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Es gibt Hoffnung

Peter Ditzel

Das waren deutliche Worte, die der Generalstaatsanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in der vergangenen Woche verlauten ließ. In seinem Schlussantrag empfiehlt er dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), die Vertragsverletzungsklage der Europäischen Kommission gegen Deutschland als unbegründet abzuweisen. Bei dieser Klage geht es allerdings nicht um den Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken, sondern um die Versorgung von Krankenhäusern mit Arzneimitteln. Die EU-Kommission hatte nämlich beanstandet, die deutschen Vorschriften zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern seien nicht europarechtskonform.

Der Rechtsstreit dauert schon einige Jahre. Deutschland hatte seinerzeit ein Regionalprinzip bei der Versorgung von Krankenhäusern ohne eigene Apotheke eingeführt. Die Versorgung durfte nur von einer Apotheke durchgeführt werden, die in derselben Stadt oder im selben Kreis liegt. Wettbewerbsfanatikern der Europäischen Kommission ging das jedoch nicht weit genug. Jede Apotheke in der EU sollte ein Krankenhaus versorgen dürfen. Die Bundesregierung änderte daraufhin § 14 Apothekengesetz und erlaubte die Versorgung durch jede ausländische Apotheke, knüpfte die Versorgung allerdings an Bedingungen, die de facto nur eine dem Krankenhaus naheliegende Apotheke erfüllen konnte. Die EU-Kommission war damit nicht zufrieden und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Zu ihrer Rechtfertigung argumentierte die Bundesrepublik, dass die beschränkenden Regelungen aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt seien, so z. B. dass die krankenhausversorgende Apotheke sicherstellen muss, Arzneimittel unverzüglich zur Verfügung zu stellen oder das Klinikpersonal persönlich zu beraten.

Der Generalstaatsanwalt räumte zwar ein, dass solche Bedingungen einer Marktabschottung gleichkämen, was dem gemeinsamen Markt widerspreche. Es gebe aber legitime Gründe, diese Beschränkungen zu rechtfertigen. Der Schutz der Gesundheit stehe an erster Stelle. Deutschland sei berechtigt, eine Regelung zu erlassen, nach der die Hinzuziehung eines Apothekers bei der Verabreichung von Arzneimitteln an Krankenhauspatienten möglich sein muss. Der Generalanwalt ist auch der Auffassung, dass der Apotheker im Krankenhaus regelmäßig anwesend sein sollte, um sich selbst über die Situation der Kranken informieren zu können. Er müsse also in der Nähe des Krankenhauses seine Tätigkeit ausüben.

Der Generalstaatsanwalt zeigte sich auch überzeugt davon, dass Arzneimittelauswahl und Beratung des Klinikpersonals nur schwer zu trennen seien, ebenso gehöre die Überwachung der Arzneivorräte im Krankenhaus dazu.

Das sind An- und Einsichten eines Generalstaatsanwalts, die Hoffnung machen für das andere Vertragsverletzungsverfahren, bei dem es um das Fremd- und Mehrbesitzverbot geht. Auch hier lässt sich mit dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung argumentieren, der an erster Stelle stehen sollte. Die rein kommerzielle Ausrichtung von Apothekenketten kann nicht dem Gesundheitsschutz des Verbrauchers dienen. Ketten sind der Gewinnmaximierung verpflichtet: Arzneimittelabverkauf um jeden Preis. Da zudem die Gefahr der Vertikalisierung besteht, d. h., wenn Kettenapotheken im Besitz eines Großhandels sind und dieser wiederum mit einem Arzneimittelhersteller verbunden ist, leidet die Vielfalt und Individualität der Arzneimitteltherapie.

Der Schlussantrag des Generalstaatsanwalts zeigt, dass noch lange nicht der Weg in den Fremd- und Mehrbesitz, hin zur Kette klar ist, was Kettenbefürworter allzu gern die Medien glauben machen wollen. Da der Generalstaatsanwalt derselbe ist, der auch zum Fremd- und Mehrbesitzverbot ein Plädoyer abgeben wird, besteht in der Tat Hoffnung, dass das Arzneimittel als Ware besonderer Art gesehen wird und der Verbraucher- und Gesundheitsschutz eine Rolle spielen wird. Das Gericht muss dem Plädoyer zwar nicht folgen, tut es allerdings in den allermeisten Fällen.

Im Übrigen steht auch die Politik (mit Ausnahme der Grünen, deren Stimme hier wohl vernachlässigbar ist) geschlossen zur inhabergeführten Apotheke. Politiker von CDU, SPD, FDP und Die Linke möchten die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch unser heutiges Apothekensystem erhalten wissen. Sie erkennen das Arzneimittel als Ware der besonderen Art an und gehen davon aus, dass eine qualitätsgesicherte Arzneimittelversorgung nur von Apothekerinnen und Apothekern gewährleistet werden kann, die fachlich und wirtschaftlich unabhängig sind.

Diese Einschätzungen, die erst am vergangenen Wochenende in Görlitz auf dem Sächsischen Apothekertag zu hören waren, stimmen zuversichtlich. Selbst wenn Europa das Fremd- und Mehrbesitzverbot abschießt und Deutschland gezwungen sein sollte, entsprechende Strukturen zu schaffen, ist davon auszugehen, dass unsere Regierung gewisse Spielräume hat, die Regelungen auszugestalten. Und da ist es gut zu wissen, dass in der Politik Konsens besteht, die Institution Apotheke mit ihrer Aufgabe, mit ihrer Unabhängigkeit erhalten zu wollen ebenso wie die Freiberuflichkeit des Apothekers und damit seine fachliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Hoffen wir, dass sich die Politiker an ihr Wort erinnern, wenn es so weit kommen sollte.


Peter Ditzel

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