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Folge 2: Trügerischer Schein

Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) bestellte bei einigen dubiosen Online-Apotheken aus dem Ausland Propecia®, Viagra® und Valium®. Etwa die Hälfte der Präparate entsprach nicht dem gängigen pharmazeutischen Standard.

Ein Arzneimittel wirkt in einer bestimmten Dosierung optimal. Voraussetzung dafür sind entsprechende Mengen des Wirkstoffs, die nur innerhalb enger Grenzen schwanken dürfen. Auch die für das Freisetzungsverhalten wichtige Galenik muss stimmen. Ein Eckpfeiler des deutschen Arzneimittelmarktes ist die Qualität der Präparate hinsichtlich des Wirkstoffs und möglicher Verunreinigungen.

Äußerlichkeiten

Zahlreiche Präparate, die aus den Bestellungen beim ZL eingegangen sind, machten auf den ersten Blick bereits keinen guten Eindruck. Zwar entsprach das Erscheinungsbild der Tabletten in der Regel dem Original. Oft fehlten aber deutsche Beipackzettel oder waren mehr schlecht als recht gefälscht, Blister waren beschädigt oder fehlten, die Ware war umverpackt und ohne Chargennummer, oder das Verfallsdatum war abgelaufen.

Die "inneren Werte"

Bei Propecia® wurden Proben aus 14 Bestellungen untersucht. Sechs der Präparate waren Fälschungen, davon vier ohne Wirkstoff und zwei mit zu wenig Wirkstoff und einem schlechten Freisetzungsverhalten.

Vom Präparat Viagra® wurden zehn verschiedene Lieferungen geprüft. Vier davon waren echt; die sechs anderen enthielten zwar den Wirkstoff Sildenafil, aber lediglich 50 bis 60 Prozent der deklarierten Menge.

Die Untersuchungen zeigen, dass einige Präparate aufgrund ihres Erscheinungsbildes (einschließlich der Primär- und Sekundärverpackung) zunächst als "echt" eingestuft werden und erst durch die Analytik als Fälschung entlarvt werden können. Offensichtlich wenden viele Fälscher mittlerweile technologisch fortgeschrittene Methoden an.

Das Risiko in Deutschland

Angesichts der erschreckenden Untersuchungsergebnisse fragen besorgte Kunden, ob auch hierzulande über dunkle Kanäle gefälschte Präparate in Umlauf gelangen. Für den Kauf in Apotheken oder Versandapotheken mit legaler Präsenz in Deutschland kann Entwarnung gegeben werden: Das Arzneimittelgesetz (AMG) sieht seit 2005 eine lückenlose Überwachung der Vertriebswege für Arzneimittel vor, einschließlich Großhandel (§ 47 AMG). Daher machen Fälschungen weniger als ein Prozent aus.

Anbieter aus Afrika, Asien, Lateinamerika und aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind hingegen problematisch. Fälschungen wurden laut WHO bei 10 bis 30 Prozent der Arzneimittel nachgewiesen. Lieferungen aus diesen Ländern beschlagnahmt mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin der Zoll. Ein Restrisiko bleibt aber bestehen.

Verbesserte Sicherheitsstandards

Angesichts der Zunahme von Fälschungen im Ausland planen Pharmahersteller neue Sicherheitsstandards: Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) setzt sich für die europaweite Einführung eines Arzneimittelidentifikationssystems ein, mit dessen Hilfe die Angestellten der Apotheke unmittelbar vor der Abgabe eines Arzneimittels überprüfen können, ob das Präparat auch echt ist.

Die Idee: Jede Packung wird mit einem individuellen 2D-Barcode versehen, wie man ihn von Bahn- oder Flugtickets kennt. Vor der Auslieferung an den pharmazeutischen Großhandel werden die Packungen gescannt und der Code in einer zentralen Datenbank gespeichert. In der Apotheke schlägt das System dann Alarm, sobald eine Codenummer unbekannt ist oder mehrfach verwendet wird.

Michael van den Heuvel

 

 

Quellen: Infoveranstaltung der Apothekerkammer Hamburg am 9.4.2008; Presseinformation des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller.

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