DAZ aktuell

BKA: Lage nicht dramatisieren

ERLIN (ks). Deutschland hat das weltweit verbreitete Problem von Arzneimittelfälschungen vergleichsweise gut im Griff – davon sind sowohl das Bundeskriminalamt (BKA) als auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und die forschenden Arzneimittelhersteller überzeugt. Die Gefahr, hierzulande über den legalen Vertriebsweg ein gefälschtes Präparat in die Hände zu bekommen wird auf weniger als ein Prozent geschätzt – dagegen liegt die Fälschungsquote in Entwicklungsländern laut WHO bei zehn bis 30 Prozent. Trotz tendenziell zunehmender Arzneimittelkriminalität sei die Lage daher nicht zu dramatisieren, meint Dr. Frank Lippert vom BKA. Gleichwohl müssten die kriminellen Machenschaften "in angemessener Intensität verfolgt werden".

Die legale Verteilerkette für Arzneimittel ist in Deutschland "relativ sicher", betonte Lippert, beim BKA zuständiger Leiter für die Auswertung Wirtschaftskriminalität, Korruption, Umwelt- und Verbraucherschutzdelikte, anlässlich eines Presse-Workshops des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) am 28. April in Berlin. Seit 1996 habe das BKA 49 Fälle von Arzneimittelfälschungen im legalen Vertriebsweg registriert – darunter elf Totalfälschungen. 38 der Fälle hatten einen Bezug nach Deutschland. Bislang sei es hierdurch allerdings weder zu nachhaltigen Schädigungen oder gar dem Tod von Patienten gekommen, so Lippert. Neben den Fälschungen befasst sich das BKA auch mit dem illegalen Handel mit Anabolika und anderen Doping-Substanzen. Hier ziehen vor allem die Gewinnspannen, die zum Teil höher sind als im Rauschgifthandel, bestimmte Täterstrukturen an, erklärte Lippert. So ließen sich bereits mit einem Materialeinsatz von rund 100 Euro Anabolika mit einem Verkaufswert von 10.000 Euro anfertigen. Dass es in den letzten Monaten häufiger Meldungen über aufgedeckte Arzneimittelkriminalität gab, ist dem BKA-Experten zufolge nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die Ermittlungstätigkeit stark ausgeweitet hat: je mehr man sucht, desto mehr findet man auch. Das BKA, so Lippert, werde die Arzneimittelkriminalität auch künftig intensiv bekämpfen – die gesetzlichen Grundlagen hierfür sind bereits geschaffen: Seit November 2007 obliegt dem BKA die originäre Zuständigkeit für die Strafverfolgung des international organisierten illegalen Handels mit Arzneimitteln.

Vorbildliche Gesetzeslage

Dass Deutschland vergleichsweise so gut dasteht, liege insbesondere an den bereits frühzeitig getroffenen gesetzlichen Schutzvorkehrungen, erläuterte Arnold Schreiber, Leiter der Gruppe internationale Arzneimittelfragen im BMG. "Verniedlichen" will er die hiesige Situation dennoch nicht. Denn bei illegalen Internet-Quellen seien Fälschungen schon "eher die Regel als die Ausnahme". Dabei sieht Schreiber weniger die Gefahr, dass die Menschen, die über solche Websites Arzneimittel beziehen – vornehmlich Potenz- oder Schlankheitsmittel – nicht zwischen seriösen und unseriösen Anbietern unterscheiden könnten. Denn viele von ihnen gingen das Risiko bewusst ein: Trotz Kenntnis über die möglichen Gesundheitsgefahren finde im Internet ein reger Austausch über die sich ändernden Bezugsquellen dieser Präparate statt. "Da kann man nur mit dem Kopf schütteln", so Schreiber. Dieser Tage wollen die Länder – denen die Arzneimittelaufsicht obliegt – eine systematische Internetbeobachtung starten, um den Problemen des illegalen Versandes besser beizukommen. Bei der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsdienste in Bonn werde derzeit eine entsprechende Stelle eingerichtet, berichtete Schreiber. Er sieht dies mit Wohlwollen, denn die institutionelle Kommunikation und Zusammenarbeit der Landesbehörden, die die bestehenden Gesetze ausführen müssen, ist aus seiner Sicht noch verbesserungswürdig. Und Gesetze, die den Arzneimittelfälschern das Leben schwer machen sollen, gibt es bereits reichlich. So wurden mit der 12. und 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) eine Reihe von Strafbarkeitslücken geschlossen und 2007 das Doping-Strafrecht verschärft. Doch laut Schreiber wird weiter diskutiert, ob die Maßnahmen zur Kontrolle der Vertriebswege noch ergänzt werden müssen. Im Rahmen der anstehenden 15. AMG-Novelle habe das BMG bereits vorgeschlagen, den Handel mit Arzneimittelfälschungen auf deutschem Hoheitsgebiet auch dann zu bestrafen, wenn die Produkte nicht importiert werden sollen, sondern Deutschland nur Durchgangsland ist. Vorgesehen ist laut Schreiber zudem, auch Wirkstoff-Fälschungen unter Strafe zu stellen – damit soll Machenschaften, wie sie sich im aktuellen Heparin-Fall auftun, begegnet werden. Die laufenden Aktivitäten der EU-Kommission zur Bekämpfung von Arzneimittel-Fälschungen begrüßte Schreiber – wenngleich sie aus BMG-Sicht früher hätten starten sollen. Viele der von der Kommission geforderten Maßnahmen seien in Deutschland bereits verankert.

VFA für Pilotprojekt zur Echtheitsprüfung

Beim VFA sieht man es gern, dass die Bundesregierung und die Strafverfolgungsbehörden das Thema Arzneimittelfälschungen ernst nehmen. Schließlich kann schon eine einzelne gefälschte Packung zum Rückruf ganzer Chargen und somit zu großen finanziellen Schäden für die Hersteller führen. Auch die europäische Gesetzesinitiative erachtet der Verband als sinnvoll. Viele der geplanten Maßnahmen entsprächen Forderungen des europäischen Pharmaverbandes EFPIA, betonte Dr. Siegfried Throm, VFA-Geschäftsführer Forschung, Entwicklung und Innovation. Beim Internethandel sieht der Verband noch Handlungsbedarf auf europäischer und internationaler Ebene. Unter anderem müsse eine Zertifizierung der Anbieter erfolgen, um für mehr Transparenz für die Verbraucher zu sorgen. Der VFA macht sich zudem für die Einführung von Arzneimittel-Identifikationssystemen zur Echtheitsprüfung einzelner Packungen stark. Diese müssten europaweit abgestimmt und implementiert werden, erklärte VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Favorit ist derzeit das EFPIA-Modell eines 2D-Barcodes, wie er etwa auch auf elektronischen Flugtickets oder Online-Bahnfahrkarten zu finden ist. Derzeit bemüht sich der VFA um ein entsprechendes Pilotprojekt in Deutschland. Dafür muss er mindestens einen Großhändler und rund 200 Apotheken für die Teilnahme gewinnen. In dem Projekt sollen beim Hersteller ausgewählte Präparate gescannt und in eine zentrale Datenbank eingespeist werden, ehe sie an den pharmazeutischen Großhandel ausgeliefert werden. Die Apotheken würden ebenfalls einen Scanner erhalten, mit dem sie bei Erhalt und Abgabe der Präparate die 2D-Barcodes auslesen können. Ist die Codenummer unbekannt oder bereits auf einer anderen Packung gefunden worden, schlägt das System Alarm. Der VFA ist wegen dieses Projektes bereits mit der ABDA und Großhändlern im Gespräch. Offenbar ist die ABDA noch nicht gänzlich überzeugt von dem Konzept – Yzer hofft dennoch, dass man sich bald einig wird und das Pilotprojekt möglichst noch dieses, spätestens jedoch Anfang nächsten Jahres starten kann.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.