Interpharm 2008

"Die alternde Gesellschaft braucht die Apotheke vor Ort"

Dass die Menschen in Deutschland immer weniger und älter werden, stellt uns vor große Herausforderungen. Wir müssen uns bewusst sein, dass der demographische Wandel keine vage Vision einer fernen Zukunft ist, sondern eine wesentliche Bestimmungsgröße für alle absehbaren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Für Apotheken bietet dieser Wandel neue Chancen. Thomas Müller-Bohn von der DAZ-Redaktion und Thomas Preis, Vorsitzender des LAV Nordrhein, zeigten, was uns erwartet.

Müller-Bohn erläuterte die allgemeinen wirtschaftlichen Folgen des demographischen Wandels für die Gesellschaft. Dazu gehört auch, dass die Bedeutung alter Menschen als Konsumenten wachsen und die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen steigen wird. Umstritten sind aber die Folgen für die Gesundheitskosten. Nach der Expansionstheorie werden mehr Alte auch zu mehr Ausgaben führen. Ausgangspunkt der Kompressionsthese ist dagegen, dass die höchsten Gesundheitsausgaben stets in den letzten beiden Lebensjahren anfallen – daher würden sie sich bei steigender Lebenserwartung nicht erhöhen, sondern nur verschieben. Wie viel Geld die künftigen Rentner letztlich für die Gesundheit zur Verfügung haben werden, hängt Müller-Bohn zufolge auch davon ab, was ihnen bleibt, wenn ihre Altersvorsorge finanziert ist. Für ihn ist die Rentenversicherung damit der Schlüssel für den Wohlstand der Alten und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens in der Zukunft. Und dies birgt Probleme; denn die umlagefinanzierte Rente hat für Müller-Bohn ausgedient. Grund dafür sei nicht die zunehmende Kinderlosigkeit, sondern die Entscheidung für ein System, das für die tatsächlichen Verhältnisse nicht geeignet ist: Die Umlagefinanzierung beruht auf dem in den 50er-Jahren entwickelten Mackenroth-Theorem, wonach der Sozialaufwand immer aus dem Volksaufwand der jeweiligen Periode zu decken ist. An ein inflationsanfälliges kapitalgedecktes System dachte man kurz nach zwei Währungskrisen in Deutschland nicht. Doch dieser Ansatz kann nur in einer geschlossenen Gesellschaft, nicht aber in einer globalisierten Welt gelten, so Müller-Bohn. Es sollte daher angestrebt werden, in konjunkturell günstigen Phasen eine teilweise kapitalgedeckte Altersvorsorge aufzubauen. Zudem sei eine individuelle private Vorsorge zu empfehlen. Im Vorteil ist auch, wer durch ein Versorgungswerk abgesichert ist.

Der Apotheker als Medikationsmanager

Thomas Preis erläuterte anschließend, welche Möglichkeiten der demographische Wandel den Apotheken bietet. Er ist überzeugt: "Die alternde Gesellschaft braucht die öffentliche Apotheke vor Ort". Denn mehr ältere Menschen bedeuten auch eine Zunahme von chronischen Erkrankungen und Morbidität – und damit geht ein erhöhter Bedarf an Gesundheitsfürsorge und Medikamenten einher. Die Antwort der Apotheke auf diese Entwicklung "muss pharmazeutisch sein", betonte Preis. Sie sollte ihre Vertrauensstellung nutzen und sich als pharmazeutischer Dienstleister mit einer unverzichtbaren Prüfungs-, Beratungs- und Betreuungsfunktion profilieren. Neben der Bereitstellung einer sachgerechten Logistik (Homeservice) müsse der Apotheker zunehmend zum Medikationsmanager werden. In dieser Funktion könne er auch Ärzte, Pflegedienste und pflegende Angehörige entlasten und insgesamt die Qualität steigern. Daher werde man mit den Kostenträgern auch über eine Vergütung der Übernahme zusätzlicher Funktionen verhandeln müssen.


ks

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