Allergien

Guter Rat bei Heuschnupfen und Raupendermatitis

Von Ambrosia bis Puderspray - Pollenallergiker umfassend beraten
Von Claudia Bruhn

Pollensaison ist mittlerweile fast das ganze Jahr über. Bereits ab Mitte Dezember fliegen die ersten Haselpollen, durch die Ambrosia-Pflanze, über die bereits vielfach in den Medien berichtet wurde, verlängert sich die Pollenflugzeit bis in den Oktober hinein. Und auch der Eichenprozessionsspinner sorgt gerade für Schlagzeilen. Doch mit der Abgabe eines antiallergischen Nasensprays oder eines Antihistaminikums in Tablettenform ist es manchmal nicht getan. Der folgende Beitrag widmet sich weiteren Fragen, die Heuschnupfen-geplagte Kunden in der Apotheke stellen könnten.

Gibt es außer Tabletten und Nasensprays noch andere Möglichkeiten, um Allergiesymptome zu mildern? Welche Gefahr droht durch die zunehmende Verbreitung der Beifuß-Ambrosia-Pflanze? Muss ich wegen meines Heuschnupfens auf Gartenarbeit komplett verzichten? Diese und weitere Fragen können in der Apotheke bei einer Heuschnupfen-Beratung auftauchen.

Viele neue Hilfsmittel –oft mit fraglichem Nutzen

Schaumstoffstöpsel oder Puderspray für die Nase, Rotlicht oder Pollenschutzmaske – in den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Hilfsmitteln auf den Markt gekommen. Bei näherer Betrachtung stellt man jedoch häufig fest, dass nicht alle Produkte halten können, was die Werbung verspricht, und valide Wirksamkeitsstudien häufig nicht verfügbar sind. Unter dem Namen Allergofit® werden beispielsweise Stöpsel aus Spezialschaumstoff vermarktet, die in die Nasenlöcher gesteckt werden sollen, damit sie die Atemluft filtern. Der Nachteil: damit keine Pollen in den Rachenraum gelangen, darf nur durch die Nase geatmet werden, auch die Augen bleiben ungeschützt. Letzteres gilt auch für die verschiedenen Pollenschutzmasken, deren Einsatz zum Beispiel beim Rasenmähen oder Radfahren durchaus sinnvoll erscheint. Beim sogenannten "rhino Beam forte Therapiegerät®" (Preis knapp 100 Euro) handelt sich um eine Kombination aus Rotlicht und einem Dauermagneten. Während die Bestrahlung nach Angaben des Herstellers fördernd auf die Energiegewinnung in den Mitochondrien wirkt, soll das Magnetfeld das Immunsystem positiv beeinflussen und die Zellregeneration anregen. Klinische Studien, die das belegen könnten, stehen nicht zur Verfügung. Beim Nasaleze® Puderspray wird damit geworben, dass das mikrofeine Puder pflanzlichen Ursprungs auf der Nasenschleimhaut einen hauchdünnen Schutzfilm gegen Pollen und Hausstaub bildet – doch auch hier bleiben Augen und Bronchien ungeschützt. Sinnvoll erscheinen dagegen in Zeiten starker Pollenbelastung regelmäßige Nasenspülungen (z. B. mit Emser® Nasendusche) in den Fällen, wo die Allergiesymptome überwiegend auf die Nase beschränkt sind.

Kausale Therapie: Allergenkarenz und SIT

Gelegentlich fragen Allergiker nach der "Allergieimpfung". Gemeint ist damit die spezifische Immuntherapie (SIT), auch als Hyposensibilisierung bezeichnet. Durch die Verabreichung ansteigender Allergenmengen über einen definierten Zeitraum kann damit eine Toleranz des Organismus gegen das jeweilige Allergen erreicht werden. Die Wirkung beruht darauf, dass T-Lymphozyten durch funktionelle Ausschaltung und durch Induktion gegenregulatorischer T-Zellen gehemmt werden. Diese Zellen produzieren wiederum Faktoren, die die IgE-Produktion blockieren, wodurch die klinischen Symptome der Allergie gemildert werden können. Die SIT gilt neben der Allergenkarenz als die einzige kausale Behandlungsmöglichkeit.

Bei der subkutanen spezifischen Immuntherapie (SCIT) ist die Wirksamkeit bei einer allergischen Rhinokonjunktivitis infolge Pollen- und Hausstaubmilbenallergie durch zahlreiche kontrollierte Studien und bei Tier- (Katzen) und Schimmelpilzallergie (Alternaria, Cladosporium) durch wenige Studien belegt. Auch beim intermittierenden und geringgradig persistierenden IgE-vermittelten allergischen Asthma ist die SCIT gut untersucht und wird daher neben Allergenkarenz und Pharmakotherapie als Therapieoption empfohlen. Bei Insektengiftallergie (Biene, Wespe) beobachtet man eine sehr gute Wirksamkeit. Die Behandlung sollte mindestens über drei bis fünf Jahre (unter Umständen lebenslang) erfolgen. Neueste Entwicklung der sublingualen spezifischen Immuntherapie (SLIT) ist die 2006 zugelassene Sublingualtablette Grazax®, die standardisierte Allergene aus Gräserpollen von Wiesenlieschgras (Phleum pratense) enthält.


Allergisierende Allergiemittel!

Einige rezeptfreie Antihistaminika besitzen aufgrund der darin enthaltenen Zusatzstoffe ein allergenes Potenzial. In einer von Ökotest durchgeführten Untersuchung mit 74 Produkten enthielt mehr als die Hälfte aller getesteten Augentropfen und Nasensprays Benzalkoniumchlorid und/oder Natriumedetat als Konservierungsmittel – laut Ökotest problematisch, da Benzalkoniumchlorid selbst ein allergenes Potenzial besitzt.

Auf Kreuzallergien mit Lebensmitteln hinweisen

Wegen der strukturellen Verwandtschaft von Allergenen in Pollen und Lebensmitteln müssen viele Allergiker unter Umständen auch auf einige Lebensmittel verzichten, da diese ebenfalls verschiedene Reaktionen (Haut- und Schleimhautreaktionen, Magen-Darm-Beschwerden bis hin zum anaphylaktischen Schock) auslösen können. Die Allergenität der Lebensmittel hängt jedoch stark von der Zubereitungsart und der Sorte ab. So gilt bei Äpfeln beispielsweise die Sorte Boskop als weniger allergen als Granny Smith oder Golden Delicious. Durch Erhitzen werden die Allergene zerstört, daher vertragen beispielsweise Birkenpollenallergiker gekochte oder gebackene Äpfel besser als rohe, auch Schälen oder Zerkleinern verringert die Allergenität. Vorsicht geboten ist auch bei Teemischungen aus einheimischen Kräutern oder naturbelassenem einheimischen Honig, weil darin ebenfalls Pollen enthalten sein können. Pollenallergiker sollten in der Apotheke auf diesen Zusammenhang hingewiesen werden (siehe Tabelle).


Beispiele für Kreuzallergien mit Lebensmitteln
Pollenart
mögliche Kreuzallergien
Baum- und Strauchpollen
(Birke, Erle, Hasel)
Apfel, Kirsche, Kiwi, Pflaumen, Erd- und Haselnüsse, Mandeln, Karotten, Sellerie
Gräserpollen
(z. B. Wiesenlieschgras)
Getreide (Roggen, Hafer, Weizen), Erdnüsse, Soja, Tomaten, Ananas
Getreidepollen (z. B. Roggen)
Getreidemehl, Mais, Reis
Kräuterpollen (z. B. Beifuß)
Karotten, Sellerie, Paprika, Anis, Fenchel, viele Gewürze (z. B. Kümmel, Curry)

Der Eichenprozessionsspinner – Juckreiz nach dem Waldspaziergang

Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea L.) ist ein Forstschädling, der bevorzugt Eichen, aber auch andere Baumarten (z. B. Hainbuche, Fichte) befällt. Seit etwa 15 Jahren breitet er sich auch in Deutschland aus und sorgt für Schlagzeilen. Vor allem in westlichen und südlichen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Franken, im südlichen Hessen, im Saarland und im westlichen Teil von Nordrhein-Westfalen tritt er gehäuft auf. Da die Raupen des Eichenprozessionsspinners trockene und warme Standorte bevorzugen, findet man sie weniger in dichten Wäldern, sondern eher an sonnigen Waldrändern oder auch in Grünanlagen, Sportgeländen und Schwimmbädern. Gefährdet sind daher nicht nur Waldarbeiter in befallenen Waldgebieten, sondern beispielsweise auch Besucher von Freizeitanlagen mit Eichenbaumbeständen oder direkte Anwohner an betroffenen Waldgebieten.

Die Raupen dieses Schädlings bilden auf ihrem Rücken dichte Polster von feinen, 0,1 bis 0,25 mm langen Gifthaaren aus, in denen sich das Nesselgift Thaumetopein befindet. Diese Haare können abbrechen, anschließend mit dem Wind verbreitet werden und sich in Haut und Schleimhäute bohren, was zu allergischen Reaktionen wie z. B. heftig juckenden Hautausschlägen asthmatischen Beschwerden oder Konjunktivitis sowie Fieber und allgemeinem Krankheitsgefühl führen kann. Beim Auftreten von Symptomen sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Allergiegefahr durch die Beifuß-Ambrosie

Bei der Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), die auch als Beifußblättriges Traubenkraut oder Ragweed bezeichnet wird, handelt es sich um eine aus Nordamerika stammende einjährige Pflanze, die sich in den letzten Jahren in mehreren europäischen Ländern (vor allem Frankreich, Italien, Schweiz, Ungarn) stark ausgebreitet hat. Auch in Deutschland verbreitet sie sich zunehmend – größere Bestände sind vor allem in Süd- und Ostdeutschland (Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen, südöstliches Rheinland-Pfalz, Brandenburg – insbesondere die Niederlausitz- und Berlin) beobachtet worden. Die Beifuß-Ambrosie kommt zum Beispiel an Straßen-, Weg- und Ackerrändern, auf Brachflächen oder in Neubaugebieten, aber auch in privaten Gärten vor, wohin sie z. B. durch mit Ambrosia-Samen verunreinigtes Vogelfutter gelangen kann. Die Ausbreitung der Pflanze wird derzeit von der Projektgruppe Biodiversität im hessischen Friedberg erfasst (siehe Kasten).

Ambrosia-Fundorte melden!

Eine unabhängige Wissenschaftlergruppe in Hessen (Projektgruppe Biodiversität) erfasst derzeit die Fundorte der Beifuß-Ambrosie und bittet dabei die Bevölkerung um Unterstützung. Weitere Informationen und ein Meldeformular gibt es unter www.ambrosiainfo.de.

Die Ambrosia-Pollen sind mit 18 µm Durchmesser kleiner als die anderer Allergie auslösender Pflanzen in Deutschland (zum Vergleich: Birkenpollen ca. 24 µm, Roggenpollen ca. 95 µm) und gelten als stark allergen. Daher wurde die Bekämpfung der weiteren Ambrosia-Ausbreitung auch im "Aktionsplan gegen Allergien" des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz festgeschrieben. Denn Fachleute nehmen an, dass in der derzeitigen Frühphase der "Einbürgerung" der Pflanze in Deutschland der Ausbreitung noch erfolgreich entgegengewirkt werden kann. Sie empfehlen, Ambrosiapflanzen möglichst vor Beginn der Blüte (ca. Mitte Juli) mit der Wurzel (ggf. Handschuhe anziehen) herauszuziehen und in einem Plastiksack in die Restmülltonne zu entsorgen. Zum Schutz der Atemwege wird das Anlegen einer Pollenschutz- oder Feinstaubmaske empfohlen.

Gartenarbeit trotz Pollenallergie?

Gartenliebhaber mit einer Pollenallergie müssen auf ihr Hobby nicht verzichten, wenn sie einige Regeln beachten. Folgendes kann ihnen geraten werden:

Steingarten statt Rasen: Auf Rasen sollten Heuschnupfenallergiker möglichst verzichten oder, falls dies nicht möglich ist, ihn wenigstens nicht selbst mähen, weil dabei sehr viele Pollen aufgewirbelt werden. Es empfiehlt sich außerdem, den Rasen stets kurz zu halten und Unkräuter schon vor dem Blühen zu entfernen. Von Vorteil ist ein Steingarten mit Kies- oder Holzflächen und bodenbedeckenden Pflanzen, denn die meisten Steingartenpflanzen sind bei Heuschnupfen kein Problem. Selbstverständlich sollten die Betroffenen konsequent darauf achten, dass in ihrem Garten keine Pflanzen oder Gräser wachsen, auf die sie allergisch reagieren.

Arbeitszeiten nach dem Pollenflug ausrichten: Ideal für die Gartenarbeit sind Zeiten, an denen sich wenige Pollen in der Luft befinden: am frühen Morgen bis etwa 8 Uhr, an windstillen, trüben Tagen oder nach einem kräftigen Regen. Außerdem liefert die aktuelle Pollenvorhersage Hinweise auf die jeweilige Belastung.

Zweckmäßige Kleidung tragen: geeignete Kleidung für die Gartenarbeit sind glatte Stoffe und Handschuhe, die Haare sollten mit einer Kopfbedeckung vor Pollen geschützt werden. Nach der Arbeit sollte die Bekleidung außerhalb des Wohnbereiches abgelegt und die Haare vor dem Zubettgehen gewaschen werden.

Wo fliegt wann welcher Pollen?

Eine Pollenflugvorhersage für Deutschland sowie Informationen über die Pollenbelastung in der Luft finden Sie unter

www.wetteronline.de/pollen.html

oder

www.pollenflug.de

Quelle

Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Bayern, LWF Merkblatt 15 (5/2004) www.fva-bw.de.

Eichenprozessionsspinner. Waldschutz-Info 01/2002, herausgegeben von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Abteilung Waldschutz, Freiburg (2. Aufl., April 2005).

"Die sind ja reizend", Test Allergiemittel in: Ökotest Jahrbuch Gesundheit für 2008.

Bruhn, C.; Frey, O.; Wagner, R.: Das Kind in der Apotheke. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart (2006).

AWMF-Leitlinie: Die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergo. J. 15:56-74 (2006).

Ring, J.; et al.: (Hrsg.): Weißbuch Allergie in Deutschland. Urban & Vogel, München, 2. Aufl. (2004).

Dr. Stefan Nawrath, Friedberg; Thomas Dümmel, Berlin: "Keine Verschnaufpause – Ambrosia lässt Allergiker länger leiden", Berlin, 5. Juni 2008, veranstaltet von der MSD Sharp & Dohme GmbH, Haar.

 

 


Anschrift der Verfasserin:

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Ahornstr. 8, 12163 Berlin

 

 

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