DAZ aktuell

Spahn, Celesio und die DAZ

Zu unserer Berichterstattung und unserem Editorial ("Aufmarsch der Freunde des Fremdbesitzes") über den Celesio/Gehe-Kongress "Gesundheitsmarkt im Wandel" am 29. Februar (vgl. DAZ Nr. 10/2008) erreichte uns eine geharnischte Stellungnahme von MdB Jens Spahn. Spahn ist Obmann der CDU im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Ebenso wie Biggi Bender (Bündnis 90/Die Grünen) und Jorgo "Chatzi" Chatzimarkakis gab sich Spahn auch in Stuttgart davon überzeugt, dass der Europäische Gerichtshof schon bald das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken aufhebt. Vor diesem Hintergrund plädiert Spahn vorab für eine weitreichende Liberalisierung des geltenden Apothekenrechts. Wir dokumentieren die Ausführungen Spahns und antworten in einer kurzen Replik.

Mit Verwunderung habe ich Ihre Nach-Berichterstattung zu dem Symposium "Gesundheitsmarkt im Wandel", das am 29. Februar 2008 in Stuttgart stattgefunden hat, zur Kenntnis genommen. Bei den von Ihnen aufgegriffenen Themen Fremd- und Mehrbesitz scheint Ihnen eine differenzierte und faire Berichterstattung sichtlich schwer zu fallen.

Ich möchte Folgendes feststellen: Ich bin in meinem ganzen Leben (sic!) noch nicht in Norwegen gewesen und organisiere auch keine "Norwegen-Trips zu Celesio-Kettenapotheken". Ich bin durchaus in der Lage, mir eigen- und selbstständig ein Bild von der Situation in Europa und Deutschland zu machen. Dabei lasse ich mich weder von der ABDA noch von Celesio oder anderen Verbänden und Unternehmen beeinflussen. So viel freies Denken mag Ihnen fremd sein, aber das berechtigt Sie nicht zu derartigen Falschmeldungen.

Ich habe mich bei der Podiumsdiskussion nicht "für den Fall des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbotes in Deutschland" ausgesprochen, wie Sie schreiben, sondern ausdrücklich und mehrfach darauf hingewiesen, dass es darum gehe, sich rechtzeitig für den Fall der Fälle zu wappnen. Daher, so meine Meinung, mache es Sinn, dass sich Politik und Apothekenverbände rechtzeitig über mögliche Rahmenbedingungen nach einer Liberalisierungsentscheidung auf europäischer Ebene verständigen und das Thema bis dahin nicht totschweigen. Nur so sind wir frühzeitig gewappnet und werden nicht von Gerichts- oder Kommissionsentscheidungen überrascht, ohne zu wissen, was wir wollen. Dies habe ich ausdrücklich und mehrfach mit dem Ziel verbunden, gerade den heute tätigen freiberuflichen Apothekern im Falle einer Liberalisierung durch EU-Entscheidungen überhaupt eine Chance zu geben, gegen Ketten bestehen zu können. Denn sie haben vielfach ihre ganze materielle und persönliche Existenz mit dem Kauf/Aufbau einer Apotheke verbunden und dürfen nicht von solchen Entscheidungen plötzlich überrollt werden. Daher muss über die Apothekenbetriebsordnung, die Anforderungen an einen Betrieb einer Apotheke, die Beibehaltung der Apothekenpflicht oder auch die Vergütung, um nur einige Themenbereiche zu nennen, klar geregelt werden, was für alle gilt. Denn Arzneimittel sind keine Brötchen und wir müssen eine flächendeckende Versorgung gewährleisten.

Mehrfach habe ich ausdrücklich gesagt, dass wir die heilberufliche Kompetenz, die die Apotheker aufgrund ihrer langjährigen Ausbildung haben, stärker nutzen sollten. Es gibt schon heute Schwerpunktapotheken für HIV/AIDS, Onkologie oder Diabetes, die durch Patientenschulung und Erhöhung der Compliance einen wichtigen Beitrag zu einer guten und effektiven Versorgung liefern. Dies gilt es, etwa im Rahmen von IV-Verträgen, zu honorieren und auszubauen. Zudem könnten Apotheken viel stärker als bisher eine Anlaufstelle für Gesundheitsfragen werden, gerade in ländlichen Strukturen.


Jens Spahn, MdB, Platz der Republik 1, 11011 Berlin



Stellungnahme der DAZ

MdB Jens Spahn setzt sich kritisch mit unserer Berichterstattung über den Stuttgarter Celesio/Gehe-Kongress auseinander. Er fühlt sich kräftig missverstanden. Insbesondere legt er Wert auf die Feststellung, dass er keine "Norwegen-Trips zu Celesio-Kettenapotheken" organisiert habe. Stimmt. Da hatten wir in der Tat zwei Dinge durcheinander gebracht: Es war Celesio-Chef Fritz Oesterle selbst, der im letzten Jahr die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages einlud, sich die Vorzüge der dortigen Kettenapotheke vor Ort anzuschauen (siehe hierzu den Kommentar im Newsletter der Landesapothekerkammer Hessen vom 1. Juni 2007). In Stuttgart stand eine Reise des Gesundheitsausschusses ins andere europäische Celesio-Kettenparadies zur Rede: nach Großbritannien. Die Reise war, wie sein SPD-Kollege aus dem Gesundheitsausschuss in Stuttgart anmerkte, "von Jens Spahn hervorragend organisiert". Nun denn. So viel Richtigstellung muss sein.

Nichtsdestotrotz: Unabhängig von Reisezielen des Gesundheitsausschusses und unabhängig von aller Kaffeesatzleserei über den Ausgang der Fremd- und Mehrbesitzverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof lässt Spahn weiterhin die klare Aussage vermissen, ob er nun gesundheitspolitisch für oder gegen die Beibehaltung des Approbationsgebots von Apothekeneigentümern in Deutschland und den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten ist. Oder anders gefragt: Lässt der junge CDU-Wilde seine Forderung nach einer "regulierten Deregulierung des Apothekenmarktes" tatsächlich fallen, wenn der EuGH das deutsche "Fremd- und Mehrbesitzverbot" für gemeinschaftskonform erklärt? Daran kann man zweifeln. Nicht nur, dass davon aus seinem Munde in Stuttgart nichts zu hören war – auch an anderer Stelle hatte sich Spahn in der Vergangenheit über das Fremd- und Mehrbesitzverbot eher despektierlich und ablehnend geäußert: Für ihn ist der Grundsatz des "Apothekers in seiner Apotheke" "nostalgisch". Und laut "Focus" hat Spahn keine Einwände gegen die Aussage von DocMorris-Chef Ralf Däinghaus, dass "eine Kette nicht schlechter, sondern im Gegenteil das bessere System ist". Auch wenn keiner "Wildwest wolle" – Spahn erhofft sich, so "Focus", durch neuen Wettbewerb mehr Qualität. Der Service in Apotheken könne nämlich, so der MdB, nur besser werden.

P.S.: In unserem Antwortschreiben an Jens Spahn haben wir angeregt, mit ihm ein ausführliches Interview zu führen. Ein solches Gespräch böte die Gelegenheit, Klarheit über die apothekenpolitischen Positionen unseres Gesprächspartners zu schaffen und gegenseitige Fehlinterpretationen zu vermeiden. Auf die Reaktion Spahns sind wir gespannt.


Peter Ditzel und Dr. Christian Rotta, Deutsche Apotheker Zeitung


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DocMorris und kein Ende oder: Der Kreuzzug geht weiter

Der Celesio/Gehe Konzernchef Fritz Oesterle gibt sich überzeugt, das bundesdeutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot sei mit dem Europarecht nicht vereinbar. Ganz scheint er seiner eigenen Überzeugung nicht zu trauen, sicherheitshalber versucht er, Politiker davon zu überzeugen, wie gut Apothekenketten sind. Hierbei hofft Oesterle wohl, der Deutsche Bundestag könnte in seinem Sinne das Fremd- und Mehrbesitzverbot abschaffen. Nachdem er gegenüber Abgeordneten seine Überlegungen in einem Brief darlegte, intensivierte er seine Kontakte mit Vertretern von CDU und FDP, wohl um sie von der wahren Marktwirtschaft zu überzeugen. Nunmehr hat Oesterle die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages unter anderem zu einem Ausflug nach Norwegen eingeladen, um ihnen dort die Vorzüge seiner Kettenapotheken darzulegen.

Bei seinen Gesprächen mit Vertretern der CDU setzt Oesterle vor allem auf die Ministerpräsidenten, die Mitglieder des Vorstandes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie die führenden Vertreter des Wirtschaftsflügels der Union. So soll mittlerweile auch der Baden-Württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger zu seinen Unterstützern zählen. Interessanter Nebenaspekt hierbei ist, dass Oettinger politisch von der Unterstützung des Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Volker Kauder, abhängt. Dieser ist einerseits nur bekennender Oesterle-Fan, andererseits wird seine Frau von Celesio/Gehe bei ihrem karitativen Einsatz unterstützt.

Natürlich ist es jedem unbenommen, seine Überlegung gegenüber Vertretern der Politik darzulegen. Hierzu können auch Einladungen gehören. Man sollte aber nicht vergessen, dass Einladungen, bei denen der dienstliche Anteil nicht deutlich überwiegt, leicht den Verdacht der Vorteilsnahme aufkommen lassen. Insofern kann man nur hoffen, dass die Mitglieder des Gesundheitsausschusses sich ihre Meinung ohne ein Sponsoring bilden werden. Sollte es der Gesundheitsausschuss für unerlässlich erachten, könnte er schließlich auf Kosten des Steuerzahlers und ohne die freundliche Begleitung des allzu auffällig interessierten Gehe-Chefs reisen.


Aus: Newsletter – Politik der Landesapothekerkammer Hessen (1.6.2007)

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