Interpharm 2008

Mit Tipps und Tricks zur effektiven Anwendung

Ältere Menschen sind aufgrund von sensorischen und motorischen Beeinträchtigungen oft nicht in der Lage, Arzneimittel effektiv anzuwenden. Helfen Sie diesen Patienten in der Apotheke mit konkreten Tipps zum Umgang mit dem Arzneimittel, denn Packungsbeilagen bieten hier oftmals keine Unterstützung. Dr. Wolfgang Kircher erläuterte sehr anschaulich, wie dies in der Praxis aussehen könnte.

Ob Pulverinhalator, Insulinpen oder Augentropfen – ältere Menschen sind oft nicht in der Lage, Arzneimittel so anzuwenden, dass es zur erwünschten Wirkung kommt. Deshalb muss bei dieser Personengruppe ganz individuell unter Berücksichtigung der patientenspezifischen Schwächen gegebenenfalls die Applikationstechnik variiert, zusätzliche mechanische Hilfsmittel eingesetzt oder sogar auf eine äquivalente, besser geeignete Arzneiform umgestellt werden. Wichtig ist, bereits im Vorfeld die individuelle Einschränkung des Patienten zu erkennen, da vor allem Senioren oft nicht über derartige Schwierigkeiten sprechen oder eine Falschbedienung erst gar nicht erkennen. Als Folge kommt es dann zu therapierelevanten Fehldosierungen, einer verminderten Verfügbarkeit des Wirkstoffes oder in letzter Konsequenz zum Nichtgebrauch des Arzneimittels.

Pulverinhalator: Die Anwendung will geübt sein

"Probieren Sie es selbst an Firmenmustern aus und lassen Sie auch Ihre Patienten daran üben", rät Dr. Kircher. Erst dann wird ersichtlich, wie viele Fähigkeiten zu einer korrekten Anwendung eines Hartkapsel-Inhalators erforderlich sind und wo Probleme bei der Anwendung auftreten können. Sowohl feinmotorische Fähigkeiten zum Herauslösen und zur Perforation der Kapsel, als auch visuelle Fähigkeiten, um die Kapsel überhaupt korrekt in den Inhalator einzulegen, und nicht zu vergessen die auditiven Fähigkeiten, um die Klick- und Einrastgeräusche zur Bestätigung der korrekten Handhabung wahrzunehmen, müssen vorhanden sein. Außerdem ist ein zum Teil hoher manueller Kraftaufwand erforderlich, um die Kapsel ausreichend zu perforieren, da es sonst zu einer therapierelevanten Verringerung der freigesetzten Wirkstoffmenge kommt.

Mit welchen Tipps können Sie Ihren Patienten helfen?

Empfehlen Sie zu einer besseren Kraftumsetzung den Schlüsselgriff statt des Spitzgriffs einzusetzen. Dabei wird der Inhalator zwischen dem Endglied des Daumens und dem Mittelglied des abgebogenen Zeigefingers gehalten. Entsprechend den weiteren auftretenden Problemen kann es auch nötig sein, die Anwendungstechnik individuell modifiziert oder geeignete Hilfsmittel einzusetzen. Führen alle getroffenen Maßnahmen nicht zur korrekten Anwendung, so sollte nach Absprache mit dem Arzt auf ein anderes Inhalatormodell gewechselt werden.

Was macht der Insulinpen im Plastikbecher?

Ein gutes Gehör, um das Klickgeräusch zur Einstellung der richtigen Insulinmenge zu hören, und feinmotorische Fähigkeiten sowie manuelle Kraft zur Freisetzung des Insulins, das sind die wichtigsten Fähigkeiten, die zum richtigen Gebrauch eines Insulinpens erforderlich sind. Wird vom Patienten nicht genügend Kraft auf den Dosier- bzw. Schiebeknopf des Pens ausgeübt, so wird mehr Zeit für die Freisetzung des Insulins benötigt. Der Pen sollte deshalb länger im Gewebe belassen und auf englumige Kanülen verzichtet werden. Auch ist auf ausreichende Sauberkeit und damit regelmäßigen Wechsel der Kanüle hinzuweisen. Die Kanüle sollte somit auch nicht über Nacht auf dem Pen belassen werden, da diese dadurch partiell verlegt sein kann. Des weiteren sollte der Patient große Luftblasen bei der Injektion vermeiden. Da der Kraftaufwand zwischen den verschiedenen Pens sehr unterschiedlich ist, profitiert der Patient auch hier vom Üben an Firmenmustern und einer entsprechenden Empfehlung an den Arzt. Ist es dem Patienten gar nicht möglich, den Pen zufriedenstellend zu bedienen, so könnte die Empfehlung auf Einmalspritzen lauten.

Und der Plastikbecher? Der fungiert als Resonanzkörper, wenn man den Pen durch ein kleines Loch im Boden steckt, und kann das Klickgeräusch zur Einstellung der Insulinmenge so verstärken, dass es auch von Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen deutlich wahrgenommen werden kann.

Raten Sie bei Augentropfen zur kanthalen Applikation

Wie gut oder schlecht sich ein Tropfen aus einem Augentropfenbehältnis freisetzen lässt, ist abhängig von Material, Form und Temperatur. Einzeldosisbehältnisse sind nicht per se einfacher zu bedienen und moderne Behältnisse wie z. B. die Comod-Systeme sind aufgrund des hohen erforderlichen Kraftaufwandes für ältere Patienten eher nachteilig. Menschen mit motorischen Einschränkungen profitieren bei der Anwendung von Augentropfen von der kanthalen Applikation. Der Patient tropft dabei in völlig flach liegender Position (also ohne Kopfkissen) bei zunächst geschlossenem Lid das Arzneimittel unter Verwendung beider Hände auf den inneren Lidwinkel. Danach öffnet er das Auge, wodurch das Arzneimittel spontan auf die Horn- und Bindehaut abfließt, schließt das Auge wieder und verbleibt noch einige Zeit ruhig liegen. Der Lidwinkel muss gegebenenfalls zuvor mit einem sauberen Tuch von Schmutz oder Sekretresten gesäubert werden. Bei der Abgabe von Augentropfen an visuell oder feinmotorisch behinderte Patienten sollten Sie die Garantiesicherung für den Originalverschluss bereits in der Apotheke entfernen, da diese optisch schwer zu erkennen (z. B. wegen gleicher Färbung von Folienmanschette und Verschlusskappe) und ergonomisch schwer zu entfernen (z. B. wegen kurzem Laschenende oder zu hoher Krafterfordernis) sind.

Ebenso erweisen Sie diesen Patienten einen großen Gefallen, wenn Sie ihm Fläschchen, die nach der Blow-Fill-Seal-Technik produziert wurden, bereits in der Apotheke öffnen. Diese Fläschchen enthalten keine Tropföffnung, sondern sind hermetisch verschlossen. Vor der erstmaligen Anwendung muss durch kräftiges Rechtsdrehen der locker aufgesetzten Verschlusskappe mit Einstichdorn eine definierte Tropföffnung erzeugt werden.


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