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Wir werden älter – na und?

Peter Ditzel

Der demografische Wandel ist nicht mehr zu bremsen. Demografen und Statistiker blicken auf das Jahr 2050 und sagen ein neues Szenario für die Bundesrepublik voraus: Von den 75 Millionen Menschen, die dann nur noch in unserem Land leben werden (heute 82 Mio.) werden beispielsweise 28 Mio. (1960: 13,5 Mio.) älter als 60 Jahre, 8 Mio. (1960: 1,3 Mio.) älter als 80 Jahre, etwa 1,6 Mio. (1960: 50.000) älter als 90 Jahre und rund 160.000 (1960: 600) älter als 100 Jahre. Schon an diesen nackten Hochrechnungen lässt sich ablesen: Unser Land wird mehr und mehr von Älteren bevölkert. Und dieser Trend ist europaweit festzustellen. Demografen berechnen solche Trends aus den Variablen Geburten, Sterbefälle und Wanderungsbewegungen. Und daran lässt sich erkennen, dass die sich abzeichnenden Trends nicht aus der Luft gegriffen sind: der demografische Wandel ist eine Tatsache – es wird immer mehr Ältere und weniger Junge geben. Natürlich sind solche Berechnungen "Dann-wenn-Modelle", die zeigen, wie sich eine Bevölkerung unter bestimmten Voraussetzungen verändert. Unvorhergesehenes wie ein neuer Babyboom, Kriege, Epidemien und Katastrophen können solche Vorhersagen ein wenig durcheinander bringen. Aber den demografischen Wandel an sich könnten nur extreme Ereignisse, wie sie in Deutschland nicht zu erwarten sind, stören.

Also, stellen wir uns darauf ein: Die Generation "Silver Ager" oder "Best Ager", wie die rüstigen Älteren bei Marketingexperten gerne genannt werden, wird zunehmen. Da diese Generation oft auch mit guter Kaufkraft ausgestattet ist, nennt sie das Marketing ohne Umschweife auch "Generation Gold", oder "Master Consumer". Was bedeutet das für unseren Gesundheitsmarkt, in dem auch die Apotheke tätig ist?

Mehr Ältere kann auch mehr Kranke, mehr Pflegebedürftige bedeuten. Nicht jeder bleibt fit und rüstig; das Eintrittsalter in chronische Krankheitsgeschichten verschiebt sich lediglich nach hinten. Beginnen solche Erkrankungen bei vielen heute mit 50 oder 60, treten sie in einigen Jahren bei den meisten dann erst mit 60 oder 70 auf. Da es mehr Ältere gibt, werden die Gesundheits- und Pflegekosten steigen.

Wir sollten uns auch bewusst sein, dass es für den demografischen Wandel keinerlei historische oder internationale Erfahrungen gibt. Was derzeit passiert, ist eine Premiere, wie auch Professor Miegel in seinem Beitrag zur demografischen Entwicklung in unserem Schwerpunktheft (Seite 44) schreibt. Eine seiner Kernfragen: "Wie verhalten sich Gesellschaften, welche Interessen, Wünsche und Bedürfnisse haben sie, wenn 37 Prozent das 60. und 11 Prozent das 80. Lebensjahr überschritten haben …?"

Was wir aber wissen: Wer in Zukunft erfolgreich sein will, sollte sich auf diese Zielgruppe einstellen, deren Bedürfnisse kennen. Das beginnt in unserem Bereich bei der richtigen Arzneimittelauswahl und -therapie. Der Stoffwechsel eines Älteren reagiert anders als der eines jungen Menschen. Die Pharmakokinetik und -dynamik eines Arzneimittels kann im Alter anders sein. So gibt es bereits seit 1989 eine Zusammenstellung von problematischen Arzneimitteln ("Beers-Liste") bei älteren Menschen (siehe Bericht auf Seite 89). Unsere Beratung in der Arzneitherapie Älterer wird zunehmen. Möglicherweise wird dies auch der klinischen Pharmazie zum Durchbruch verhelfen.

Die Zukunftsforscherin Jeanette Huber spricht von einer "silbernen Revolution". Allerdings sieht sie keine Überalterungskatastrophe voraus, wie es manche Medien tun, sondern eher ein positives neues Lebensgefühl der "Best Ager" – wie bei einem Konzert der Rolling Stones: "Alle nicht mehr jung, alles etwas faltig, aber die meisten gut drauf." Für den Apotheker sieht Frau Huber in ihrem Beitrag (Seite 55) gute Chancen, wenn er sich vom "Gesundheitshandwerker" zum "Health Coach" weiterentwickelt: ein Coach, "der den Patienten auf dem Weg zu mehr Lebensqualität begleitet und berät".

Lassen Sie sich nicht provozieren, wenn es im Beitrag von Herzog heißt: "Gesunde sind teurer". Diese Behauptung will eine jüngere Untersuchung herausgefunden haben. Wie diese Untersuchung zu diesem Ergebnis kommt, lesen Sie auf Seite 64.

Unterdessen sollten sSe realistischerweise überlegen, ob Ihre Apotheke den Anforderungen an den demografischen Wandel gerecht wird. Ist Ihre Apotheke "seniorengerecht"? Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) hat Qualitätsmerkmale zusammengestellt, die eine seniorengerechte Apotheke ausmachen (Seite 60). Sie können Ihre Apotheke auch als "seniorengerechte Apotheke" qualifizieren lassen. Keine Frage, wer auf diese Klientel besser einzugehen weiß, hat in Zukunft die Nase vorn.

In diesem Sinne: Man ist nur so alt, wie man sich fühlt. Wenn Sie zur Generation 50, 60plus, Best Ager oder zur Generation Gold gehören, dann halten Sie sich fit, seien Sie aktiv, legen Sie wieder mal ‘ne Stones-Platte (-CD) auf und singen mit: "I can’t get no …"

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