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Unser Zukunftsfach

Peter Ditzel

Die Klinische Pharmazie wurde als fünfte Disziplin, neben der Chemie, der Biologie, der Technologie und der Pharmakologie, im Oktober 2001 als Ausbildungs- und Prüfungsfach in die Approbationsordnung aufgenommen. Rund sieben Jahre später kann man sich mitunter des Eindrucks nicht erwehren, dass sie mancherorts als fünftes Rad betrachtet wird. Denn: noch immer ist nicht an jedem der 22 pharmazeutischen Institute in Deutschland ein Lehrstuhl bzw. ein eigenes Institut oder eine Abteilung für Klinische Pharmazie eingerichtet worden. Eigentlich können dies nur die Universitäten Berlin, Bonn, Düsseldorf und mit Einschränkung Braunschweig vorweisen. An den restlichen achtzehn Ausbildungsstätten für Pharmazeuten segelt die Klinische Pharmazie bei einem anderen Lehrstuhl mit oder ist bei einem anderen Institut mit angesiedelt, beispielsweise über Juniorprofessuren, oder es werden Professoren einer anderen Fachrichtung dafür abgestellt, die das neue Fach mitbetreuen.

Da drängen sich der Eindruck und die Frage auf: warum wird die Klinische Pharmazie stiefmütterlich behandelt? Natürlich fehlt es an einigen Unis an Geld, einen eigenen Fachbereich aufzubauen. Doch Geld ist nicht alles. Oft sind es auch andere Widerstände. Sie ist das jüngste Fach, das sich zu den vier Etablierten hinzugesellt hat. Nicht alle Pharmazieprofessorinnen und -professoren waren und sind selbst heute noch von diesem Fach begeistert. Sie ordnen ihm nicht den Stellenwert eines eigenen Fachs zu und sind der Auffassung, dass die Klinische Pharmazie ein bisschen von allen anderen Fächern beinhaltet, auf anderen Fächern aufbaut und daher keines eigenen Fachs bedarf. Ganz zu schweigen, dass die Forschung in diesem Gebiet für einige nicht so klar erkennbar zu sein scheint. Und so unterscheiden sich Art und Umfang der Ausbildung von Uni zu Uni erheblich, wie eine Podiumsdiskussion mit Lehrenden und Lernenden auf dem Bayerischen Apothekertag gezeigt hat. Abhängig von der Bedeutung, die dem Fach an der jeweiligen Uni zugestanden wird, abhängig von den Personen, die sich um die Lehre kümmern wollen (oder müssen), ist die Klinische Pharmazie mehr oder weniger gut ausgebaut, bietet nicht nur Vorlesungen und Seminare, sondern auch Praktika und mehr.

Schade, dass ihr der bundesweite große Durchbruch noch nicht gelungen ist. Denn eine aktuelle Umfrage unter Pharmaziestudierenden hat ergeben, dass die Klinische Pharmazie als wichtiges Fach angesehen wird, dass sie gut angenommen wird (wenn die Lehre gut ist), dass sie als ein modernes Standbein für den Apothekerberuf gilt, dass sie das im Studium Gelernte zu einem Gesamtbild zusammenfügt, so einige Antworten.

Wer eine moderne Pharmazie will, wird nicht an der Klinischen Pharmazie vorbeikommen. Liest man den Themenkatalog, was im Rahmen der Klinischen Pharmazie gelehrt werden soll, so sind es die Gebiete, die den Apotheker näher an den Patienten, an den Arzt heranbringen, z. B. Therapieempfehlungen anhand konkreter Patientenfälle, Therapeutisches Drug Monitoring, Umgang mit Patientenakten, Compliance, Pharmazeutische Betreuung, onkologische Therapie, Bedeutung von Darreichungsformen für die Therapie, Nutzen-Risiko-Bewertung einer Therapie und vieles mehr. Um es in diesem Zusammenhang noch einmal zu betonen: Klinische Pharmazie bedeutet nicht, dass hier die Pharmazie in der Klinik gemeint ist und dass es sich um Tätigkeitsfelder des Krankenhausapothekers dreht. Klinische Pharmazie befasst sich intensiv mit der Arzneitherapie des Patienten, auch mit der Selbstmedikation.

Nach meiner Auffassung gehört die Klinische Pharmazie mit zu den wichtigsten Fächern des Pharmaziestudiums. Natürlich bedarf die Klinische Pharmazie der Kenntnisse in Chemie, Biologie, Technologie und Pharmakologie. Auf diesen Kenntnissen aufbauend ist sie das eigentliche patientenorientierte Fach. In der Klinischen Pharmazie werden die Kenntnisse gelehrt, die nach meiner Einschätzung das zukünftige Berufsbild des Apothekers ausmachen.

Vor diesem Hintergrund soll in Bayern die "Bayerische Akademie für Klinische Pharmazie" zum Laufen gebracht werden. Sie will ab Herbst dieses Jahres all denjenigen, die im Studium noch keine Klinische Pharmazie hatten, die Möglichkeit geben, sich das Wissen in Klinischer Pharmazie anzueignen, um fit für die Zukunft zu bleiben.

Hoffen wir, dass sich die Klinische Pharmazie durchsetzt und an allen pharmazeutischen Instituten noch besser etabliert. Um im Bild zu bleiben: Heute mag sie noch das fünfte Rad am Wagen sein, in Zukunft wird sie das Steuerrad der Pharmazie sein.


Peter Ditzel

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