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Gleichberechtigung – aber nicht beim Einkommen?

In fast allen Ländern der Europäischen Union klafft nach wie vor eine große Lücke zwischen Frauen- und Männergehältern. Das hat jetzt eine Studie der EU-Kommission ergeben. Auf den Spitzenplätzen der Negativliste mit einer Gehaltsdifferenz über 20 Prozent liegen Deutschland, Großbritannien, die Slowakei und Estland. Dagegen betragen die Unterschiede in Italien und Belgien weniger als zehn Prozent.

Einige besonders extreme Beispiele aus Deutschland hat der Frauenlohnspiegel des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung im Rahmen einer Online-Befragung zu Tage gefördert: Frauen erhalten als Grafikdesignerin 29 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Bei Gebäudereinigern beträgt die Differenz 26 Prozent, bei Verkäufern 23 Prozent und bei Bankkaufleuten 21 Prozent. Der durchschnittliche Unterschied liegt gegenwärtig bei etwa 22 Prozent.

Erklärungsversuche …

Im Grundgesetz (Artikel 3) steht verankert:

"Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Niemand darf wegen seines Geschlechtes (…) benachteiligt oder bevorzugt werden. (…)."

Entsprechend wird – auf dem Papier – nicht zwischen Frauen- und Männergehältern unterschieden. Die Erklärungen sind viel subtilerer Natur: Viele Frauen unterbrechen ihre Karriere für die Familie bzw. arbeiten in Teilzeit. Daran hat auch das neue Elterngeld nichts geändert. Andererseits sind Frauen in Leitungspositionen noch deutlich unterrepräsentiert. Männliche Vorgesetzte berücksichtigen die genannten Punkte bei der Einstufung der Angestellten oft nicht und legen ein "rein männliches Raster" an. Dementsprechend klettern viele Frauen die Karriereleiter langsamer nach oben. Außerdem entscheiden sich Frauen öfter für sichere, aber schlechter bezahlte Positionen.


Zitiert

"Mein Sohn studiert Pharmazie, weil er später einmal Leiter eines großen Pharmaunternehmens werden will.

Meine Tochter studiert Pharmazie, damit sie später einmal halbtags arbeiten kann, wenn sie eine Familie hat."


Ein Apotheker (anonym)

In der Apotheke

Die große Mehrheit der Apothekenangestellten sind Frauen, nämlich 83 Prozent bei den Approbierten, 95 Prozent bei den PTA und 96 Prozent bei den PKA. Andererseits beträgt der Anteil der Frauen bei den Apothekenleitern lediglich 45 Prozent.

Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen spielen zwar im Apothekenbereich keine große Rolle, da es hier wenig Männer und keine großen Karriereschritte gibt. Als typische Frauenberufe sind die pharmazeutischen Berufe aber im Branchenvergleich insgesamt schlecht bezahlt. Das demotiviert insbesondere engagierte Mitarbeiter, die sich daher außerhalb der öffentlichen Apotheken nach besseren Verdienstmöglichkeiten umsehen. Gutes Personal ist deshalb spürbar rar geworden.

Umdenken – jetzt!

"Es muss daher schnellstens umgedacht werden", fordert Barbara Neusetzer, Erste Vorsitzende von ADEXA. Ein wichtiger Schritt sei die Einführung der "Leistungsorientierten Bezahlung" (LOB): "Hier werden objektive Kriterien herangezogen, um besonders motivierte und engagierte MitarbeiterInnen zu fördern und die Attraktivität der Arbeitsplätze zu steigern", so Neusetzer weiter. Im Rahmen der anstehenden Tarifverhandlungen soll die LOB-Komponente mit in den Tarifvertrag implementiert werden.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Förderung der Berufstätigkeit von Frauen ist die Verbesserung des Betreuungsangebots für Kinder einschließlich einer entsprechenden finanziellen Subventionierung, um Eltern mit Kindern die Arbeit in Vollzeit zu ermöglichen.



Michael van den Heuvel

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