Arzneimittel und Therapie

Romiplostin bei Immunthrombozytopenie

Die Immunthrombozytopenie des Erwachsenen, die meist vor dem 25. Lebensjahr beginnt, ist eine schwere Autoimmunerkrankung und gekennzeichnet durch geringe Plättchenzahlen durch Zerstörung der körpereigenen Thrombozyten und eingeschränkte Plättchenproduktion. Ein neuer vielversprechender Therapieansatz könnte Romiplostin sein, ein Protein, das ähnlich wie das Thrombopoetin die Thrombopoese stimuliert.

Die Thrombozyten sind Zellen mit wesentlicher Funktion bei der Blutgerinnung, eine Plättchenzahl von 150.000 bis 400.000/µl im peripheren Blut ist normal. Bei einer Plättchenzahl von < 30.000/µl kommt es zu Spontanblutungen. Im Rahmen der Thrombopoese ist das Thrombopoetin notwendig für die Produktion der Blutplättchen. Dieses Hormon stimuliert die Bildung und Differenzierung der Thrombozyten in den Megakaryozyten.

Bei Patienten mit Immunthrombozytopenie (ITP) werden die Plättchen durch das eigene Immunsystem des Patienten zerstört. Eine Behandlung der Immunthrombozytopenie beginnt meist mit einer Verabreichung von Glucocorticoiden. Ist diese nicht ausreichend, kann als weitere Möglichkeit eine Immunglobulintherapie eingesetzt werden. Als Notfallmaßnahme bei schweren, durch medikamentöse Therapie nicht beherrschbaren Blutungskomplikationen besteht die Möglichkeit der Entfernung der Milz (Splenektomie), weil häufig die Fehlfunktion im Immunsystem, welche die Bekämpfung von Thrombozyten verursacht, dort ihren Ursprung hat.

Immunthrombozytopenie – From Agony to Agonist

Im Sommer 1950 heckten zwei junge Ärzte, die im Barnes Hospital in St. Louis arbeiteten – William J. Harrington und James W. Hollingsworth – einen Plan aus, um ihre Vermutung zu beweisen, dass die Ursache einer ideopathischen Thrombozytopenie bei einer ihrer Patientinnen ein Faktor in ihrem Blut sei, der die Thrombozyten zerstörte. Sie beschlossen, dass derjenige von ihnen, dessen Blutparameter am besten mit denen der Patientin übereinstimme, 500 ml ihres Blutes infundiert bekommen sollte. Die Wahl fiel auf Harrington. Innerhalb weniger Stunden, nachdem Harrington das Blut der Patientin infundiert bekommen hatte, fiel seine Thrombozytenzahl jäh ab und er wurde schwer krank. Für vier Tage bewegte sich seine Plättchenzahl auf einem sehr niedrigen lebensgefährlichen Niveau. Blutergüsse und Mikroblutungen traten auf. Am fünften Tag begann er sich zu erholen, und die Thrombozytenzahl stieg wieder an. Untersuchungen von Harringtons Knochenmark vor und nach der Transfusion zeigten keine sichtbare Veränderung der Karyozyten und bewiesen damit, dass nicht das Knochenmark sondern die Thrombozyten im peripheren Blut angegriffen worden waren.

Anschließend erhielten alle verfügbaren Mitarbeiter der Onkologischen Station des Barnes Hospitals inklusive des Chefarztes Plasma der ITP Patientin. Überall zeigte sich das gleiche Muster: Schneller Abfall der Thrombozyten innerhalb der ersten drei Stunden, Beginn des Wiederanstiegs ab ca. dem dritten Tag, Normalisierung der Plättchenzahlen ab ca. dem fünften Tag. Dieses Experiment ist eines der wichtigsten, das im Bereich ITP jemals durchgeführt wurde und hat dazu geführt, dass die Bedeutung des "I" in ITP wechselte von "idiopathic" to "immune", weil Antikörper für die Zerstörung der Patienten-eigenen Thrombozyten verantwortlich sind. Was die Ursache für diesen Prozess ist, ist unbekannt.

Neue Ansätze in der Therapie der ITP

Bei den meisten zur Verfügung stehenden Therapien für die Immunthrombozytopenie steht die Verringerung der Plättchendestruktion durch das Immunsystem im Vordergrund, da man lange davon ausging (s. Kasten), dass die Ursache für die Erkrankung ausschließlich auf der Zerstörung der eigenen Blutplättchen beruht. Allerdings zeigt sich aber auch, dass die körpereigene Plättchenproduktion oft nicht ausreicht, die geringen Thrombozytenzahlen im Blut eines ITP-Patienten zu kompensieren, selbst wenn man die Zerstörung verhindert. Eine inadäquate Plättchenproduktion scheint mitverantwortlich für die Erkrankung zu sein.

Eine Studie, die während des ASH-Kongresses vorgestellt wurde, zeigte hoffnungsvolle Ergebnisse einer Therapie mit Romiplostin (AMG 531), einem Thrombopoese-stimulierenden Protein, das ähnlich wie das Thrombopoetin die Thrombopoese stimuliert. In der randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie, wurden 63 splenektomierte Patienten mit einer Immunthrombozytopenie und Plättchenzahlen < 30.000/µl entweder subkutan mit Romiplostin oder Placebo wöchentlich über 24 Wochen behandelt. Die anfängliche Dosierung betrug 1 µg/kg und wurde adjustiert mit dem Ziel einer Plättchenzahl von 50 bis 200 x 109/l. Romiplostin wurde gut vertragen, und die Plättchenzahl konnte effektiv gesteigert werden. 79% der Patienten zeigten ein Ansprechen, 38% auch ein dauerhaftes Ansprechen mit anhaltend erhöhten Thrombozytenzahlen. Die Patienten im Romiplostin-Arm benötigten im Vergleich zu den Patienten, im Placebo-Arm, weniger häufig Notfallmedikationen, um Blutungen zu verhindern. Außerdem konnte bei den Romiplostin-Patienten die laufende Immunthrombozytopenie-Medikation (Corticosteroide, Azathioprin, Danazol) verringert werden.

 

Quelle

Evaluation of AMG 531 Efficacy in Splenectomized Patients with Chronic Immune Thrombocytopenic Purpurea (ITP) in a Randomized Placebo-Controlled Phase 3 Study. T. Gernsheimer, V. Pullarkat, F. Senecal et al. Am. Hem. 110: 8a, abstr. 2, 2007.

 


Apothekerin Dr. Annette Junker

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.