DAZ aktuell

Bundeskartellamt verhängt Bußgelder

BONN (hst/ka). Das Bundeskartellamt hat, wie erst am 4. Januar 2008 bekannt wurde, bereits vor Weihnachten Geldbußen gegen neun Landesapothekerverbände, den Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) und fünf Arzneimittelhersteller in Höhe von insgesamt 465.000 Euro verhängt. Gleichzeitig teilte das Kartellamt mit, dass Bußgelder von 150.000 Euro wegen Preisabsprachen gegen Hildesheimer Apotheker verhängt wurden.

Hintergrund der Entscheidung ist, dass seit Anfang 2004 nicht rezeptpflichtige, aber apothe-kenpflichtige Arzneimittel nicht mehr der Preisbindung unterliegen, sodass jeder Apotheker seine Preise frei bestimmen kann. Der Gesetzgeber beabsichtigte so, Preiswettbewerb für diese Arzneimittel in Gang zu setzen. Um den befürchteten Preiswettbewerb zu dämpfen, so der Vorwurf der Kartellwächter, haben verschiedene Marktteilnehmer zu Mitteln gegriffen, die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen.

Kartellamtspräsident Heitzer erklärte hierzu: "Der Fall zeigt, dass der Gedanke des Wettbewerbs bei den Apothekern und Arzneimittelherstellern sich noch nicht ausreichend durchgesetzt hat. Das Bundeskartellamt wird mit dieser Entscheidung dem Preiswettbewerb hier zum Wohle der Verbraucher auf die Sprünge helfen."

Ende 2003 organisierten nach Darstellung des Kartellamts neun Landesapothekerverbände und der BAH, in dem viele Hersteller nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel organisiert sind, Vortragsveranstaltungen in 24 deutschen Städten. Auf diesen Vortragsveranstaltungen, an denen mehrere tausend Apotheker teilnahmen, seien Redner der Apothekerverbände, von Beratungsunternehmen und von pharmazeutischen Herstellern aufgetreten, um den Apothekern nahezulegen, vom Preiswettbewerb Abstand zu nehmen und sich stattdessen an die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller zu halten.

Die Beschlüsse der Landesapothekerverbände, entsprechende Vortragsveranstaltungen in ihren Bundesländern durchzuführen, verstoßen nach Ansicht des Bundeskartellamtes gegen das Kartellverbot. Der BAH und die beteiligten Industrieunternehmen haben sich nach Auffassung des Bundeskartellamts an der Umsetzung der Beschlüsse der Landesapothekerverbände beteiligt. Da die Veranstaltungsreihe bereits einige Jahre zurückliegt und in eine Zeit fällt, in der Preiswettbewerb im Apotheken-bereich erst ermöglicht wurde, hielt das Bundeskartellamt geringe Bußgelder als Pflichten-mahnung für ausreichend.

Das Bundeskartellamt geht, wie es in der Mitteilung heißt, davon aus, dass sich ähnliche Verstöße in Zukunft nicht wiederholen werden. Die zeitgleich eingeleiteten Verfahren gegen einzelne persönlich Beschuldigte wurden dem Vernehmen nach eingestellt.

Bußgelder wurden gegen den Landesapothekerverband Baden-Württemberg, den Bayerischen Apothekerverband, den Apothekerverband Brandenburg, den Apothekerverband Mecklen-burg-Vorpommern, den Niedersächsischen Landesapothekerverband, den Apothekerverband Rheinland-Pfalz, den Sächsischen Apothekerverband, den Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt und den Apothekerverband Schleswig-Holstein, den Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller sowie die Unternehmen Bayer Vital, Boehringer Ingelheim, McNeil Pharma, Novartis Consumer Health und Procter & Gamble verhängt.

Die entsprechenden Bescheide sind noch nicht rechtskräftig. Die Betroffenen prüfen dem Vernehmen nach, ob sie innerhalb der 14-tägigen Einspruchsfrist Rechtsmittel gegen die Be-scheide einlegen werden.

Bußgelder gegen Hildesheimer Apotheker

Aber auch für Apotheken gilt das Kartell- und Wettbewerbsrecht, wie einige Apotheker aus dem Raum Hildesheim erfahren mussten. Gleichzeitig mit der Bußgeldentscheidung gegen die Landesapothekerverbände wurde bekannt, dass das Bundeskartellamt auch Bußgelder gegen acht Hildesheimer Apotheker verhängt hat.

Nach Darstellung des Bundeskartellamts haben Ende 2006/Anfang 2007 rund 50 Apotheken aus dem Raum Hildesheim mit gemeinsamen Preisen für ausgewählte, nicht rezeptpflichtige Arzneimittel geworben und damit gegen das Kartellverbot verstoßen. Hintergrund war, dass eine sog. Discount-Apotheke beabsichtigte, in Hildesheim eine Filiale zu errichten. Einige Hildesheimer Apotheker befürchteten, in Zukunft ebenfalls Preiswettbewerb ausgesetzt zu sein. Um dieser Gefahr vorzubeugen, schlossen sie sich zu einer Werbegemeinschaft zusam-men, die mit reduzierten, abgesprochenen Preisen für einzelne Arzneimittel warb. Auf diese Weise sollte der Markteintritt der Discount-Apotheke erschwert oder unmöglich gemacht und eine Ausweitung des Preiswettbewerbs zwischen den Hildesheimer Apotheken verhindert werden.

Den drei Apothekern, die die gemeinsame Werbeaktion initiiert hatten, wurden Bußgelder in Höhe von je 25.000 Euro auferlegt. Fünf weitere Apotheker, die ebenfalls aktiv beteiligt wa-ren, erhielten Bußgelder in Höhe von je 15.000 Euro. Verfahren gegen die weiteren beteiligten Apotheker wurden wegen deren geringen Tatbeitrags eingestellt. Die Wettbewerbsbeschränkung hatte zwar nur Auswirkungen in Niedersachsen; die Niedersächsische Landeskartellbehörde hatte das Verfahren an das Bundeskartellamt verwiesen.


Kommentar: Wettbewerb um jeden Preis


Das gefiel dem Bundeskartellamt sichtlich nicht: gemeinsame Preise mehrerer Apotheken für OTC-Arzneimittel. Solche gemeinsamen Preise hatte eine Apothekenwerbegemeinschaft in Hildesheim gemacht und beworben, um unliebsame Discount-Apothekenkonkurrenz abzuwehren. Bußgeldbescheid des Kartellamts: insgesamt 150.000 Euro.

Eine gemeinsame Preispolitik hatten nach Ansicht der Wettbewerbshüter auch einige Apothekerverbände, der Pharmaverband der Arzneimittel-Hersteller und einige Mitgliedsfirmen in Vortragsveranstaltungen nahegelegt. Auch das widerspricht dem Gedanken gegen Wettbewerb, so das Kartellamt. Die Folge für Apothekerverbände und Industrie: ein Bußgeldbescheid, der allerdings in den Augen des Kartellamts noch relativ glimpflich ausfiel (insgesamt 465.000 Euro), wenn man an die anderen Summen in Millionenhöhe denkt, die diese Behörde sonst gegen Firmen verhängt. Für Verbände und erst recht für Apotheker sind solche Bußgelder allerdings ein schmerzhafter Denkzettel.

Dabei war man sich, als die Razzien bei Verbänden liefen, doch so sicher, dass man sich nichts vorzuwerfen hatte. Die verhängten Bußgelder zeigen jedoch, dass unsere Wettbewerbswächter ein scharfes Auge darauf werfen, ob Preise abgesprochen werden oder nicht. Und dass der Spielraum der Definitionen, was als Absprache gilt, doch recht eng ist.

Unabhängig davon, ob die Betroffenen nun die Bußgelder akzeptieren oder Rechtsmittel dagegen einlegen: Man wird in Zukunft verstärkt respektieren müssen, dass unser Staat den Preiswettbewerb bei OTC-Arzneimitteln will, um jeden Preis. Es soll zum Wohle der Verbraucher sein. Sicher hat der Kartellamtspräsident Recht, wenn er davon ausgeht, dass sich „der Gedanke des Wettbewerbs bei den Apothekern und Arzneimittelherstellern noch nicht ausreichend durchgesetzt hat“. Andererseits muss er auch sehen, dass es einem Heilberufler eigentlich widerstrebt, Arzneimittel über den Preis zu vermarkten. Man könnte auch fragen: Sind die 20 Paracetamol-Tabletten für unter einem Euro gewollt? Was tut das Bundeskartellamt hier für die Volksgesundheit?

Andererseits müssen Wettbewerbsfanatiker in der Politik dann auch akzeptieren, dass Preise schon mal nach oben gehen können, wenn beispielsweise die Nachfrage groß ist oder das eine oder andere Präparat aus welchen Gründen auch immer mal knapper wird. Ein Blick auf den Markt der Strompreise zeigt, dass es dort ganz und gar nicht mehr so preisgünstig zugeht.

Auf die weitere Entwicklung kann man gespannt sein. In Zukunft also: Wettbewerb um jeden Preis? Sind die Bußgeldbescheide jetzt der Startschuss für ein Hauen und Stechen im OTC-Markt?


Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.