Arzneimittel und Therapie

Sapropterin hilft, phenylalaninarme Diät zu lockern

Die einzige therapeutische Möglichkeit zur Behandlung der Stoffwechselstörung Phenylketonurie (PKU) bestand bisher in der lebenslangen Einhaltung einer streng phenylalaninarmen Diät. Jetzt wurde in den USA mit Sapropterin ein Epimer des natürlichen Kofaktors der Phenylalaninhydroxylase zugelassen, das einigen PKU-Patienten helfen wird, die belastenden Diätvorschriften zu lockern und ein normaleres Leben zu führen.
Sapropterin

Bei der Phenylketonurie kann der Organismus nicht die mit der Nahrung aufgenommene Aminosäure Phenylalanin abbauen. In der Folge der Anreicherung im Körper kommt es in erster Linie zu einer gestörten Gehirnentwicklung, die ohne Therapie bis zu einer schwerwiegenden geistigen und motorischen Behinderung reichen kann.

Lebenslange Diät ist erforderlich

Derzeit müssen Patienten mit Phenylketonurie lebenslang eine streng phenylalaninarme Diät einhalten. Da die Aminosäure Phenylalanin Bestandteil nahezu aller Nahrungseiweiße ist, stellt die notwendige Diät eine große psychosoziale Belastung dar: Besonders eiweißreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch oder Milchprodukte müssen vollständig gemieden werden. Um einem Eiweiß- und Calciummangel vorzubeugen, muss ein schlecht schmeckendes, phenylalaninfreies Aminosäuregemisch eingenommen werden, das mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen angereichert ist. Die strengen Diätvorschriften bringen eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität mit sich, so dass sie erfahrungsgemäß in der Praxis schwer durchzuhalten sind: Zu Beginn des Erwachsenenalters halten über 75% der PKU-Patienten die Diätvorschriften nicht mehr in ausreichendem Maße ein. Eine unzureichende Diätbehandlung kann – nach zunächst erfolgreicher Behandlung im Kindesalter– auch im späteren Leben noch zu Intelligenzminderung, Verhaltensauffälligkeiten und neurologischen Komplikationen führen.


Stoffwechsel von Phenylalanin und Tetrahydrobiopterin Normalerweise erfolgt in der menschlichen Leber die Umwandlung von Phenylalanin in Tyrosin. Bei einer PKU ist aufgrund einer genetischen Störung die Phenylalaninhydroxylase gar nicht oder nur teilweise aktiv. Als Folge reichert sich Phenylalanin an und verursacht Hirnschädigungen. Durch Sapropterin, einem biologisch aktiven Epimer von Tetrahydrobiopterin, kann die Restaktivität der PAH erhöht werden.

Autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung

Ursache einer Phenylketonurie ist in ca. 98% der Fälle eine Funktionseinschränkung des Enzyms Phenylalaninhydroxylase (PAH), nur in 2% der Fälle liegt eine Störung der Biosynthese und Regeneration von Tetrahydrobiopterin, des Kofaktors der Phenylalaninhydroxylase, vor (siehe Grafik). Inzwischen sind über 400 verschiedene Mutationen des Gens, das die PAH codiert, bekannt. Entsprechend gibt es verschiedene metabolische Phänotypen, deren klinischer Schweregrad sich abhängig von der Enzymrestaktivität unterscheidet. Ein neuer Behandlungsansatz besteht darin, die Restaktivität der Phenylalaninhydroxylase durch therapeutische Gabe von Sapropterindihydrochlorid, des biologisch aktiven 6R-Epimers von Tetrahydrobiopterin, zu erhöhen. In einer randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie senkte das oral verabreichte Sapropterin im Vergleich zu Placebo die Plasma-Phenylalaninkonzentrationen von PKU-Patienten signifikant. Eingeschlossen wurden Patienten (durchschnittliches Alter: 20 Jahre), die in einer achttägigen Screeningstudie auf die Gabe von Sapropterin angesprochen hatten und deren Plasma-Phenylalaninkonzentrationen wegen mangelnder Diät-Compliance über 450 µmol/l lagen; über 80% der Teilnehmer hatten zu Studienbeginn Plasma-Phenylalaninkonzentrationen ≥ 600 µmol/l. Die Patienten erhielten randomisiert sechs Wochen lang entweder täglich 10 mg/kg Sapropterin (n = 42) oder Placebo (n = 47) und mussten ihre derzeitige Diät unverändert weiterführen. Während in der Sapropterin-Gruppe nach sechs Wochen die mittlere Veränderung der Plasma-Phenylalaninspiegel -235,9 µmol/l betrug, hatten die Plasma-Phenylalaninspiegel in der Placebogruppe in diesem Zeitraum um durchschnittlich 2,9 µmol/l zugenommen. Die mittlere Differenz zwischen den Behandlungsgruppen betrug -245 µmol/l (95%-Konfidenzintervall: -350 bis -141, p < 0,0001). Unerwünschte Wirkungen unterschieden sich zwischen den Behandlungsgruppen nicht signifikant.

Phenylketonurie

Die Phenylketonurie ist die häufigste angeborene Stoffwechselstörung mit einer Inzidenz in Deutschland von ca. 1:7000. Betroffene Patienten können aufgrund einer Störung des Enzyms Phenylalaninhydroxylase die Aminosäure Phenylalanin nicht zu Tyrosin hydroxylieren. Bestimmte alternative Stoffwechselprodukte, die Phenylketone, die mit dem Urin ausgeschieden werden, gaben der Erkrankung ihren Namen. Eine dauerhaft erhöhte Menge an Phenylalanin im Blut führt zu schweren mentalen Entwicklungsstörungen und Schädigungen des Gehirns.

Durch das seit den 60er Jahren durchgeführte Neugeborenenscreening kann die Erkrankung zwar direkt nach der Geburt diagnostiziert werden, die einzige Behandlungsmöglichkeit besteht allerdings bisher in der lebenslangen Einhaltung einer streng phenylalaninarmen Diät.

Sapropterin wurde von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA und der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA Orphan-Drug-Status gewährt. Im Falle einer Zulassung wäre Sapropterin die erste Arzneimitteltherapie zur Behandlung der Phenylketonurie und könnte für 30 bis 50% aller PKU-Patienten eine Therapieoption darstellen. Insbesondere für Patienten mit einer milden Phenylketonurie, d. h. einer Restaktivität der PAH von 1 bis 3%, könnte die Sapropterin-Gabe durch Lockerung oder Wegfall der Diät zu einem erheblichen Gewinn an Lebensqualität führen. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Sapropterin-Gabe erheblich teurer als die Diät sein wird.

 

Quelle

Levy HL, et al.: Efficacy of sapropterin dihydrochloride (tetrahydrobiopterin, 6R-BH4) for reduction of phenylalanine concentration in patients with phenylketonuria: a phase III randomised placebo-controlled study. Lancet 2007; 370: 504-510.

Pey AL, Martinez A: Tetrahydrobiopterin for patients with phenylketonuria. Lancet 2007; 370: 462-463.

Mayatepek E: Störungen des Eiweißstoffwechsels. In: Pädiatrie, Urban & Fischer Verlag, München 2007, 1. Auflage, S. 208-219.

 


 

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

 

 

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