Interpharm 2008

Sind Insulinanaloga (nur) Scheininnovationen?

Bei der Beurteilung neuer Arzneimittel – in diesem Fall kurzwirksamer Insulinanaloga sollte nicht nur die Signifikanz einzelner Studienparameter, sondern auch deren klinische Relevanz berücksichtigt werden. Legt man diese Maßstäbe an kurzwirksame Insulinanaloga an, so ist ihnen der Status einer Innovation und die Überlegenheit gegenüber Humaninsulinen abzusprechen. So das Fazit von Univ.-Doz. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch.

Seitdem das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) den kurzwirksamen Insulinanaloga Lispro, Aspart und Glulisin den Status einer Scheininnovation attestierte – was wiederum Auswirkungen auf ihre Erstattungsfähigkeit hat – wird die Diskussion um ihre möglichen Vorteile mehrheitlich emotional geführt. Zu welcher Beurteilung kommen weitere evidenzbasierte Auswertungen? Siebenhofer-Kroitzsch stellte die Ergebnisse eines neueren Cochrane-Review vor, dessen Ziel es war, anhand einer Metaanalyse den Nutzen kurzwirksamer Insulinanaloga einzuschätzen. Dabei sollten folgende Parameter bewertet werden:

  • HbA1c-Wert
  • Hypoglykämien
  • Lebensqualität
  • mikro- oder makrovaskuläre Folgekomplikationen
  • Gesamtmortalität, Morbidität
  • sonstige unerwünschte Arzneimittelwirkungen.

Aussagekräftige Ergebnisse konnten zu den ersten drei Parametern gewonnen werden, zur Beurteilung der weiteren Zielgrößen konnten die Studien aufgrund ihres Designs nicht herangezogen werden.

Abnahme des HbA1C -Wertes

Nach den Resultaten des Cochrane-Review führte die Verwendung kurzwirksamer Insulinanaloga bei Typ-1-Diabetikern zu einer statistisch signifikanten Abnahme des HbA1c -Wertes um 0,09%; bei Typ-2-Diabetikern zu einer nicht signifikanten Reduktion um 0,03%. Welche klinische Bedeutung hat nun diese Senkung des HbA1c -Wertes? Extrapoliert man dieses Ergebnis auf eine andere Studie, in der der Zusammenhang zwischen einer Reduktion von HbA1c und dem Verhindern einer Retinopathie ermittelt wurde, so führt die in der Meta-Analyse ermittelte Reduktion des glykosilierten Hb-Wertes zu einer NNT von 700. Das heißt, 700 Patienten müssen ein Jahr lang mit kurzwirksamen Insulinanaloga behandelt werden, um bei einem Diabetiker eine Retinopathie zu verhindern. Der klinische Wert einer solchen Intervention ist Siebenhofer-Kroitzsch zufolge allenfalls marginal.

Auch im Hinblick auf die Hypoglykämie konnte keine Überlegenheit der kurzwirksamen Insulinanaloga im Vergleich mit Humaninsulinen festgestellt werden. Weder bei Typ-1- noch bei Typ-2-Diabetikern konnte eine signifikante Reduktion der Hypoglykämien ermittelt werden. Führt man sich darüber hinaus vor Augen, dass schwere Hypoglykämien ein sehr seltenes Ereignis sind – im Median erleidet ein Typ-1-Diabetiker alle zehn Jahre eine schwere Hypoglykämie – so besitzt das Kriterium Hypoglykämie zur Beurteilung einer Therapieoption keine klinische Relevanz.

Bei der Einschätzung der Lebensqualität konnte bei der einzig doppelblinden Studie kein Unterschied zwischen kurzwirksamen Insulinanaloga und Humaninsulinen festgestellt werden, sodass Siebenhofer-Kroitzsch zufolge kurzwirksame Insulinanaloga im Vergleich mit Humaninsulinen keine klinisch relevanten Vorteile aufweisen.

Besser schulen

Auf welchem Weg kann nun eine bessere Blutzuckereinstellung erzielt werden? Hier ist in erster Linie eine gründliche Schulung der Diabetiker zu nennen. So konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass durch eine intensive Unterweisung der Patienten der HbA1c-Wert um 1% gesenkt werden kann.


pj

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