dass auch der deutsche Markt zukunftsorientiert denkenden Apothekern, die sich Win-win-Situationen im Markt erschließen, gute Perspektiven eröffnet. Wäre meine Apotheke (www.schlossapo24.de) in der Schweiz, würde ich mich bei den Rotpunkt-Apotheken sehen.

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