Gesundheitspolitik

Kassen sind Betrügern auf der Spur

Krankenkassen holen in Niedersachen über 7,5 Millionen Euro zurück

Berlin (ks). Nach der Barmer Ersatzkasse melden immer mehr Krankenkassen Erfolge im Kampf gegen Betrug und Manipulation im Gesundheitswesen. So konnten allein die niedersächsischen Kassen für die beiden vergangenen Jahre über 3,5 Millionen Euro an Einnahmen auf den Konten der gemeinsamen "Untersuchungsgruppe Falschabrechnungen" verbuchen. Weitere 4 Mio. Euro kamen aus Verfahren früherer Jahre hinzu. Die AOKs in Hessen und Berlin holten sich ebenfalls Millionen-Beträge zurück.

In Niedersachsen rechnen die Kassen in den nächsten Jahren mit weiteren Rückflüssen von schätzungsweise drei Millionen Euro. Von 1134 untersuchten neuen Fällen in den Jahren 2006/2007 hat die niedersächsische Untersuchungsgruppe bisher 417 abgeschlossen – 167 führten zu Ermittlungs- und/oder Strafverfahren mit teilweise mehrjährigen Haftstrafen. Ein Großteil der anderen Fälle werde sich erfahrungsgemäß noch über einen längeren Zeitraum hinziehen. Laut Brigitte Käser, AOK-Geschäftsführerin für den ambulanten Bereich, decken sie nahezu das gesamte Leistungsspektrum der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab, von der freiberuflich tätigen Hebamme bis zum großen Klinikum, vom Pharmaunternehmen bis zum Landarzt.

Arzneimittel-Betrügereien

Während im vorigen Berichtszeitraum 2004/2005 die Optiker den mit Abstand größten Schadenskomplex darstellten, waren die größten Schäden im aktuellen Berichtszeitraum im Bereich Arzneimittel zu verzeichnen. Der AOK zufolge werden sich erst in den kommenden Monaten zwei weitere Fallkonstellationen so verdichten, dass auch hier mit Rückflüssen zu rechnen ist: der Import und das Inverkehrbringen von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln und die Abrechnung der Substitutionstherapie Heroinabhängiger mit Methadon. Beide Sachverhalte hätten bundesweite Relevanz und könnten eine ähnliche oder sogar noch größere Dimension als seinerzeit die Falschabrechnungen durch Optiker erreichen.

Überdosis Methadon

Wolfgang Krause, Vorstand des Landesverbandes Nord der Innungskrankenkassen, betonte, dass auch die Qualität der medizinischen Versorgung unter den Betrugstaten leide und sogar Gefahr für Leib und Leben daraus entstehen könne. So hätten eine Reihe niedergelassener Ärzte Rezepte für unerklärlich große Mengen der Ersatzdroge Methadon ausgestellt, häufig das Zwei- bis Dreifache der normalen Höchstdosis. Die Patienten erhielten aber in Wirklichkeit deutlich geringere Tagesdosen. "Mit dieser Masche brachten sich die beteiligten Mediziner in den Besitz beträchtlicher Mengen der Substanz, die sie dann, völlig unkontrolliert, an andere Süchtige abgaben, zum Teil sogar gegen Bezahlung und außerhalb des Methadon-Programms", so Krause. Eine einzige Ärztin – sie ist inzwischen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt – verursachte allein beim abgerechneten Methadon einen Schaden von rund 120.000 Euro. Zu prüfen sei noch, ob einigen beliefernden Apothekern ebenfalls ein Vorwurf gemacht werden kann, weil sie die unerklärlich hohen Verordnungsmengen der Ersatzdroge hätten merken müssen.

Berlin: Apotheker müssen 380.000 Euro zurückzahlen

Auch die AOK Berlin holte sich zwischen November 2005 und Ende Oktober 2007 über eine Million Euro zurück. Hier mussten die Apotheker wegen ermittelter Abrechnungsmanipulationen mit rund 380.000 Euro am meisten zurückerstatten. "Nicht hinter jedem geäußerten Verdacht steckt tatsächlich ein Betrug", betonte Ralf Selle, Leiter der Berliner Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Der überwiegende Teil der Vertragspartner rechne korrekt ab. Durch die Abrechnungsmanipulationen gingen dem Gesundheitswesen allerdings Gelder in Millionenhöhe verloren, die für die Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen dringend benötigt werden. "Insofern schaden schwarze Schafe allen", so Selle. Die AOK Hessen konnte zwischen September 2005 und August 2007 Rückforderungen in Höhe von 2,2 Millionen Euro realisieren.

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