DAZ aktuell

DocMorris darf keinen Maulkorb erteilen

BERLIN (ks). Bei dem Versuch, Kritikern einen Maulkorb zu verpassen, ist der Arzneimittelversandhändler DocMorris vom Berliner Landgericht in seine Schranken gewiesen worden. Mit Urteil vom 28. Februar (Az.: 27 O 1105/07) wies dieses eine Unterlassungsklage gegen den Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling zurück: Er darf auch weiterhin öffentlich erklären, dass die Verantwortlichen von DocMorris für den strafbaren Versand von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln bis heute nicht durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden zur Verantwortung gezogen worden seien, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass ein von der Staatsanwaltschaft Aachen eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen DocMorris-Chef Ralf Däinghaus eingestellt wurde.

Aufhänger des Verfahrens war der Bericht "Ein gescheitertes Experiment" in der Deutschen Apotheker Zeitung Nr. 42/2007. Hierin ging es um einen Vortrag des beklagten Rechtsanwaltes im Rahmen des Symposiums "Versandhandel - Fortschritt der Arzneimittelversorgung oder Gesundheitsgefährdung?" der Universität Bonn im Oktober 2007. In diesem hatte Dettling unter anderem erklärt, dass DocMorris sich durch den Versand zulassungspflichtiger, in Deutschland aber nicht zugelassener Arzneimittel an Patienten in Deutschland gemäß § 96 Nr. 5 Arzneimittelgesetz (AMG) strafbar gemacht habe. Gleichwohl seien die Verantwortlichen bis heute nicht durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden zur Verantwortung gezogen worden. Weiterhin hatte Dettling darauf verwiesen, dass DocMorris selbst einräume, die Nichteinhaltung des Arzneimittelpreisrechtes in Deutschland bei gleichzeitiger Rechtstreue der deutschen Apotheken sei der Hauptgrund des Erfolgs von DocMorris. Diese beiden Aussagen wollte DocMorris – bereits bekannt für seine Affinität für Rechtsstreitigkeiten – dem Anwalt gerichtlich verbieten lassen. Erstere jedenfalls dann, wenn er nicht darauf hinweise, dass es ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen Däinghaus gegeben habe, dieses aber eingestellt worden sei.

Hinweis auf Einstellung führt in die Irre

Das Landgericht Berlin erteilte DocMorris eine Abfuhr: Der Hinweis auf ein eingestelltes Ermittlungsverfahren sei "in dem Sinn nichtssagend, dass sie keine Aussage über den Grund für die Einstellung des Verfahrens enthält und auch nicht darauf geschlossen werden kann, ob der Beschuldigte durch sein Verhalten einen bestimmten strafrechtlichen Tatbestand erfüllt hat". Ein Ermittlungsverfahren könne aus vielerlei Gründen eingestellt werden – etwa auch wegen Verfahrenshindernissen oder Verjährung. Darüber hinaus beschäftigten sich die Richter genauer mit dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Aachen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass hierbei gerade nicht geprüft worden sei, ob eine Strafbarkeit nach § 96 Nr. 5 AMG vorgelegen habe. Offenbar hätten sich die Richter nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob DocMorris in Deutschland nicht zugelassene, aber zulassungspflichtige Arzneimittel versendet hat. Insofern müsse auf dieses Verfahren auch nicht hingewiesen werden. "Es ist nicht nachvollziehbar, welcher Informationsmehrwert außer einer Irreführung des Lesers oder Zuhörers dadurch erreicht würde", urteilen die Berliner Richter. In dem Ermittlungsverfahren war lediglich eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 sowie Nr. 1 AMG geprüft worden, die man jedenfalls mit der Zulassung des Versandhandels in Deutschland im Jahr 2004 als nicht mehr gegeben ansah.

Wahre Tatsachenbehauptungen

Auch dem Begehren von DocMorris, Dettling dürfe nicht den Eindruck erwecken, der Erfolg der Versandapotheke sei vor allem auf dem bewussten Verstoß gegen deutsches Arzneimittelpreisrecht gegründet, gab das Gericht nicht statt. Die angegriffene Äußerung sei schon deshalb nicht untersagungsfähig, weil die aufgestellten Tatsachenbehauptungen wahr seien. DocMorris habe sich tatsächlich in diesem Sinne geäußert, dass man sich nicht an die betreffenden deutschen Vorschriften halte – so etwa auf der DocMorris-Website oder in Zeitungs-Interviews des DocMorris-Chefs. Die Behauptung sei auch kein Zitat, sondern vom Beklagten in eigenen – wertenden – Worten zusammengefasst. Die Richter sind auch davon überzeugt, dass das für die Zuhörer zu erkennen war: "Niemand, der die Äußerung hört, wird annehmen, dass die Klägerin oder ihre verantwortlichen Personen tatsächlich gesagt hätten, dass die ‘Nichteinhaltung des Arzneimittelpreisrechts’ bei ‘gleichzeitiger Rechtstreue der deutschen Apotheken’ der Hauptgrund für den Erfolg der Klägerin sei." Es sei unverkennbar, dass dieser Äußerung eine Tendenz innewohne, die im Konflikt um die Liberalisierung des Apothekenmarktes für die deutschen Apotheken Partei ergreifen.

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