Sächsischer Apothekertag

Keine Experimente mit Apotheken!

Bericht vom 6. Sächsischen Apothekertag in Görlitz
Von Peter Ditzel

Sachsens Kammerpräsident Friedemann Schmidt setzte sich in seiner Ansprache mit der Frage auseinander, wie die Apotheke eine sichere Zukunftsperspektive bekommen könnte, ohne dass bewährte Elemente über Bord geworfen werden. Zusammenhalt und Kollegialität sind, so Schmidt, wichtiger als je zuvor. Er rief dazu auf, zusammenzurücken, um als schlagkräftige und bewegliche Truppe in eine Zukunft vorzurücken, die trotz Risiken und Gefahren "eine große, spannende und chancenreiche Herausforderung" ist.

Aufgrund der umfangreichen Liberalisierungsbestrebungen empfinden die Apotheker die EU zunehmend negativ, so Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes, in ihrer Begrüßung. Solche Bestrebungen versuchten in das Gesundheitssystem einzugreifen, obwohl dieses doch eigentlich in nationaler Hand sein sollte. Die freien Heilberufe kämen dadurch stark unter Druck. Man werde aber allen Verkettungsversuchen den Kampf ansagen.

Koch konnte den sächsischen Apothekerinnen und Apothekern als positive Botschaft mitteilen, dass die AOKplus aufgrund der schlechten Lieferfähigkeit von Rabattarzneimitteln keine Retaxationen für den Monat April vornehmen werde. Darüber hinaus konnte der Deutsche Apothekerverband mit der Barmer vereinbaren, dass die Retaxationen vorerst ausgesetzt werden wegen Fehlern im Prüfverfahren.


Keine Experimente mit ApothekenDa waren sich die Sächsische Staatsministerin (2. v. l.) und die Vertreter der sächsischen Apothekerinnen und Apotheker einig.

Klare Position

Die Sächsische Landesregierung steht zum Apotheker in seiner Apotheke und zur flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln – dieses Bekenntnis brachte die sächsische Gesundheitsministerin Helma Orosz als Grußbotschaft nach Görlitz mit. Angesichts der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, mit der die EU-Kommission den Fremd- und Mehrbesitz von Apotheken zulassen möchte, stehe sie als Gesundheitsministerin in der Pflicht, dass die Apotheken ihre Aufgaben und die flächendeckende Versorgung erfüllen können. "Eine qualitätsgesicherte Arzneimittelversorgung erfordert aus meiner Sicht die Apothekerinnen und Apotheker als fachlich und wirtschaftlich unabhängige Experten. Ich halte es für fraglich, dass ein fremdfinanziertes, vollkommen liberalisiertes Apothekensystem diese hohe Qualität gewährleisten kann. Arzneimittel sind keine Waren wie Gummibärchen oder Flachbildfernseher", erklärte die Gesundheitsministerin des Freistaates.

Man solle Abstand nehmen von vorschnellen Schritten, wenn man nicht sicher sei, ob es danach besser werde: "Nichts gegen Wettbewerb", so Orosz, "aber keinen Suchprozess, keine Experimente mit Apotheken!" Die Apotheke brauche verlässliche Rahmenbedingungen, die ihr eine ordnungsgemäße Versorgung mit Arzneimitteln erlaube. Sachsen werde zu gegebener Zeit die Urteile des Europäischen Gerichtshofs juristisch und fachlich kritisch prüfen. Sollte sich herausstellen, dass die Versorgung gefährdet sei, werde man eine klare Gegenposition dazu beziehen.

Die Apotheken hätten bewiesen, dass sie ein nicht zu ersetzender Bestandteil im Gesundheitswesen sind, so die Gesundheitsministerin, "ich kämpfe dafür, dass Ihre Arbeit nicht gefährdet wird."

Gegen Fremd- und Mehrbesitz

Alle Politiker der zum Sächsischen Apothekertag eingeladenen Parteien bekannten sich in ihren Grußworten zum Fremd- und Mehrbesitzverbot. Maria Michalk von der CDU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit im Deutschen Bundestag, hob den hohen Stellenwert der Präsenzapotheke in unserem Gesundheitswesen hervor. Nach wie vor lösten die meisten Patienten ihr Rezept in Präsenzapotheken ein. Würde man den Fremdbesitz zulassen, dann würde die Kommerzialisierung zu- und die Versorgungsqualität abnehmen. Eine Ausweitung des Versandhandels oder die Zulassung von Ketten gefährde eine kontrollierte Arzneimittelversorgung. Die Auffassung, dass im Gesundheitswesen mehr Wettbewerb zu mehr Einsparungen führt, teilte sie nicht. Ein Blick in Länder mit Kettenapotheken zeige, dass dort kein echter Wettbewerb herrsche. Ihre Partei stehe daher für eine hohe Arzneimittelsicherheit, für eine flächendeckende Versorgung und für den Erhalt der Freiberuflichkeit.

Die Vertreterin der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Marlies Volkmer, ebenfalls Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags, konnte nicht persönlich anwesend sein. Wie aus ihrem schriftlich vorliegenden Grußwort hervorgeht, stellte sie fest, dass die Rolle des Apothekers in den letzten Jahren gestärkt worden sei, ein Trend, an dessen Fortsetzung die SPD interessiert sei. Eine Liberalisierung des Apothekenwesens, wie sie von der EU-Kommission geplant sei, werde die Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht verbessern, so Volkmer, im Gegenteil: "Eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots könnte nach meiner Auffassung keine auf Dauer sinkenden Arzneimittelpreise bewirken, die Arzneimittelsicherheit gefährden und möglicherweise zu einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung führen." Der Beweis, dass die Bildung von Apothekenketten zu einer höheren Wirtschaftlichkeit und zu geringeren Ausgaben für die Krankenversicherung führten, sei nie erbracht worden. Die Parallele zum Optiker-Urteil, in dem der Europäische Gerichtshof eine dem Fremdbesitzverbot vergleichbare Regelung für griechische Optiker als gemeinschaftswidrig verworfen hatte, halte sie für verfehlt. Arzneimittel seien nicht mit Brillen vergleichbar. Volkmer will auch die Forderung unterstützen, dass die Politik der Abgabe von Arzneimitteln z. B. an Kiosken oder Tankstellen entgegentreten muss. "Wie soll überhaupt in einer Drogeriekette die Arzneimittelsicherheit gewährleistet werden?", fragte sie. Einer aktuellen Umfrage der Zeitung "Die Welt" zufolge, sprächen sich 90 Prozent der Deutschen dagegen aus, ihre Medikamente aus Supermärkten und Drogerien zu beziehen. Für die SPD bestehe kein Bedarf einer Änderung des Fremd- und Mehrbesitzverbots, "die SPD steht zum Apotheker als Heilberuf". Sollte der Europäische Gerichtshof Änderungen verlangen, werde man nicht umhin kommen, diese umzusetzen. Dann allerdings sei es möglich, alle Spielräume, die das Urteil zulasse, gesetzgeberisch zu nutzen. Und zum dm-Urteil merkte sie an, dass die Entkopplung von Arzneimittelabgabe und -beratung nicht nur die Arzneimittelsicherheit für den Einzelnen gefährde, sondern auch zu einer schleichenden Verteuerung des Gesundheitssystems führe durch Komplikationen und Dosierungsfehler.

Die Politik müsse die Zwittereigenschaft des Apothekerberufs – Heilberuf und Kaufmann – berücksichtigen, meinte Jan Mücke, FDP-Bundestagsfraktion. Wettbewerb dürfe es daher nur so viel wie nötig geben. Nicht jeder Wettbewerbsgedanke des Marktes könne auf das Gesundheitswesen übertragen werden. Gradmesser für alle Entscheidungen sollte die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln sein. Auch Mücke war der Ansicht, dass derjenige kurzsichtig handelt, der ungezügelten Wettbewerb und Ketten fordert. Für die FDP sei der Gesundheitsmarkt ein spezieller Markt. Wettbewerb müsse hier fair organisiert werden.

Deutliche Signale in Richtung Erhalt der bestehenden Apothekenlandschaft übermittelte Dr. Ilja Seifert, Behindertenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, zum Sächsischen Apothekertag. Die Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Abholpunkten in Drogerieketten ohne direkte fachliche Beratung, die von Europa angestrebte Liberalisierung des Apothekenmarkts und eventuell auch die geplante Novellierung der Apothekenbetriebsordnung nannte Seifert als mögliche Angriffe auf die Apotheken. Die Linke wolle solche Angriffe verhindern. Weiterentwickelt werden sollte dagegen die Beratungsfunktion des Apothekers, auch die vertrauliche Beratung in Apotheken.

Als ein System, das sich nicht lohnt, bezeichnete Seifert die elektronische Gesundheitskarte. Die Probleme wie Datenschutz, Freiwilligkeit der Datenspeicherung und Vernetzung von Arztpraxen seien bisher nicht beseitigt, wenig überzeugend sei das elektronische Rezept. Eine Absage erteilte er auch der Einführung von Apothekenketten: Die Qualität der unabhängigen Beratung würde leiden, außerdem würde man kein Geld sparen, denn "die Kostentreiber im Bereich Arzneimittel sind nicht Sie, die Apothekerinnen und Apotheker, sondern die Pharmakonzerne".

Grüße aus Ungarn überbrachte Attila Horváth-Sziklai, Geschäftsführer der ungarischen Apothekerkammer. "Wir haben schon alles, worüber hier in Deutschland erst geredet wird", klagte er. In Ungarn gibt es bereits Apotheken in Fremdbesitz, Arzneimittel werden auch außerhalb von Apotheken verkauft. Die ungarische Regierung sei die erste Regierung gewesen, die EU-Vorschläge zur Liberalisierung akzeptiert habe – an der Bevölkerung vorbei, die sich gegen Liberalisierungen im Gesundheitswesen ausgesprochen habe.

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