DAZ aktuell

Eine Kampagne, die Hoffnung macht

Reinhild Berger

Zugegeben, die halbseitige Anzeige im Focus der letzten Woche zum ersten Mal geschaltet, fällt ins Auge: "122.000 Mal Frauenpower" in großer, roter Schrift. Unten rechts ein Apotheken-A und ein Hinweis auf www.aponet.de, das ABDA-eigene Apothekenportal. Unten links dann das "Kleingedruckte". Neugierig lese ich die Botschaft: "85% der Beschäftigten in Apotheken sind weiblich." Diesem ersten Satz ist nichts hinzuzufügen. Weiter geht’s: "Von diesem Frauenanteil können andere Branchen nur träumen." Nun ja, Frauengehälter sind immer niedriger. Und vom Sparen träumen alle. Stimmt also. Doch nun kommt’s: "Das liegt an gezielter Frauenförderung, gelebter Chancengleichheit, familienfreundlichen Arbeitsplätzen – und vielleicht auch ein bisschen daran, dass Frauen gut zuhören können." Ich reibe mir die Augen. Gezielte Frauenförderung und gelebte Chancengleichheit? Habe ich da in den letzten Jahrzehnten was verpasst? Gab es heimliche Quotenregelungen, die an mir vorbeigegangen sind? Habe ich irgendwann nicht gut zugehört, obwohl ich Frau bin? Für einen kurzen Moment bin ich ratlos.

Dann mein zweiter Blick auf die Anzeige. Versöhnlich erkenne ich an: Unsere Standesführung bemüht sich um Imagewerbung. Und möchte sympathisch wirken. Und da besinnt man sich auf das Aushängeschild der Apotheken: Das kompetente, freundliche, allzeit bereite und natürlich weibliche Personal. Diese Frauen funktionieren einfach immer. Auf sie ist Verlass – auch in Notzeiten. Sie arbeiten für wenig Geld rund um die Uhr, lassen sich deutschlandweit für publikumswirksame Demos mobilisieren und sind selbst dann nicht aufmüpfig, wenn sich Tarifabschlüsse monatelang hinziehen. Für ihre familienfreundlichen Arbeitsplätze tun Frauen fast alles. Und Zuhören können ist in der Tat eine wunderbare Gabe.

Noch einmal lasse ich mir den Text der Anzeige auf der Zunge zergehen. War da ein bitterer Nachgeschmack? Ich schlucke ihn schnell runter. Nein, ich bin optimistisch. Wer solche Anzeigen schaltet, hat sein Bewusstsein erweitert. Auf diese Botschaften müssen Taten folgen. Immerhin wurde ADEXA – die Apothekengewerkschaft in diesen Tagen zum ersten Mal in der Geschichte vom Deutschen Apothekerverband zur Wirtschaftstagung nach Baden-Baden eingeladen. Welch Premiere! Ich bin sicher, weitere Überraschungen werden folgen.

Übrigens, im Spiegel der letzten Woche entdeckte ich eine zweite Anzeige in derselben Aufmachung wie oben beschrieben. Hier heißt es: "9500 Chefinnen". Und im letzten Satz des Kleingedruckten: "In Ihrer Apotheke gibt es eben für alles das richtige Rezept – sogar für Chancengleichheit und für die richtige Frauenförderung." Wer den Mund so voll nimmt, steht nun unter Beweislast. Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Apothekertag mit "gelebter Chancengleichheit" von Apothekenleitern und Angestellten, mächtiger Frauenpower und Männern, die ihren Platz freiwillig räumen – zugunsten der von ihnen geförderten Frauen.

Die Zeit ist reif!

Reinhild Berger

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