Ernährung aktuell

Rhabarber – saurer Muntermacher im Frühling

Eines gleich vorweg – botanisch gesehen ist der Rhabarber ein Gemüse. Doch weil die rot-grünen Stangen als erste die fruchtige Kuchensaison einläuten und ihr säuerlicher Geschmack für viele Desserts unverzichtbar ist, nehmen wir im fünften Teil der Lebensmittelkunde Obst die "Wurzel der Barbaren" genauer unter die Lupe. Der gesundheitliche Benefit des Rhabarbers ist dabei ebenso interessant wie seine Inhaltsstoffe.

Bekannt war die Rhabarberpflanze (Rheum rhabarbarum) bereits vor 3000 Jahren in Asien, wo in erster Linie Chinesen die Wurzeln der Staude als medizinisches Heilmittel verwendeten. Seinen Weg nach Europa fand der Rhabarber erst im Mittelalter. Als "Wurzel der Barbaren" übersetzt, gehört das Knöterichgewächs nach botanischer Gruppierung zum Gemüse. Das erklärt auch, weshalb nicht der Fruchtstand, sondern die Stängel verzehrt werden.

Kurzes Gastspiel

Von April bis Juni haben die roten und grünen Stangen Hauptsaison. Auch ohne große Pflege gedeihen sie problemlos in kalten und gemäßigten Klimazonen. Jung geerntet, schmeckt Rhabarber recht mild und wird erst mit zunehmendem Alter saurer und faseriger. In den großen Blättern ist besonders viel Oxalsäure enthalten, weshalb sich der Verzehr des Gemüses auf die Stängel beschränkt. Mit zunehmender Reifung steigt der Säuregehalt in der gesamten Pflanze auf gesundheitlich bedenkliche Konzentrationen an. Daher sollte ab Ende Juni kein Rhabarber mehr geerntet und gegessen werden. Der Erntestopp erlaubt zudem der Pflanze, sich in der restlichen Zeit zu regenerieren, um im nächsten Frühjahr wieder auszutreiben.

Rot-grüne Koalition

Etwa 40 verschiedene Arten Rhabarber lassen sich unterscheiden, wobei die Farben der äußeren Haut und des Fruchtfleisches Aufschluss über den Geschmack geben. Besonders sauer sind grüne Stangen mit grünem Fruchtfleisch; etwas weniger jene, die innen grün und außen mit einer rötlichen Schale umgeben sind. Sehr mild schmeckt der so genannte Himbeerrhabarber mit seinem zartrosa Fruchtfleisch und roten Stängeln. In erster Linie sind es Anthocyanine, die dem Gemüse die rötliche Färbung verleihen. Das Aroma von Rhabarber wird vorrangig durch die C6-Verbindungen Hexenal und Hexensäure hervorgerufen.

Frühjahrsputz für den Körper

Mit rund 93 Prozent Wasser und nur 13 kcal pro 100 g essbarem Anteil ist Rhabarber ein wahrer Schlankmacher. Fruchtsäuren wie Zitronen- und Äpfelsäure kurbeln zusammen mit dem Ballaststoff Pektin die Verdauung an. Die Mineralien Magnesium und Kalium regulieren den osmotischen Druck in den Zellen und sorgen auf diese Weise für einen ausbalancierten Wasserhaushalt. Die enthaltenen wasserlöslichen und fettlöslichen Vitamine (Vitamin A, Vitamin E, B-Vitamine) geben neuen Schwung und helfen, Frühjahrsmüdigkeit schneller zu überwinden.


Tab. 1: Energiegehalt und ausgesuchte Inhaltsstoffe des Rhabarbers (pro 100 g essbarem Anteil)
Inhaltsstoff
Anteil in 100 g
Energiegehalt
56 kJ/13 kcal
Wasser
92,7 g
Eiweiß
0,6 g
Fett
0,1 g
Kohlenhydrate
1,4 g
Kalium
285 mg
Magnesium
11 mg
Eisen
355 µg
Zink
185 µg
Vitamin A
10 µg
Vitamin E
250 µg
Vitamin B2
30 µg
Vitamin B6
35 µg
Vitamin C
10 mg
Apfelsäure
1250 mg
Zitronensäure
130 mg
Oxalsäure
460 mg
Essigsäure
60 mg
Quelle: Lebensmitteltabelle für die Praxis, Der kleine Souci, Fachmann, Kraut, 3. Auflage, WVG Stuttgart

Nicht für jedermann

Aufgrund seiner herben Säure ist der Genuss von Rhabarber nicht jedermanns Sache. Menschen, die unter Gicht, Rheuma, Arthrose oder Magen- und Nierenproblemen leiden, sollten das Gemüse meiden oder nur in geringen Mengen verzehren. Zudem gilt die enthaltene Oxalsäure als Calciumräuber. Rhabarber hinterlässt nach dem Genuss ein "pelziges Gefühl auf den Zähnen". Dies rührt daher, dass die Oxalsäure mit Calcium aus dem Speichel einen Komplex bildet, der sich auf den Zähnen ablagert. In üblichen Mengen genossen, sind durch Rhabarber jedoch keine Säure- oder Erosionsschäden an den Zähnen zu erwarten. Häufig wird der gleichzeitige Verzehr von Rhabarber mit Milchprodukten empfohlen, um die Oxalsäure abzufangen. Gegenteilige Meinungen geben jedoch zu bedenken, dass das entstehende schwer verdauliche Calciumoxalat seinerseits aggressive Reaktionen verursacht und die Bildung von Nieren- oder Blasensteinen begünstigt. Durch kurzes Blanchieren der Rhabarberstücke lässt sich ein Teil der Säure bereits vor dem Genuss entfernen.

Süßes trifft Saures

Rhabarber wird selten roh, sondern meist gekocht verzehrt. Unter Zugabe von Zucker lassen sich die knackigen Stangen backen und dünsten oder als spritzig-saure Komponente unter Erdbeer- und Himbeerkonfitüre mischen. Kaltschalen mit Rhabarber sind ebenso beliebt wie frischer Rhabarber-Kuchen. Das Gemüse harmoniert gut mit Zitrusfrüchten und süßen Gewürzen (Orange und Zimt). In Großbritannien gilt Rhabarber mit kandiertem Ingwer als besondere Köstlichkeit. Etwas ungewöhnlich ist Rhabarbersauce in Kombination mit Fisch oder wie im Mittleren Osten gedünstet mit Fleisch (khoresh). Beim Garen zerfallen die Stangen recht schnell und produzieren reichlich Saft, so dass Rhabarber nur kurz gekocht werden sollte.

Rhabarber in der Pharmazie

Bei Verstopfung oder Magen- und Darmkatarrhen wird Rhei radix – Rhabarberwurzel in getrockneter und geschälter Form gern als Heilmittel eingesetzt. Im Gegensatz zum Nahrungsmittel finden hier die unterirdischen Teile von Medizinalrhabarber (Rheum palmatum L. s. l.) und/oder Südchinesischem Rhabarber (Rheum officinale) ihre Anwendung. Entsprechend dem Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur., 5. Ausgabe, Grundwerk 2005) müssen mindestens 2,2% an Hydroanthracen-Derivaten, berechnet als Rhein, enthalten sein. Verantwortlich für die laxierenden Eigenschaften sind in erster Linie Anthrachinonglykoside und deren Aglyka wie Rhein, Rheum-Emodin, Chrysophanol, Aloe-Emodin und Physcion, Um als Abführmittel wirken zu können, ist eine Dosierung von 1,0 bis 2,0 g der Wurzel notwendig. Geringere Mengen (0,1 bis 0,2 g) haben eher einen adstringierenden Effekt, der sich auf Gerbstoffe mit den Bausteinen Catechin, Glucogallin und Epicatechingallat zurückführen lässt. Verwendet werden Extrakte und Tinkturen, z. B. Extractum Rhei, Extractum Rhei siccum normatum oder Tinctura Rhei aquosa. Wie bei allen Anthraglykosid-Drogen sollte auch Rhabarber nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, da dann Störungen des Wasser- und Salzhaushaltes eintreten.

Saison verlängern

Frischer Rhabarber ist daran erkennbar, dass am Ende seiner festen Stängel auf Druck Saft austritt. In ein feuchtes Tuch eingeschlagen und in Plastikbeuteln verpackt, kann man Rhabarberstücke bis zu fünf Tage im Kühlschrank aufbewahren. Roh, blanchiert oder als Püree zubereitet, lässt sich Rhabarber gut einfrieren und ist bis zu einem Jahr haltbar. Auch das Einlegen von Rhabarberstückchen in Honigsirup kann helfen, die recht kurze Saison zu verlängern.

 

Literatur

Ternes, Teufel, Tunger, Zobel, "Lexikon der Lebensmittel und der Lebensmittelchemie", WVG Stuttgart, 2007

Der kleine Souci, Fachmann, Kraut, "Lebensmitteltabelle für die Praxis", WVG Stuttgart, 3. Auflage, 2004

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage, Walter de Gruyter GmbH, 2004

Anne Willan, "Die große Schule des Kochens", Christian Verlag, München, 3. Auflage, 1994

www.swr.de

www.CMA.de

www.wdr.de

 


Apothekerin Franziska Wartenberg

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.