Interpharm 2008

Brauchen wir Fixkombinationen?

Multimorbidität im höheren Lebensalter, chronische Erkrankungen, die mit mehreren Wirkstoffen behandelt werden – in diesen und weiteren Fällen erscheint der Einsatz von Fixkombinationen sinnvoll. Doch ist er tatsächlich immer der Einzelgabe überlegen? Mit dieser Frage beschäftigte sich Prof. Dr. Ingo Rustenbeck, Braunschweig, in seinem Vortrag.

Fixkombinationen haben einen festen Platz in der Arzneimitteltherapie, denkt man beispielsweise an orale Kontrazeptiva, Levodopa plus Carbidopa als Decarboxylase-Hemmstoff in der Parkinson-Therapie oder an Co-trimoxazol, der Fixkombination der beiden synergistisch wirkenden Sulfonamide Sulfamethoxazol und Trimethoprim.

Als eine wichtige Anforderung, die an eine Fixkombination zu stellen ist, nannte Rustenbeck eine möglichst gleichartige Pharmakokinetik beider Partner, damit das Verhältnis der Wirkungen auch bei langfristiger Gabe konstant bleibt.

Vorteile von Fixkombinationen

Fixkombinationen sind dann zweifellos sinnvoll, wenn die Einzelsubstanzen synergistisch wirken und damit unter Umständen eine niedrigere und dadurch nebenwirkungsärmere Dosierung beider Partner möglich wird. Weiterhin sind Fixkombinationen von Vorteil, wenn ein Wirkstoff die unerwünschten Wirkungen seines Kombinationspartners konterkarieren kann, wie dies beispielsweise bei der Kombination des Thiazid-Diuretikums Hydrochlorothiazid mit dem kaliumsparenden Diuretikum Triamteren der Fall ist.

"Harte" Studiendaten zur Förderung der Compliance?

Ein sehr wichtiges Argument, das für Fixkombinationen spricht, ist die Möglichkeit der Erhöhung der Compliance, besonders bei älteren Patienten, die oft mehrere Arzneimittel einnehmen müssen. Denn im höheren Lebensalter nimmt die Fähigkeit der Patienten ab, komplizierte Therapieschemata korrekt zu befolgen.

Doch wie sicher ist es wirklich, dass Fixkombinationen zur Steigerung der Compliance beitragen? Obwohl dieses Thema bereits seit Längerem diskutiert wird, gibt es nur sehr wenige "harte Zahlen" dazu, konstatierte Rustenbeck. Bemerkenswert ist, dass die erste Metaanalyse auf diesem Gebiet erst im Jahre 2007 erschienen ist [Bangalore S., et al.: Fixed-dose combinations improve medication compliance: a meta-analysis. Am J Med 120: 713-719 (2007)]. Von den 69 ursprünglich dafür ausgewählten Einzelstudien mit Fixkombinationen erfüllten jedoch nur neun die Einschlusskriterien. Der Grund dafür ist, dass nur diejenigen Studie einbezogen werden konnten, in denen eine Fixkombination mit einer wirklich identischen freien Kombination der beiden Partner verglichen worden war, bei identischer Applikationsart.

Die Indikationen in den Studien waren Hypertonie, Diabetes, Tuberkulose und Aids – also Therapien, bei denen eine Non-Compliance den Behandlungserfolg in hohem Maße gefährden würde. Insgesamt konnten in der Metaanalyse immerhin fast 12.000 mit einer Fixkombination behandelte Patienten und etwa 8300, die die Einzelwirkstoffe erhielten, miteinander verglichen werden. Dabei wurde das Risiko der Non-Compliance bei der freien Kombination gleich eins gesetzt, das Risiko der Fixkombination sank im Vergleich dazu auf 0,7 (p = 0,001), was ein hochsignifikantes Ergebnis darstellt. Die Frage, ob sich diese verbesserte Compliance unter einer Fixkombination auch in besseren klinischen Endpunkten zeigt, konnte die Studie allerdings nicht beantworten.

Kein Vorteil für Fixkombination bei Asthma

Ganz aktuell ist das Thema Fixkombinationen im vergangenen Jahr in Deutschland in den Fokus des Interesses gerückt, nachdem das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) am 5. Juni 2007 einen Abschlussbericht zur Bewertung bestimmter Fixkombinationen in der Therapie des Asthma bronchiale veröffentlicht hatte. Nach der Bewertung des Instituts sind auf Basis der derzeit verfügbaren Studien bei diesen Patienten Fixkombinationen aus Corticosteroiden und lang wirksamen Beta-2-Rezeptor-Agonisten der Einmalgabe dieser Wirkstoffe nicht überlegen.

Die polypill

Als "Krönung der Fixkombination" bezeichnete Rustenbeck die 2005 von englischen Präventivmedizinern in einer Studie vorgestellte "polypill", die sechs Komponenten (Statin, Betablocker, Thiazid-Diuretikum, ACE-Hemmer, Acetylsalicylsäure und Folsäure) in einer Zubereitung enthält, jedoch noch nicht zugelassen ist. Mithilfe dieser einmal täglich eingenommenen Kombination soll es gelingen, bei Patienten über 55 Jahren das kardiovaskuläre Risiko um 80% zu senken.

Datenlage noch zu gering

Auf Basis der bisher verfügbaren, geringen Daten zog Rustenbeck für drei chronische Erkrankungen folgendes Resümee zum Einsatz vom Fixkombinationen:

Bei Hypertonie ist die Kombinationstherapie unverzichtbar, Fixkombinationen sind zur Sicherung der Compliance sinnvoll.

Beim Typ-2-Diabetes ist die Kombinationstherapie prinzipiell sinnvoll, der Stellenwert von Fixkombinationen ist aber gegenwärtig noch nicht gesichert.

Bei Asthma bronchiale ist die Kombinationstherapie unumstrittenes Prinzip, Fixkombinationen sind jedoch aus ökonomischen Gründen umstritten.


cb

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