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Grüezi Schwiiz

Peter Ditzel

Die Schweiz – welch nette Assoziationen verbinden wir doch mit unserem alpenländischen Nachbarn: Alpen, Käse, Schokolade, Uhren, Banken, Heidiland? Und jetzt Fußballland? Irgendetwas ist da für jeden dabei. Aber positive Assoziationen in Richtung Pharmazie und Apotheke stellen sich wohl kaum ein. Denn die Schweizer leben schon seit einigen Jahren mit Kooperationen, Ketten und Co. Wie geht es eigentlich unseren Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz? Unser Länderdossier Schweiz zeigt die Fakten im Apothekenmarkt.

Ruth Küster-Beilharz, Kennerin des Schweizer Apothekenmarktes, sprach mit Schweizer Apothekerinnen und Apothekern und zeigt uns, wie in diesem Land inhabergeführte Apotheken, Apotheken in Kooperationen und Kettenapotheken nebeneinander existieren. Ein Fremd- und Mehrbesitzverbot kennen die Schweizer nicht. Dazu gibt es Konkurrenz von den Ärzten, die in manchen Kantonen der Schweiz die Dispensiererlaubnis haben. Sie dürfen nicht nur verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben, sondern auch OTC. Und nicht zu vergessen: auch Versandhandel mit Arzneimitteln ist in der Schweiz üblich und Drogerien mischen beim Arzneiverkauf teilweise mit. Für uns liest sich das wie ein Worst-case-Szenario. Es ist genau das Szenario, das wir befürchten und gegen das wir vehement kämpfen.

Die Liberalisierung begann in der Schweiz vor etwa 50 Jahren, aber erst in den letzten zehn Jahren erfuhr sie eine ungeahnte Dynamik, als vermehrt Großhandlungen in den Markt eintraten. Heute sind über 75 Prozent der Apotheken in Ketten oder Kooperationen organisiert. Die verbliebenen Einzelapotheken behaupten sich an ausgesuchten Standorten oder in Nischen. Sie bieten ihren Kunden besondere Dienstleistungen an, haben sich auf besondere Therapien spezialisiert oder punkten mit außergewöhnlichen Konzepten. Wie beispielsweise die St. Peter-Apotheke in Zürich, die sich selbst als die etwas andere Apotheke bezeichnet. Das ist sie in der Tat. Ihr Schwerpunkt liegt auf alternativen Arzneimitteltherapien. In den Schubladen lagern alle nur erdenklichen Homöopathika, Anthroposophika, Spagyrika. Im Untergeschoss befindet sich ein riesiges Lager an Drogen für die traditionelle chinesische Medizin (TCM).

Noch nah dran an der Individualapotheke sind die Apotheken, die sich in Kooperationen formiert haben und nach außen – ähnlich wie mittlerweile schon bei uns – mit ihrem Eigennamen und als Zusatz mit dem Logo der Kooperation auftreten. TopPharm ist beispielsweise eine solche Apothekengruppe, die Beratung und Service hochhält und kaum auf Preisaktivität setzt. Ihr Name ist Programm: sie wollen eine Top-Pharmazie bieten und haben hohe Qualitätsansprüche. Die Rechnung scheint aufzugehen, die Bevölkerung nimmt das Konzept an.

Daneben gibt es aber auch Kooperationen, die eher eine Preisstrategie fahren wie beispielsweise die Rotpunkt-Apotheken. Monatlich werden fünf bis zehn Produkte preisaktiv angeboten mit Nachlässen um die 20 Prozent.

Und dann die Ketten. Hier mischen vor allem Großhandlungen mit, zum Beispiel die Galenica mit ihrer Kette "Amavita" oder die deutsche Phoenix-Group, die in der Schweiz mit der "Group Capitole" am Markt vertreten ist. Selbst eine Kette in privater Hand, die "Dr. Bähler AG", spielt im hart umkämpften Schweizer Markt mit.

Und der Versandhandel: Er bestreitet weniger als vier Prozent des schweizerischen Marktes. Einer der führenden Versender ist die Zur Rose AG, die auch in Deutschland mit Sitz in Halle tätig ist. Sie zeigt sich optimistisch und glaubt, weiter wachsen zu können.

Lesen Sie auch das Interview mit Pierre André Jud, der sich in der Schweiz bereits vor Jahren als innovativer Apotheker einen Namen machte: er gründete die erste Apothekenkooperation TopPharm. In unserem Interview legt er seine Gedanken dar, wie sich der Markt in Deutschland entwickeln könnte.

Wer angesichts dieses Schweizer Szenarios nun glaubt, unsere Kolleginnen und Kollegen im benachbarten Nicht-EU-Land resignieren oder versinken in Lethargie, der irrt. Wie auch vom Schweizer Apothekerverband pharmaSuisse zu erfahren war, versucht man den Markt trotz aller Widrigkeiten zu gestalten – und ein Miteinander der unterschiedlichen Apothekenarten.

Ob solche Szenarien für Deutschland denkbar sind, überlasse ich gern Ihrer Beurteilung. Möglicherweise sind solche Zustände nur mit der stoisch-ruhigen Gemütslage eines Schweizers zu ertragen.

Aktuelle Entwicklung in der schweizerischen Apothekenpolitik: Mit dem neuen Gesundheitsgesetz zum 1. Juli sollen Apotheken künftig auch Blutdruckmessungen durchführen, Cholesterinwerte messen und Arzneimittel wie Augentropfen am Kunden anwenden dürfen. Und sie sollen sogar impfen dürfen. Na dann, Grüezi wohl Frau Stirnimaa!


Peter Ditzel

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