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Gut gerüstet für eine unsichere Zukunft

BREMEN (tmb). Bei der Mitgliederversammlung des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) am 7. Juni in Bremen wurden die Herausforderungen für das Rechenzentrum durch gesundheitspolitische Entwicklungen analysiert. Trotz der Bedrohungen von außen wurden erfolgreiche Geschäftsergebnisse präsentiert.

Der Vorsitzende des NARZ-Vorstandes, Dr. Jörn Graue, beschrieb das Rechenzentrum als "Dienstleister für die individualgeführte Apotheke", der den einzelnen Apotheker von der Abrechnungsaufgabe entlastet. Falls Apothekenketten zugelassen würden, ergebe dies "eine völlig neue Situation auch für die standeseigenen Rechenzentren", die im diametralen Gegensatz zur Vereinsstruktur stünde. Doch die Apotheker würden sich dagegen wehren, dass die Apothekenstruktur "auf dem auch ideologisch verbrämten Altar von Kapitalgesellschaften jeglicher Genese geopfert wird".

Versandhandel und die Folgen

Zur Versandhandelsproblematik sei zu hören, dass auch Aldi in den Startlöchern stehe. Nun sei der allerletzte Zeitpunkt für eine gesetzliche Neuregelung, aber von 81 Bundesratsinitiativen seit 2005 seien nur zehn letztlich vom Bundestag beschlossen worden. Eine Novelle aus dem Bundesgesundheitsministerium wäre sicher erfolgreich, doch habe ihn die Reaktion des Ministeriums auf das dm-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts überrascht. Das Ministerium sehe nun "Rechtsklarheit beim Versandhandel". Man fürchte dort nicht, dass es künftig Arzneimittelbestellpunkte in Dönerbuden gebe. Nach Einschätzung von Graue werde hier "mit einer kaum noch zu überbietenden Ignoranz die Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in ihr Gegenteil verkehrt". Dies gipfle in der aktuellen Überlegung der Bundesregierung, das Verbot der Rezeptsammelstellen zu lockern. Hoffnung mache dagegen eher die Entwicklung vor dem Europäischen Gerichtshof. Immerhin habe der Generalanwalt im Vertragsverletzungsverfahren wegen der Krankenhausversorgung die These vertreten, dass die Arzneimittelversorgung im Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten verbleiben müsse und es dabei keinen Vorrang des freien Warenverkehrs gebe. Außerdem dürfte der "Höhepunkt des Liberalisierungshypes überschritten" sein.


"Wie lange uns dieser Wettbewerbsspuk erhalten bleibt, wissen nur die Götter."

Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des NARZ, über Rabattverträge

Rabattverträge und die Folgen

Zu den aus Wettbewerbsgründen eingeführten Rabattverträgen erklärte Graue, diese hätten einen Wettbewerb eigener Art ausgelöst: "den Wettbewerb deutscher Gerichte um die Zuständigkeit in der Jurisdiktion über den Wettbewerb in der GKV." Es bleibe die Hoffnung, dass die Gesundheitspolitiker "den ganzen Wettbewerbsklimbim wegen nachhaltigen Verstoßes gegen die Solidarität wieder canceln werden". Dann sei aber nicht auszuschließen, dass "aus dem Kuriositätenkabinett neue Monster auf die Apothekenbühne geschickt werden".

Im Umgang mit den Rabattverträgen helfe das NARZ den Apothekern durch die nahezu flächendeckend abgefragte Vorprüfung der Rezepte und durch die Lieferung aller auf Datenebene evaluierbaren Informationen bei der Reaktion auf Retaxierungen. Unglücklicherweise hätten einige Ersatzkassen wegen unterschiedlicher Software bei Kassen und Apotheken Vollabsetzungen durchgeführt. Die Kassen würden langsam erkennen, dass dies überzogen sei. Nach Einschätzung von Graue könnten sich Absetzungen nur am tatsächlich eingetretenen Verlust orientieren. Sollte es nicht gelingen, mit den Kassen ein abgestuftes Verfahren zu vereinbaren, müsse ein Musterverfahren Rechtssicherheit herstellen.

Erfolgreiche Arbeit

Die vielfältigen Bedrohungen von außen würden den Schulterschluss im Innenverhältnis nötig machen. In der CEDAG und im ARZ-CEDAG-GmbH-Projekt würden daher bedeutende gemeinsame Aktivitäten mit dem ARZ Darmstadt und dem Apothekenrechenzentrum Haan stattfinden. Die Stärke der Apothekenrechenzentren sei keineswegs gering einzuschätzen, weil sie mit ihren Daten eine Informationsplattform bieten können.

NARZ-Geschäftsführer Hanno Helmker berichtete über eine erfolgreiche Entwicklung: Die Bilanzsumme des Konzerns stieg auf 17,37 (Vorjahr: 15,56) Millionen Euro. Der Jahresüberschuss betrug beim NARZ 538.000 (Vorjahr: 478.000), bei der Tochtergesellschaft AVN 349.000 (Vorjahr: 812.000) und bei der eigentlichen Produktionstochter GfI 1.383.000 (Vorjahr: 697.000) Euro. Die Eigenkapitalquote von 87,3 Prozent unterstreicht die solide Finanzierung der Unternehmensgruppe. Helmker würdigte das hochmotivierte und qualifizierte Personal als wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Als bedeutende Investition verwies er auf ein neues Notstromaggregat, das künftig auch lange Stromausfälle überbrücken können soll. Ein mögliches Risiko könnte in der Anschaffung neuer Belegleser ab 2011 liegen, wobei die Einführung des elektronischen Rezeptes zu berücksichtigen sei.


"Nach allem, was zurzeit aus dem Ministerium verlautet, wird es wohl eher ein Versprecher sein als ein Versprechen."

Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des NARZ, über Aussagen von Ulla Schmidt zum Erhalt der inhabergeführten Apotheke bei einer Veranstaltung vor Pharmaziestudenten

Erfolgloses e-Rezept

Das NARZ hat durch sichere Geldströme die Existenz der Apotheken gesichert, was angesichts der allgemeinen Zahlungsmoral keine Selbstverständlichkeit sei, meinte der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Berend Groeneveld. Für die Zukunft sei das NARZ gut gerüstet. Künftig könnte die Umsetzung von Zielpreisen zu einer wichtigen Aufgabe des Rechenzentrums werden. Dagegen sieht er im elektronischen Rezept großes Risikopotenzial für das Gesundheitswesen, weil digitale Daten leicht zu transportieren und zu manipulieren sind. Die Testergebnisse aus Flensburg und Wolfsburg hätten ein verheerendes Akzeptanzproblem gezeigt. Nur 16 von insgesamt 61 e-Rezepten seien eingelöst worden, die Eingabe der PIN durch die Patienten sei komplett gescheitert. Graue betonte, dass der Sachverstand des NARZ in die Diskussionen der ABDA über die Gesundheitskarte eingehen werde. Die für Dezember 2008 von der Bundesregierung geplante Gesundheitskarte könne im Vergleich zu den bisher umlaufenden Karten aber nur zusätzlich ein Bild des Versicherten enthalten.

Vorstandswahl

Der Vorstand und der Verwaltungsrat des NARZ wurden einstimmig entlastet. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Richard Klämbt und Vorstandsmitglied Siegbert Lauk-Reineke wurden bei der turnusmäßigen Vorstandswahl einstimmig in ihren Ämtern bestätigt.

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