DAZ aktuell

Versandapotheken schwören auf Zusammenarbeit

BERLIN (ks). Von den rund 1800 deutschen Apotheken, die eine Versandhandelserlaubnis besitzen, verschicken nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) etwa 20 im größeren Stil Medikamente an Patienten in ganz Deutschland. Etwa zehn von ihnen können dabei einen Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro im Jahr generieren. Dabei wird das Geschäft – anders als bei ihrer niederländischen Konkurrenz – vor allem mit OTC gemacht. Da die deutschen Versender für die Krankenkassen keinen besonderen Mehrwert darstellen, sind Kreativität, Geschäftssinn und Risikobereitschaft gefragt, wenn sie im Markt bestehen wollen.

Mit dem Status Quo und der Zukunft der deutschen Versandapotheken befassten sich vergangene Woche eine Reihe von Referenten beim 1. BVDVA-Kongress in Berlin. Zu Wort kamen dabei unter anderem Vertreter des Branchenprimus Sanicare und der easy-Apotheke. Aber auch die niederländische Europa Apotheek Venlo, deren Mehrheitsanteil kürzlich von dem US-amerikanischen Apotheken-Riesen Medco übernommen wurde, war vertreten.

Easy-Apotheken: Arznei­bestellung in der Postfiliale

Oliver Blume, Geschäftsführer der easyApotheke Dienstleistungsgesellschaft für Apothekenkonzepte GbR und stellvertretender BVDVA-Vorsitzender, erläuterte das Konzept der easy-Apotheken. Die in Hildesheim ansässige easy-Versandapotheke positioniert sich klar als Discount-Apotheke. Ihren Einstieg fand sie 2004 über die Internetauktionsplattform Ebay. Seit 2006 gibt es auch ein stationäres Apothekenkonzept, das ebenfalls auf Discount setzt: 18 easy-Apotheken sind bereits eröffnet, acht davon in Berlin. Laut Blume sollen es in diesem Jahr 50 werden. Er räumt allerdings ein, dass der Ausbau etwas langsamer vonstatten gehe, da man ausschließlich auf neue Standorte setze. Diese sollen sich insbesondere in Einkaufszentren befinden, die teilweise noch im Bau sind. Ins Gespräch kam die easy-Versandapotheke in diesem Jahr durch ihre Kooperation mit der deutschen Post. Im März startete sie ein Pilotprojekt in 18 Postfilialen in Hildesheim, Hannover und Stuttgart – im April fanden sich bereits in 30 Filialen Aufsteller mit easy-Rezepttaschen. Diese sollen die Postkunden ermuntern, auch ihre ärztlichen Verordnungen im Versand zu ordern, zudem soll das OTC-Geschäft gefördert werden. So finden sich auf dem Bestellschein 20 gängige rezeptfreie Präparate zum Ankreuzen. Laut Blume geht dieses OTC-Konzept auf: 30 Prozent der Rezepttaschen-Kunden bestellen nebenbei auch rezeptfreie Präparate. Wie stark die Nachfrage nach den Rezepttaschen bislang tatsächlich ist, lässt Blume allerdings im Vagen: "Dass nun mehrere hundert Kunden täglich in die Filialen stürmen und das neue Angebot wahrnehmen, haben wir nicht erwartet und nicht erreicht", erklärt er nach den ersten drei Monaten des Projektes. Ob sich die Zusammenarbeit mit der Post rechnet, soll sich nach sechs Monaten zeigen. Große Umsätze erwartet Blume nicht, Ziel sei es aber, eine größere Flächendeckung als mit den Filialen zu erreichen.

Vorreiter Sanicare

Heinrich Meyer, Leiter der Sanicare-Versandapotheke, zeigte auf, welche Kooperationsmöglichkeiten für Versandapotheken bestehen. Sanicare hat bereits vieles ausprobiert – Ziel war und ist es dabei vor allem, die Apotheke mit Sitz in Bad Laer bundesweit bekannt zu machen. Dies geschieht etwa durch Marketingkooperationen. So werden über andere Versender Sanicare-Prospekte verbreitet und auflagenstarke TV-Programmhefte mit Beiheftern bestückt. Im vergangenen Jahr kooperierte die Apotheke zudem mit Tchibo: Der Kaffeeröster verkaufte Wertcoupons für Reise- und Hausapotheken-Sets, was mit umfassenden Werbemaßnahmen für Sanicare einherging. Seit einem knappen Jahr gibt es zudem eine Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsversand Aliva. In diesem Zuge wurde die Aliva-Apotheke ins Leben gerufen, hinter der die Versmolder Filiale der Sanicare-Apotheke steckt. Die Kooperation mit dem Drogeriemarkt Ihr Platz ist hingegen bereits überholt, nachdem hier nun Schlecker mit seiner eigenen Versandapotheke Vitalsana das Sagen hat. Auch die Kooperationen mit Krankenkassen sind für Sanicare ein eher schwieriges Thema. Da sie bei Rx-Arzneien an die deutschen Festpreise gebunden sind und Gerichte die Verwendung von Kunden-Gutscheinen wiederholt untersagten, ist das Interesse der Kassen gering. Meyer zufolge hatten die geballten Aktionen einen Türöffner-Effekt: "Es klopfen immer wieder Leute an, die neue Kooperationen anbieten". Allerdings seien nicht alle geeignet. Und mit allzu gewagten Marketingmaßnahmen will sich Sanicare lieber zurückhalten – schließlich habe man sich ein Image aufgebaut, das man nicht schädigen will, so Meyer. Um sich auszuprobieren, setzt man daher derzeit eher auf die Aliva-Apotheke. Eine Zukunftsvision von Sanicare ist der Aufbau eines flächendeckenden Netzwerkes, das sich jedoch von den bisherigen Apothekenkooperationen unterscheiden soll. Ein partnerschaftlicher Verbund mit rund 150 bis 300 Apotheken im gesamten Bundesgebiet könnte vor allem dafür sorgen, dass das zweite starke Standbein von Sanicare, die Krankenhaus- und Heimversorgung, weiter ausgebaut wird. Am liebsten wäre es Sanicare, dabei selbst als Zentrale zu dienen und durch die Kooperationspartner die Akutversorgung und Beratung vor Ort sicherzustellen. Noch ist dies nach deutschem Recht allerdings nicht möglich – die nationalen Regeln zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern stehen jedoch derzeit auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofes.

Europa Apotheek gibt sich Franchise-skeptisch

Während die deutschen Versender sich vornehmlich mit dem OTC-Geschäft begnügen müssen, erfreuen sich die großen holländischen Apotheken an den Rezepten der deutschen Kunden. Bei der Europa Apotheek Venlo tragen Rx-Arzneien zu 85 Prozent des Umsatzes bei. Klaus Gritschneder, Mitglied der Geschäftsführung der Europa Apotheek, sieht sein Unternehmen weiter auf Erfolgskurs. Dazu soll nicht zuletzt die Übernahme durch Medco beitragen – aus der über 25-jährigen Versandhandelserfahrung der größten Versandapotheke der Welt könne man "eine Menge lernen", betonte Gritschneder. Man will vor allem mit pharmazeutischer Qualität und einer guten Betreuung punkten und sich als Spezialist für chronische Erkrankungen etablieren. Dass es dabei auch um die Sicherheit bestens bestellt ist, davon ist Gritschneder überzeugt: Dies belege nun auch eine US-Studie, die Fehler bei der Abgabe verordneter Arzneimittel analysiert habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Versandapotheken 23 Mal sicherer sind als normale Präsenzapotheken. Klar ist: die Europa Apotheek will noch mehr vom deutschen Arzneimittel-Kuchen, denn bislang ist der Marktanteil der Versender noch immer gering. "Wir haben noch 97 Prozent des Marktes vor uns – das macht Spaß", freut sich Gritschneder. Allerdings sei dieser Markt nicht allein mit dem Versand zu erobern. Wie sich die Europa Apotheek abseits ihrer Kooperation mit den dm-Drogeriemärkten weiter in Deutschland ausbreiten will, ließ Gritschneder allerdings offen. Sollte das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot fallen, heiße dies noch nicht, dass gleich Ketten da sind. Genauso wenig müsse man damit rechnen, dass die Europa Apotheek/Medco "morgen ein Franchisekonzept auf den Markt bringt". Derartige Konzepte sind seiner Ansicht nach nicht zwingend "von Erfolg gekrönt" – dazu seien Apotheker "zu individuell". Viel verspricht sich Gritschneder hingegen von der Einführung des eRezeptes – allerdings nicht in der Form, wie sie der ABDA vorschwebt. Das heißt, das eRezept dürfte nicht physisch an die elektronische Gesundheitskarte (eGK) gekoppelt sein. Noch ist dies angesichts der anhaltenden Streitigkeiten um die ersten Grundfunktionen der eGK jedoch eher Zukunftsmusik.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.