Pharmazie in den USA

Die neue Richtung: patient-centered service

Wer schon jemals die USA besucht hat und mit "Apothekerblick" durch die Städte ging, dem fielen zwangsläufig die Drugstores auf, die typischen amerikanischen Kettenapotheken. Berühmte Namen solcher Ketten sind beispielsweise Rite Aid, Anchor Pharmacy, Publix oder Walgreens. Mit "Apotheke" im europäischen Sinn haben solche Kettenläden allerdings wenig gemeinsam.
Alles Freiwahl: In solchen Regalstraßen werden alle OTC-Arzneimittel zur Selbstbedienung angeboten.

Es sind durchwegs große Läden zwischen 1000 und 5000 Quadratmetern. Über 90 Prozent der Verkaufsfläche sind mit Selbstbedienungsregalen bestückt. Dort findet der Kunde unterschiedlichste Waren des täglichen Bedarfs, von der Cola bis hin zum PC-Zubehör, von Drogerieartikeln bis hin zum Kinderspielzeug. Läuft man durch die hohen Regalstraßen in Richtung hinterer Bereich, wird es "pharmazeutischer". In großen Lettern steht dort "PHARMACY" – wir würden dies als die eigentliche Apotheke dieses Ladens bezeichnen. Es ist die "prescription corner" des Drugstores, die Ecke des Ladenlokals, wo der Patient sein Rezept einlösen kann, pharmazeutischen Rat und Betreuung erhält. Vor der prescription corner, also im Bereich der Regalstraßen, findet er frei zugänglich alle OTC-Arzneimittel: von Schmerzmitteln über Erkältungspräparate bis hin zu Magenmitteln. Er kann sich dort ungehindert selbst bedienen, die gewünschten Präparate in seinen Einkaufswagen legen und zur Kasse gehen. Sollte er sich nicht auskennen, kann er sich gerne an den Beratungsschalter wenden, wo er pharmazeutischen Rat dazu erhält. Oder er drückt eine Klingel und ein Apotheker kommt zu ihm ans Regal, um seine Fragen zu beantworten und ein geeignetes Präparat aus dem Freiwahlregal für ihn auszuwählen.

Wenn man ein Rezept einlöst …

Autoschalter: Amerikaner lieben sie, die "drive-thru-pharmacy". Sie können im Auto sitzen bleiben und ihr Rezept einlösen.

Wir besuchten eine Walgreens Apotheke in der mittelgroßen Stadt Duluth, nördlich von Minneapolis. Es ist ein relativ neuer Store mit einer Drive-thru-Pharmacy, also einem Autoschalter. Aufgebaut ist das Laden-Konzept wie oben beschrieben. Alle Walgreens-Apotheken sind in dieser Art aufgebaut. Im hinteren Bereich finden wir die "Pharmacy", den Schalter zum Einlösen von Rezepten, davor einen kleinen Wartebereich mit mehreren Stühlen. In aller Regel werden nämlich nicht fertig abgepackte Präparate veschrieben, sondern eine genaue Stückzahl eines Fertigarzneimittels, das dann vom Apotheker oder seinen technischen Mitarbeitern dispensiert wird: die verordnete Stückzahl wird einem großen Gefäß entnommen, auf einem Dispensierbrett abgezählt, in ein Tütchen gepackt und mit einem über PC ausgedruckten Etikett versehen. Der Kunde muss daher in aller Regel ein wenig warten, wobei viele diese Zeit nutzen, um ihre sonstigen Einkäufe im Drugstore zu erledigen. Auf dem ausgedruckten Etikett findet der Kunde alle seine individuellen Angaben wieder, vom verschreibenden Arzt über die Inhaltsstoffe bis hin zur richtigen Dosierung. Ein kleiner Folder erklärt dem Kunden, wie er die Angaben auf dem Etikett zu lesen hat. Mit der Aushändigung der verschreibungspflichtigen Arzneimittel wird dem Patienten eine Beratung angeboten bzw. die Medikation erläutert. Der eilige Kunde hat auch die Möglichkeit, mit seinem Wagen an den Autoschalter (Drive-Thru-Pharmacy) vorzufahren, er kann im Wagen sitzen bleiben, während das Apothekenpersonal seine Arzneimittel zusammenstellt.

MTM bei Walgreens

Die von uns besuchte Walgreens-Pharmacy in Duluth wird von einer jungen Apothekerin geleitet. Sie ist verantwortlich für den gesamten pharmazeutischen Bereich dieser Filiale, während eine Kollegin (Nicht-Pharmazeutin) den Store-Bereich mit den anderen Waren sowie den Einkauf hierfür betreut.

Die von uns besuchte Apotheke gehört sichtlich zu den fortschrittlichen Filialen dieser Kette. Sie bietet dem Patienten bereits ein Medication Therapy Management (MTM)-Programm an. Bei schwierigen Medikationen oder bei Patienten, die eine Polypragmasie betreiben und mehrere Arzneimittel einnehmen müssen, sind diese Programme eine echte Hilfe, weiß die Apothekerin zu berichten. Die Patienten werden meist von ihren Versicherungsgesellschaften geschickt, um sich beraten und betreuen zu lassen. Die vom Arzt angeordnete Medikation des Patienten wird vom Apotheker überprüft, die klinischen Daten des Patienten werden gecheckt, Neben- und Wechselwirkungen besprochen und ein geeignetes Einnahmeschema entwickelt.

Junge Apothekerinnen und Apotheker, die während ihrer Ausbildung nicht oder nur in geringem Maß mit der Patienten-zentrierten Pharmazie in Kontakt kamen, werden dafür bei Walgreens in eigenen Trainingsprogrammen geschult und fit gemacht.


FACTS & FIGURES

WPCC - die intensive Betreuung


In ausgewählten Walgreens-Apotheken erhält der Kunde außerdem die Möglichkeit einer in-tensiven pharmazeutischen Betreuung: Wal-greens nennt es „Walgreens Patient Care Cen-ters“ (WPCCs), ein „personalisierter Service“. Der Patient kann sich als Mitglied für diesen Dienst eintragen lassen. Er bekommt dafür von eigens hierfür geschulten Pharmazeuten eine auf ihn zugeschnittene Betreuung in Sachen Arzneimittel. Es ist das in die Praxis umgesetz-te Medication Therapy Management (MTM). Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem patienten-fokussierten Betreuungsprogramm: telefo-nische und face-to-face-Beratung, Überwa-chung von Therapieplänen, Unterrichtung der Patienten, wie sie selbst wichtige Symptome ihres Gesundheitszustandes erkennen und dem Arzt mitteilen können, Unterstützung in Sachen gesunder Lebensstil. Die Apotheker haben dar-über hinaus weitere Programme eingerichtet, beispielsweise für das Management der Cho-lesterol-Werte, für Diabetiker, für Patienten mit Asthma oder COPD, Seminare für Gesundheits-erziehung, für Raucher, die sich das Rauchen abgewöhnen wollen und ein Programm fürs Ge-wichtmanagement. In manchen Bundesstaaten ist es den Apothekern beispielsweise auch erlaubt, Erwachsene gegen Grippe zu impfen, ein Projekt, das von der Bevölkerung sehr gut aufgenommen wird. Die Zahl der Grippe-impfungen steigt. In den Patient Care Centers werden dem Patienten Dienste angeboten wie Diabetes screening, Herzinfarkt-Risikoanalyse, Cholesterol Screening, Osteoporoseüberprüfung oder Asthmaberatung.

Walgreens wirbt um Pharmazeuten

Walgreens bietet bereits vor Aufnahme des Pharmaziestudiums Hilfsprogramme für die Ausbildung der jungen Pharmazeuten an. Bedingung ist, dass sie bereits mindestens 1040 Stunden bei Walgreens beschäftigt waren (Studentenjobs etc.), bereits bei einem Pharmazie-College angenommen wurden und von einem Walgreens-Manager für diese Förderung vorgeschlagen werden. Sie erhalten Zuschüsse für Studiengebühren, müssen sich allerdings verpflichten, nach Abschluss des Studiums weiterhin für mindestens zwei Jahre bei Walgreens beschäftigt zu bleiben. Ähnliche Hilfsprogramme hat Walgreens auch für Studenten aufgelegt, die sich bereits in der Ausbildung befinden.

Da derzeit ein Mangel an Apothekerinnen und Apotheker in den USA herrscht, bemühen sich die Kettenunternehmen, ihr Personal frühzeitig auszuwählen und an sich zu binden.

Von den Einstiegsgehältern, die ein Kettenunternehmen bezahlt, kann man in Deutschland als junger Pharmazeut nur träumen. Bezahlt werden etwa zwischen 90.000 und 120.000 Dollar Jahresgehalt.


FACTS & FIGURES

Apotheker-Gehälter

Hat man in den USA erfolgreich das Pharmaziestudium hinter sich gebracht, hat man einen gesuchten Beruf erlernt. Apotheker werden gesucht von Apothekenketten, von Klinikapotheken, von der Industrie.

Dementsprechend gut ist die Bezahlung. Unter den "best jobs in America" nimmt der Pharmazeut Platz 9 ein. Sein Anfangsgehalt liegt pro Jahr zwischen rund 92.000 und 120.000 Dollar.

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