Fortbildungskongress

Ziel: Erkrankung verlangsamen

Bei der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) werden zwei unterschiedliche Verlaufsformen unterschieden: die häufig auftretende und langsam verlaufende trockene Form und die rasch fortschreitende, dafür aber seltener vorkommende feuchte Form. Wie Prof. Dr. Karl Ulrich Bartz-Schmidt, Tübingen, erläuterte, konnten mithilfe von VEGF-Antagonisten erstmals erkennbare Fortschritte bei der Therapie der feuchten AMD erzielt werden.

Eine altersbedingte Makuladegeneration tritt vor allem bei älteren Menschen auf. Liegt die Inzidenzrate bei unter 60-Jährigen noch im einstelligen Bereich, beträgt sie bei über 75-Jährigen bereits 35%. Risikofaktoren wie Rauchen, arterielle Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie eine genetische Disposition können das Erkrankungsrisiko beeinflussen. Charakteristische Symptome einer AMD sind

  • Sehstörungen im zentralen Gesichtsfeld (das Zentrum erscheint leer oder als grauer Fleck)

  • Farben wirken blasser
  • gerade Linien erscheinen verbogen
  • Worte auf einer Schrifttafel sind verschwommen
  • die Lesefähigkeit ist erheblich eingeschränkt
  • die Orientierung im Raum bleibt erhalten

Bei der trockenen Form, die langsam verläuft und zu allmählichen Sehveränderungen führt, zeigen sich bei der Spiegelung des Augenhintergrunds kleine gelbliche Ablagerungen unter der Netzhaut (Drusen). Im Spätstadium sterben zentrale Netzhautzellen langsam ab und das zentrale Sehen verschlechtert sich. Für die trockene AMD gibt es keine wirksamen Behandlungsmethoden.

Bei der feuchten AMD kommt es als Reaktion auf die Drusenablagerung zur Bildung neuer Gefäße unter der Netzhaut. Diese sind undicht und das Austreten von Flüssigkeit führt zur Schädigung lichtempfindlicher Makulazellen. Diese Schädigungen, die auch von Blutungen begleitet sein können, führen zur Narbenbildung und dem Untergang der Sehzellen. Eine feuchte AMD, von der es wiederum verschiedene Unterformen gibt, kann rasch fortschreiten und zeigt einen variablen Verlauf. Sie kommt zum Stillstand, ohne die gesamte Netzhaut in Mitleidenschaft zu ziehen.

Zur Diagnose einer AMD werden folgende Verfahren eingesetzt:

  • Spiegelung des Augenhintergrundes und der Makula
  • Untersuchung mit Sehzeichen auf der Sehtafel und dem Amsler-Netz
  • Fluoreszenzangiographie (nach einer Farbstoffinjektion in eine Armvene werden abnormale Gefäße im Augenhintergrund fotografisch dargestellt)

  • Okuläre Kohärenz-Tomographie (Betrachtung der Netzhaut in einzelnen Schnitten)

Therapie der feuchten AMD

Eine AMD kann nicht geheilt, durch geeignete Interventionen wohl aber aufgehalten werden. Den Effekt hochdosierter Antioxidantien (Vitamin C, Vitamin E, Beta-Carotin sowie Zink und Kupfer), der in der ARED-Studie (= age-related eye disease study) untersucht wurde, stuft Bartz-Schmidt als marginal ein. Für Untergruppen konnte ein geringer Benefit gezeigt werden. Raucher sollten aufgrund des Beta-Carotin-Gehaltes auf die Einnahme verzichten.

Bei einer Lasertherapie werden die neu gebildeten Gefäße thermisch koaguliert. Es kommt zu einem rapiden Verlust der Sehschärfe, der Benefit einer Therapie zeigt sich erst langfristig.

Bei einer fotodynamischen Therapie mit Verteporfin (Visudyne®) erhält der Patient den Wirkstoff als Infusion verabreicht. Nachdem sich der Farbstoff in den neugebildeten Gefäßen der Netzhaut angereichert hat, wird an der betroffenen Stelle der Makula mittels eines Diodenlasers nicht-thermisches rotes Licht eingestrahlt, das den Farbstoff aktiviert. Bei diesem Vorgang werden biochemische Prozesse ausgelöst, die selektiv die pathologischen Blutgefäße verschließen. Diese Methode führt zu einer "Verlangsamung der Verschlechterung".

Chirurgische Verfahren wie etwa eine Netzhautdrehung mit Verlagerung der Makula oder die Transplantation von Aderhaut unter die Netzhautmitte sind besonderen Situationen vorbehalten und werden nur bei einem geringen Prozentsatz der Betroffenen angewandt.

Lichtblick: Hemmung der Gefäßbildung

Zur Gefäßneubildung werden bei der feuchten Makuladegeneration Wachstumsfaktoren (VEGF = vascular endothelial growth factor) benötigt. Daher erscheint es sinnvoll, die Wirkung der Wachstumsfaktoren zu unterbinden. Der erste Ansatz in diese Richtung war die Entwicklung von Pegaptanib (Macugen®), einem Anti-VEGF-Aptamer, das genau an VEGF passt und dadurch die Bindung von VEGF an seinen Rezeptor verhindert. Den Benefit dieser Substanz stuft Bartz-Schmidt als vergleichbar oder geringfügig höher als den einer fotodynamischen Therapie ein. Deutliche Fortschritte konnten erstmals durch den Einsatz der monoklonalen Antikörper Ranibizumab (Lucentis®) und Bevacizumab (Avastin®) erzielt werden. Beide Substanzen führen unabhängig vom Stadium der Erkrankung zu einer Austrocknung des Ödems und einer Abdichtung der Gefäße. Die Sehschärfe wird verbessert und das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt. Der wesentliche Unterschied zwischen den zwei monoklonalen Antikörpern ist ihre Molekülgröße. Ranibizumab ist ein Fragment des gleichen Antikörpers, aus dem Bevacizumab entwickelt wurde. Während Bevacizumab beide Fab-Arme eines natürlichen Antikörpers hat, besteht Ranibizumab nur aus einem Fab-Fragment. Beide Substanzen müssen mehrmals (alle vier bzw. alle sechs Wochen) intravitreal appliziert werden.


Avastin® oder Lucentis®?

Lucentis® (Novartis) wurde 2007 zur Therapie der feuchten AMD zugelassen; für Avastin® (Roche) wurde keine Zulassung für diese Indikation beantragt. Beide Substanzen stammen von der US-Biotechfirma Genentech. Der bisherigen Studienlage zufolge unterscheiden sich die beiden Substanzen nicht in ihrer Wirksamkeit, wohl aber in ihrem Preis. Eine Injektion mit Lucentis® beträgt ungefähr 1500 €, für eine Avastin®-Injektion fallen zwischen 50 und 70 € an. Beide Substanzen werden nun in einer Head-to-Head-Studie miteinander verglichen (VIBERA-Studie an der Augenklinik in Bremen). Wird die Gleichwertigkeit nachgewiesen, ist die Auswahl des Medikaments nur noch eine ökonomische Frage. Eine Aufnahme der AMD-Behandlung mit Avastin® in die Erstattungspflicht und somit eine de-facto-Zulassung (Zwangszulassungen sieht das Arzneimittelrecht nicht vor) ist dann wahrscheinlich. Zurzeit wird die Erstattung der Therapie sehr unterschiedlich gehandhabt.


pj

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