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Arbeitsminister will der "Generation Praktikum" helfen

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz will durch eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch verhindern, dass Unternehmen Berufsanfänger in unbezahlten Praktika ausbeuten. Außerdem will er schriftliche Praktikumsvereinbarungen vorschreiben. Die Höhe der Praktikumsvergütung soll dagegen nicht gesetzlich geregelt werden, und es soll auch keine Befristung erfolgen. ADEXA begrüßt das Ziel, den gängigen Missbrauch einzuschränken.

Praktika als Voraussetzung oder Bestandteil einer Berufsausbildung gibt es schon lange. Doch in den letzten Jahren mussten immer mehr Berufsanfänger auch nach Ende ihrer Ausbildung zunächst schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika absolvieren, bevor sie die Chance auf eine feste Anstellung bekamen. Besonders in den Geisteswissenschaften ist dies weit verbreitet, aber auch im Werbe- und Medienbereich. Das Schlagwort "Generation Praktikum" beschreibt dieses Phänomen. Bei Universitätsabsolventen sind Frauen mit 18 Prozent deutlich häufiger von Praktika nach dem Studium betroffen als Männer (12%).

Nach einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums werden 51 Prozent der freiwilligen Praktika von Berufsanfängern gar nicht bezahlt. Dabei schreibt das Berufsbildungsgesetz vor, dass ein Praktikum als Lernverhältnis "angemessen" vergütet werden muss. In der Praxis ist dies aber allzu oft nicht der Fall. Deshalb will die SPD die Praktikanten durch eine klarere gesetzliche Regelung besser vor solchem Missbrauch schützen.

Wie zu erwarten kam umgehend Kritik der Arbeitgeberseite an den Vorschlägen des Arbeitsministers. Dagegen forderte der DGB Scholz auf, Praktika generell auf drei Monate zu begrenzen.

Praktikumsvergütung im Apothekenbereich

Für Pharmaziepraktikanten und PTA-Praktikanten in öffentlichen Apotheken ist die Praktikumszeit als Bestandteil der Ausbildung tarifvertraglich geregelt. Leider gibt es auch hier unter den Arbeitgebern etliche schwarze Schafe, die Praktikantinnen unbezahlt arbeiten lassen. Besonders ausgeprägt ist diese Tendenz in Ostdeutschland und hier vor allem im Kammerbezirk Sachsen, wo die Arbeitgeber vor Jahren den Tarifverband verlassen haben.


Dr. Sigrid Joachimsthaler




KOMMENTAR

Die Unternehmen sind selbst schuld

Es sind lediglich moderate Regelungen, die Bundesarbeitsminister Olaf Scholz plant, um die Berufsanfänger vor einem weit verbreiteten Missbrauchsphänomen zu schützen. Doch reflexartig warnt die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, zwingende Vergütung bedeute das Aus beidseitig gewünschter Praktika. Dabei wünscht sich sicher jede Praktikantin und jeder Praktikant eine Anerkennung ihrer Arbeit. Der Wunsch nach einem Praktikum zum Nulltarif dürfte daher immer einseitig vom Arbeitgeber ausgehen. Unternehmen, in denen die Berufsanfänger sechs Monate und länger ohne Bezahlung "eingearbeitet" werden, verstoßen auch heute schon gegen das Gesetz – aber wo kein Kläger, da kein Richter. Deshalb sind klarere gesetzliche Normen und mehr öffentliche Kritik längst überfällig.

Wo die Vergütung für Praktika tariflich geregelt ist, sollte ohnehin Missbrauch ausgeschlossen sein. Und die tarifliche Regelung gilt – so erst kürzlich das Bundesarbeitsgericht zum Thema angemessene Ausbildungsvergütung – als Anhaltspunkt auch für nicht tarifgebundene Parteien. In den deutschen öffentlichen Apotheken sollten unbezahlte Praktika daher theoretisch nicht vorkommen. Die ADEXA-Rechtsberatung erfährt aber immer wieder von solchen Fällen – insbesondere aus Sachsen. Wenn die Arbeitgebervertretung hier keine effektive Selbstkontrolle ausübt, müssen sich die Arbeitgeber nicht über solche Vorstöße des Gesetzgebers wie den aktuellen von Arbeitsminister Scholz beklagen.


Barbara Neusetzer,
ADEXA, Erste Vorsitzende

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