Feuilleton

Die Pillnitzer Kamelie

Seit über 200 Jahren werden in Deutschland Kamelien kultiviert. Die Älteste von ihnen wächst im Schlossgarten von Dresden-Pillnitz. Zurzeit steht sie in voller Blüte.

Dass Kamelien in Deutschland zwar beliebt, aber doch vergleichsweise selten sind, liegt an ihren Ansprüchen. Sie vertragen keinen Frost und sind im Freiland nur zu kultivieren, wenn sie im Winter einen besonderen Winterschutz erhalten oder in ein Kalthaus umziehen können. Andererseits mögen sie auch keine trockene Wärme, sodass ihnen das Klima im Wohnzimmer nicht behagt. Die Kamelie in Pillnitz wächst im Freien und ist im Winterhalbjahr von einem Glashaus umgeben. Zurzeit erfreut sie die Besucher mit schätzungsweise roten 35.000 Blüten.

Die Kamelie gehört zu den Teegewächsen und ist mit dem Teestrauch nah verwandt. Beide Spezies sind immergrün und wachsen von Natur aus als Unterwuchs in den immergrünen, sommerfeuchten Wäldern des subtropischen Ostasiens. Der schwedische Arzt und Naturforscher Carl von Linné (1707–1778) publizierte 1735 aufgrund von Literaturberichten die erste wissenschaftliche Kurzbeschreibung der Kamelie und gab ihr bei dieser Gelegenheit ihren Namen – sehr wahrscheinlich zu Ehren des Jesuiten Georg Joseph Kamel (1661–1706), der in Manila als Apotheker gewirkt und die dortige Flora erforscht hatte. Vermutlich haben weder Linné noch Kamel eine Kamelie in natura gesehen.

Der Überlieferung nach soll Linnés Landsmann Carl Peter Thunberg (1743–1828) im Jahr 1779 vier Kamelien von Japan in die königlichen Gärten von Kew bei London gebracht haben. Während eine Pflanze dort verblieb, gelangten die anderen drei in die Schlossgärten von Pillnitz, von Herrenhausen bei Hannover und von Schönbrunn bei Wien. Als einzige von ihnen überlebte die Pillnitzer Kamelie. Sie gilt damit als älteste Kamelie in Europa.


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Deutsche Kameliengesellschaft e. V.

Im Jahre 1801 wurde die Pillnitzer Kamelie dort ins Freie verpflanzt, wo sie noch heute wächst. Den notwendigen Winterschutz erhielt sie anfangs durch Stroh und Bastmatten, später durch ein beheizbares Holzhaus, das im Herbst um den immer stattlicher werdenden Strauch herum errichtet wurde und im Frühjahr wieder demontiert wurde. Als dieses Holzhaus 1905 bei Außentemperaturen um –20 ºC abbrannte, gefror das Löschwasser auf den Ästen und Blättern der Pflanze und bildete einen Eispanzer, der sie vor dem Tod durch Erfrieren bewahrte. 1992 bekam die Kamelie, die nun fast neun Meter hoch und elf Meter breit ist, ein Glashaus mit Klimacomputer, das im Frühjahr auf Schienen zur Seite gefahren und dort abgestellt wird. Besucher können das Glashaus betreten und in ihm auf eine höhere Plattform steigen, um die Kamelie von oben zu besichtigen.

Europäische Gärtner befassten sich schon um 1800 mit der Züchtung von Kameliensorten, insbesondere in Paris. Die Kamelie avancierte schnell zur Modepflanze und erreichte den Gipfel ihrer Beliebtheit um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1848 erschien der Roman "Die Kameliendame" von Alexandre Dumas d. J., der Giuseppe Verdi zu seiner Oper "La Traviata" inspirierte.

Heute können die Kamelienliebhaber unter etwa 30.000 Kameliensorten wählen.


W. Caesar

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