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Apotheken sind hochkomplexe Systeme

BERLIN (ks). Das deutsche Fremdbesitzverbot für Apotheken ist in Europa keinesfalls ein Unikum. Voll oder eingeschränkt gilt es in rund der Hälfte der 27 EU-Mitgliedstaaten. In den übrigen Ländern geht der Fremdbesitz zumeist mit Niederlassungseinschränkungen einher. Dass auch in diesen Staaten die Arzneimittelversorgung funktioniert, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass allein mit der Erlaubnis des Fremdbesitzes etwas gewonnen wäre.

Von "interessierten Kreisen" und in der Publikumspresse wird nicht selten der Eindruck erweckt, Deutschland sei mit seinem Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken ein Außenseiter in Europa. Dass dies keineswegs der Fall ist, erläuterte der ABDA-Referent für Märkte, Mark Metze, beim Wirtschaftspresseseminar der ABDA am 15. April in Berlin: Von den knapp 150.000 Apotheken in den 27 EU-Staaten unterliegen rund ein zwei Drittel dem Fremdbesitzverbot und nur etwa zehn Prozent sind tatsächlich im Fremdbesitz. Niederlassungsbeschränkungen existieren dagegen in 63 Prozent der EU-Länder – in diesem Punkt zählt Deutschland also zu einer Minderheit. Gänzlich liberale Regelungen bestehen lediglich in Irland, Holland, Tschechien, Ungarn und Rumänien. Metze zeigte im internationalen Vergleich auf, dass allein das Verbot oder die Zulassung des Fremdbesitzes keinen Zusammenhang mit relevanten Eckdaten hat – etwa der Apothekendichte oder den Arzneimittel- bzw. Gesundheitsausgaben eines Landes. So liegt Deutschland bei der Apothekendichte mit 3825 Einwohnern je Apotheke im Mittelfeld der EU. Mitgliedstaaten mit Fremdbesitzverbot haben teilweise eine höhere, teilweise eine geringere Apothekendichte, so kommen in Irland etwa nur 3000 Einwohner auf eine Apotheke. Auch bei den Arzneimittelausgaben rangiert Deutschland im Mittelfeld – diesmal im Vergleich mit OECD-Staaten. Bei der durchschnittlichen jährlichen Entwicklung der Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben ist Deutschland unter den OECD-Ländern sogar das Schlusslicht.

Aufeinander abgestimmte Tools

Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Apotheken, Arzneimittel- und Berufsrecht, machte deutlich, dass jedes nationale Apothekenwesen ein historisch gewachsenes und hochkomplexes System ist. Jedes bestehe aus einer Reihe aufeinander abgestimmter Tools. Auch wenn sie letztlich alle zu einer verlässlichen Distribution führten, könnte man nicht ein isoliertes Element aus einem System "herauspicken" und in einem anderen einsetzen. So lasse sich Deutschland etwa nicht mit Großbritannien vergleichen. Denn dort ist zwar der Fremdbesitz möglich und die Hälfte der Apotheken weiterhin unabhängig, doch zugleich besteht eine Niederlassungsbeschränkung für Apotheken, die vom Nationalen Gesundheitssystem NHS zugelassen sind. Tisch zufolge wäre das deutsche Apothekensystem existenziell in seiner Struktur bedroht, wenn neben der bestehenden Niederlassungsfreiheit und dem Versandhandel als Regelversorgungsform noch der Fremd- und Mehrbesitz möglich würde. Der Versandhandel mit Arzneimitteln müsste nach dem Willen der ABDA bekanntlich ohnehin auf OTC beschränkt werden. Auf jeden Fall müsse der Beliebigkeit von Arzneimittelabgabestellen entgegengewirkt werden, wie sie nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im dm-Fall eingetreten ist – denn diese "pervertiere" die Apothekenpflicht, so Tisch.

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