Aus Kammern und Verbänden

Für ein würdiges Leben vor dem Tod

Die Betreuung schwer und unheilbar kranker Patienten ist eine interdisziplinäre Herausforderung, der sich Ärzte, Pflegende und Apotheker stellen müssen. In diesem Sinne veranstalteten der Deutsche Pharmazeutinnen Verband und der Deutsche Ärztinnenbund am 16. April in Hamburg eine gemeinsame Tagung, auf der Expertinnen aus den Bereichen Schmerztherapie, Pharmazie und Psychoonkologie referierten.

Ambulante Versorgung verbessern

Wie die Schmerztherapeutin Dr. Maja Falckenberg darlegte, sterben ca. 80% der deutschen Bevölkerung im Krankenhaus. Dies steht dem überwiegenden Wunsch, in vertrauter häuslicher Umgebung zu sterben, entgegen. Eine Studie aus NRW zeigt, dass man diesem verständlichen Wunsch durch eine optimale ambulante Versorgung in vielen Fällen gerecht werden kann.

Die meisten Patienten, die eine palliative Versorgung benötigen und häufig zwischen dem Krankenhaus und ihrem Zuhause wechseln, werden zwar von Fachärzten behandelt, aber nicht vom Hausarzt betreut. Die derzeitige Honorierung der Ärzte nach der Pauschalvergütung reicht nicht aus, um todkranke Menschen optimal zu betreuen, das heißt, etwa zweimal wöchentlich zu Hause zu besuchen.

Dr. Falkenberg stellte ein dreistufiges Modell einer ambulanten palliativen Versorgung vor, das kooperativ auf die jetzige Standardversorgung aufbaut und Erfahrungen aus den USA nutzt, wo die ambulante palliative Versorgung bereits seit einigen Jahren erfolgreich praktiziert wird. Demnach käme auf jeweils 250.000 Einwohner ein spezielles Palliativteam, bestehend aus einem Palliativmediziner und mehreren speziell geschulten Pflegenden, das rund um die Uhr bereitsteht. Auch die medikamentöse Versorgung durch die Apotheken müsste jederzeit gewährleistet sein. Ehrenamtliche Mitarbeiter sollten das Team ergänzen.

Keine "Sterbestation"

Schwester Karin Johanna Haase, Leiterin der Apotheke des Marienhospitals in Stuttgart, berichtete aus der Praxis einer Krankenhausapotheke, die eine Palliativstation versorgt.

Das Marienhospital hat schon im Jahr 1992 eine Palliativstation mit zehn Betten eingerichtet, die 2002 – trotz einer negativen Kostenstruktur – um eine weitere Station erweitert wurde. Bei einer solchen Palliativstation handelt es sich nicht, wie häufig gemutmaßt, um eine Sterbestation. Mehr als die Hälfte der Patienten sind nur vorübergehend dort zu Erst- oder Neueinstellungen.

Das Behandlungsprinzip auf der Palliativstation lautet "Individuelle Therapie vor schematischer Therapie" (Robert Twycross), was auf einer normalen Station nicht zu leisten wäre. Es erfordert auch von den Apothekern – über die Erfüllung ihrer üblichen Aufgaben hinaus – Fantasie und Ideenreichtum, um die Lebensqualität der schwerkranken Patienten zu verbessern. Wichtig sind

  • eine optimale Ernährung; der Apotheker ist hierfür zuständig, wenn kein Ökotrophologe in der Klinik tätig ist;

  • eine optimale Wundversorgung mit modernen Wundauflagen und möglichst schmerzfreiem Verbandwechsel;

  • Lagerungshilfen und deren richtiger Einsatz.

Die Referentin betonte, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegekräften, Apothekern, Wund- und Stomatherapeuten und Ökotrophologen ist. Eine Besonderheit in Stuttgart sind die "Brückenschwestern", die die Patienten in die ambulante Versorgung überleiten.


Palliativmedizin und ambulante Palliativversorgung

Die WHO definiert Palliativmedizin so: "Palliativmedizin dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Angehörigen, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen psychischer, psychosozialer und spiritueller Natur."

Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz trat am 1. April 2007 die neue Fassung des SGB V § 37b in Kraft, der die "spezialisierte ambulante Palliativversorgung" regelt:

(1) Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, haben Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Die Leistung ist von einem Vertragsarzt oder Krankenhausarzt zu verordnen und von der Krankenkasse zu genehmigen. Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen einschließlich ihrer Koordination insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle und zielt darauf ab, die Betreuung der Versicherten nach Satz 1 in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Dabei sind die besonderen Belange von Kindern zu berücksichtigen.

Die Angehörigen einbeziehen

Dr. Anna Staufenbiel-Wandschneider, Psychoonkologin, referierte über die Rolle der Angehörigen in der Palliativmedizin. Sie stellte einleitend fest, dass im Verhältnis zwischen Angehörigen und todkranken Menschen eine gestörte Kommunikation normal ist. Die Kranken haben die Empfindung, ihren Angehörigen eine Last zu sein. Die Angehörigen wiederum machen sich Sorgen über den Krankheitsverlauf und den bevorstehenden Verlust, verdrängen aber oft ihre Sorgen, weil sie meinen, "stark sein" zu müssen. Kinder sind durch eine solche Situation besonders belastet. Dies zeigt sich oft in der Unterbrechung von Entwicklungsschritten; bei Jugendlichen kann der Entwicklungsprozess "von der Familie weg" unterbrochen werden; oft stellen sich Schuldgefühle ein. Kinder sollten ihrem Alter angemessen über die Situation aufgeklärt werden; es ist auch darauf zu achten, dass sie nicht durch Übertragung elterlicher Aufgaben überfordert werden.

In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Einbeziehung der Angehörigen wie auch anderer ehrenamtlich Tätiger in die Therapie eine große Hilfe für die Heilberufler ist.


Antonie Marqwardt

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