Arzneimittel und Therapie

Zulassungsantrag für ersten Histon-Deacetylase-Inhibitor

Bereits im Oktober 2006 wurde Vorinostat in den USA zur Behandlung fortgeschrittener refraktärer kutaner T-Zell-Lymphome (CTCL) zugelassen. Auch in der Europäischen Union wurde ein Antrag auf Zulassung gestellt (vorgesehener Handelsname Zolinza®). Damit könnte der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse zur Verfügung stehen, der an den Histonen angreift, Proteine, die eine wichtige Rolle bei der Ausbildung der Chromatinstrukturen sowie bei der Regulation der Transkription spielen.

Vorinostat

In den USA wurde Vorinostat von der Food and Drug Administration zur Behandlung des progressiven, persistierenden oder rezidivierenden kutanen T-Zell-Lymphoms (CTCL) der Orphan-drug-Status gewährt, gleiches gilt nun auch beim Zulassungsverfahren für den Arzneimittelmarkt der Europäischen Union durch die Europäische Arzneimittelagentur. Damit werden ein beschleunigter Zulassungsprozess und ein erhöhter Patentschutz gewährleistet. Ob weitere Zulassungen in anderen Ländern eingereicht werden, wird derzeit geprüft.

Die kutanen T-Zell-Lymphome werden als Tumore des lymphatischen Systems zu den Non-Hodgkin-Lymphomen gezählt. CTCL zeichnen sich durch unkontrolliertes Wachstum maligner Lymphozyten aus. Die Entwicklung dauert meist mehrere Jahre. Das Frühstadium ist durch Symptome wie Trockenheit und Juckreiz der Haut gekennzeichnet; außerdem können sich dunklere Flecken entwickeln. Später kann es zu einer Tumorbildung auf der Haut kommen, was auch als Mycosis Fungoides bezeichnet wird. Über das Lymphsystem kann sich die Krankheit auf andere Organe ausbreiten. Findet sich auch im Blut eine große Zahl an bestimmten Tumorzellen, spricht man vom Sézary-Syndrom. Je früher die Erkrankung behandelt wird, desto Erfolg versprechender ist die Therapie. Die Wahl der Therapie hängt vom Zeitpunkt der Diagnose, von histologischen Befunden und vom Alter des Patienten und dessen Allgemeinzustand ab.

Ausbildung von Chromatinstrukturen gestört

Chemisch ist Vorinostat ein N-Hydroxy-N´-phenyloctandiamid, im englischsprachigen Raum auch als suberoylanilide hydroxamic acid (SAHA) bezeichnet. Die pharmakologische Wirkung beruht auf einer sehr potenten Hemmung einiger Unterarten der Enzymgruppe der Histondeacetylasen (HDACs). Daher wird diese Wirkstoffgruppe auch als HDAC-Inhibitoren bezeichnet. Sie stören das Gleichgewicht zwischen relaxter und komprimierter Form des Chromatins. Der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt, scheint aber auf einer dauerhaften Lockerung der Chromatinstruktur der DNA entarteter Zellen zu beruhen. Histone stellen den Proteinanteil des Chromatins dar. Durch Acetylierung und Deacetylierung wird das Ablesen der Gene an der DNA, die mit ihren Windungen den Histonen aufliegt, reguliert. Zwei Enzymen, die Histon-Acetyltransferase und die Histon-Deacetylase steuern diese Abläufe. Eine Hemmung der Histon-Deacetylase führt zu einer Hyperacetylierung der Histone. Es kommt zum Stillstand im Zellzyklus oder sogar zum direkten Auslösen apoptotischer Vorgänge. Außerdem können wieder verstärkt Tumorsuppressorgene transkribiert, sowie proapoptotische Proteine exprimiert werden. Weiterhin wird die Aktivierung wichtiger zytolytischer Caspasen erleichtert, indem das Ansprechen von Liganden auf der Zelloberfläche für bestimmte Botenstoffe, wie zum Beispiel Interleukine, erhöht wird. All dies führt letztendlich zum Untergang der Tumorzellen.

Erfolgreiches Studienprogramm

Insgesamt laufen rund 50 Studien mit dem oral applizierbaren Vorinostat bei verschiedenen Tumorarten, teils als Mono-, teils in Kombinationstherapie. In den abgeschlossenen und veröffentlichten Studien zeigte sich, dass etwa ein Viertel bis ein Drittel der mit Vorinostat behandelten Patienten von der Therapie profitiert. Ein Erfolg wurde als mindestens 50%-ige Verbesserung zum Ausgangswert angesehen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Diarrhö und Übelkeit. Als schwerwiegende Ereignisse sind das Auftreten von Thrombozytopenien, Lungenembolien sowie erhöhte Serum-Kreatinin-Spiegel festgestellt worden. Daher ist eine enge Überwachung gerade vorbelasteter Patienten angezeigt. Generell wurde die Behandlung relativ gut vertragen, die meisten Nebenwirkungen traten nur schwach ausgeprägt auf.

Es wurden weitere, teilweise deutlich potentere HDAC-Inhibitoren entwickelt, die aber in ersten Versuchen und Studien ein erheblich ungünstigeres Nutzen-Risiko-Profil aufwiesen.

 

Quelle

Mann, S. B.; et al.: FDA Approval Summary: Vorinostat for Treatment of Advanced Primary Cutaneous T-Cell Lymphoma. Oncologist 2007;12: 1247-1252.

Olsen, E. A.; et al.: Phase IIB Multicenter Trial of Vorinostat in Patients With

Persistent, Progressive, or Treatment Refractory Cutaneous T-Cell Lymphoma. J Clin Oncol 2008; 25: 3109-3115.

Dokmanovic, M.; et al.: Histone Deacetylase Inhibitors: Overview and Perspectives. Mol Cancer Res 2007; 5(10):981-989.

Steven Grant, et al.: Fresh from the Pipeline: Vorinostat. Natur Reviews Drug Discovery 6, 21-22 (January 2007) doi: 10.1038/nrd2227.

EU-Zulassung für Vorinostat zur Behandlung des fortgeschrittenen refraktären kutanen T-Zelllymphoms beantragt. Pressemitteilung der MSD Sharp Dohme GmbH, Januar 2008.

 


Christian Widua

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