Interpharm 2008

Differenziert diagnostizieren – Mechanismen-basiert behandeln

Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Vor jeder Schmerztherapie muss genau diagnostiziert und die Schmerzursache erfasst werden. Nur dann lässt sich gezielt behandeln. Wie eine optimierte Schmerztherapie dann aussieht, erläuterte Dr. Kuno Güttler, Köln.

Eine differenzierte Diagnose gefolgt von einer Mechanismen-basierten Therapie ist eine "conditio sine qua non" für eine erfolgreiche Schmerztherapie. Neben der Erfassung der Schmerzintensität, meist mithilfe der visuellen Analogskala, muss zunächst zwischen akutem, Minuten bis Tage dauernden, und chronischem, über Monate und Jahre dauernden Schmerz unterschieden werden. Denn das Therapieregime ist grundsätzlich verschieden. Während man bei chronischem Schmerz nach dem "Crescendo-Prinzip" behandelt, beginnend mit einer niedrigen Dosis, die allmählich ansteigt, wird bei akutem Schmerz auf das "Crescendo-Prinzip" gesetzt mit einer hohen Schmerzmitteldosis zu Beginn, die allmählich wieder reduziert wird. Wichtig ist es, so effektiv wie möglich zu therapieren, um eine Chronifizierung zu verhindern. Auch die Applikationsform orientiert sich an der Schmerzdauer. Bei akutem Schmerz sind schnell wirksame Darreichungsformen indiziert wie Tropfen, Sublingualtabletten oder auch die i.v.-Injektion. Chronische Schmerzen sind dagegen die "Domäne peroraler Retardformen", so Güttler. Kritisch steht er der häufigen Verordnung von "Schmerzpflastern" gegenüber, die mit etwa 60% "einfach zu hoch ist".

Koanalgetika nicht vergessen

Die Wirkstoffauswahl orientiert sich dann am Schmerztyp. Bei entzündlichen Prozessen und Kopfschmerzen sind NSAR erste Wahl, bei Koliken Metamizol, und Viszeralschmerz ist eine Domäne für Metamizol oder Opioide. Auch akuter Schmerz und Tumorschmerz sind typische Indikationen für eine Opiattherapie, während bei neuropathischem Schmerz gezielt mit nicht-selektiven Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI) wie Pregabalin behandelt wird. Koanalgetika bzw. Antinozizeptiva wie NMDA-Antagonisten, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Steroide, Bisphosphonate oder Muskelrelaxanzien, sollten rechtzeitig eingesetzt werden um das Therapieregime zu optimieren.


Wirkstoffwahl
Schmerztyp
analgetische Wirkung
NSAR
Metamizol
Opioide
NSMRI
Pregabalin
Kopfschmerzen
++++
(++)
Entzündungen
+++++
++
+
Koliken
++
+++++
(+)
Viszeralschmerz
++
+++++
+++++
akute Schmerzen
(perioperativ, ischämisch, traumatisch)
++
+++
+++++
Tumorschmerz
++
+++
+++++
++
neuropathischer Schmerz
+
+
+++
+++++

Opiate: Umstellung wegen nachlassender Analgesie

Eine Opiattherapie kann durch Nebenwirkungen erschwert sein. Zwar sind moderne Opiate dem Klassiker Morphin insbesondere in Sachen Obstipation meist überlegen. Dennoch leiden viele Patienten unter Verstopfung, aber auch Harnverhalt, Juckreiz oder Übelkeit. Dann sollten, so Güttler, gezielt Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Als Bespiele nannte er Metoclopramid oder Domperidon bei Übelkeit und Erbrechen, Clemastin oder Levopromazin bei Juckreiz und Polyethylenglykolpräparate bei Obstipation. Lactulose sei hier wegen der häufig auftretenden Blähungen nicht mehr Mittel der ersten Wahl, betonte er. Grund für einen Opioidwechsel sind allerdings nicht vorrangig Nebenwirkungen, sondern in erster Linie eine unzureichende Analgesie. Bei der Dosisermittlung für das neue Opiat im Zuge einer Umstellung wird immer über die Referenzsubstanz Morphin gerechnet. Dann gilt die "50-Prozent-Regel", sprich die Therapie wird mit der Hälfte der errechneten Dosis begonnen und dann hochtitriert. Nicht vergessen werden sollte die Einbindung der Medikation in ein biopsychosoziales Therapiekonzept. Damit lässt sich eine zusätzliche deutliche Verbesserung für den Schmerzpatienten erreichen.


bf

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