Wirtschaft

DAX lässt nicht locker

Ungewissheit über US-Automobilhilfen irritiert nur kurzfristig

(hps). Man kennt die Prozedur inzwischen nur zu gut: Eine schwächere Eröffnung in New York entlässt die Händler in Europa zunächst verzweifelt ins Wochenende. Die Amerikaner drehen dann aber im späten Handel ins Plus und schaffen damit für die nächste Woche neue Fakten. Wieder einmal ein Beweis dafür, dass es nur einen einzigen unabhängigen Markt gibt – die Wall Street.

Schlechte Nachrichten gab es in der letzten Woche wahrlich genug. Zu der steigenden US-Arbeitslosenrate gesellten sich täglich neue Hiobsbotschaften über neue Massenentlassungen. An der Börse wirklich übel aufgenommen wurde indes die Nachricht über das zunächst geplatzte Hilfspaket für die Autohersteller. Allerdings mussten die Bären gleich zu Beginn der letzten Börsenwoche kräftig zurückrudern, als der noch amtierende Präsident Bush den amerikanischen Automobilgiganten dann doch den Rettungsring zuwarf. Seitdem ist der DAX wieder auf Kurs Richtung 5000 Punkte.

Aus der Perspektive der Analysten – eine Zwischenbetrachtung

Nach dem neuerlichen Rückschlag beim DAX haben viele Analysten die Hoffnung auf eine Jahresendrallye aufgegeben. Die meisten Experten gehen jetzt davon aus, dass der DAX bis Jahresende in einer Spanne zwischen 4000 und 5000 Punkte pendeln wird. Dabei zeigt sich die Mehrheit schon zufrieden, wenn das Börsenbarometer sein derzeitiges Niveau bis zum Abpfiff halten kann.

Unterdessen werden zunehmend Zweifel an der Verlässlichkeit der Experten-Prognosen laut. Unter Verwendung von höchst komplexen Rechenmodellen bezifferten die Analysten noch zu Beginn des Jahres das Jahresendziel beim DAX auf durchschnittlich 8641 Punkte. Besonders ambitioniert zeigten sich dabei die WGZ-Bank und die Cominvest, die den DAX zum Jahresschluss 2008 bei rund 10.000 Punkten sahen. Knapp daneben. Verständlich, dass die Experten nach dieser peinlichen Fehleinschätzung momentan überaus vorsichtig agieren. Statt sich auf das Wagnis weiterer Prognosen einzulassen, bieten sie nun unterschiedliche "Szenarien" an, aus denen man sich dann das passende herauspicken darf. Wer es trotzdem gerne etwas präziser hätte, erfährt dann die Erleuchtung durch Aussagen wie: "Die weltweit wichtigsten Aktienmarktindizes werden 2009 auf höherem Niveau liegen als heute" – so ein Stratege der Cominvest. Dabei ist es allerdings ja auch nur folgerichtig, den Lenkern der Geldsammelstellen keine Jahresprognosen mehr abzuverlangen, wenn sie nicht einmal zu einer korrekten Wochenprognose imstande sind. Der Grund für dieses kollektive Versagen der Gilde dürfte in den durchweg vergangenheitsbezogenen Daten liegen, auf denen die Prognosen grundsätzlich beruhen. Daneben ist es aber vor allem dem abgestimmten Verhalten unter den Analysten zuzuschreiben, dass die diesjährigen Prognosen in einem Waterloo endeten. Die Experten meiden grundsätzlich das Risiko eines Fehlschlages, das ein Alleingang mit sich bringen würde. Lieber bewegen sie sich mit der Masse, in der man im Zweifelsfall dann auch gemeinsam baden gehen kann. Fazit: Diese Prognosen der Experten sind brauchbar, solange sich der Markt in eine Richtung bewegt. Dreht der Markt aber, sind ihre aufwendigen Rechenmodelle zum Scheitern verurteilt. Die mathematisch mühsam aufgearbeitete Datenfülle wird dann einfach aufgerieben zwischen den beiden Gegenpolen an der Börse: Euphorie und nackte Angst.

Aktien im Fokus und Zwischenbilanz

ThyssenKrupp ist per Schlusskurs vom Mittwoch (10. Dezember) mit 41% Plus glatt gestellt worden. Das Musterdepot weist inzwischen 24 Positionen auf. Davon sind bis jetzt zehn positiv aus dem Rennen gegangen, sechs bewegen sich in einer engen Marge zwischen +3 und –3 Prozent, während acht Positionen mit roten Vorzeichen notieren. Das Musterdepot war fast die gesamte Zeit über einer steifen Börsenbrise ausgesetzt. Ein derartiger Crash ereignet sich nicht alle Tage, insoweit geht die Performance wohl in Ordnung. Wir legen nun unser Depot über Weihnachten aufs "Trockendock", rüsten es mit neuen Strategien und Ambitionen aus, um dann im neuen Jahr wieder in die raue Börsensee stechen zu können.

DAX am 17. Dezember: 4717 Punkte.


Aus der Sicht des Querdenkers

Manöverkritik. Auf der Habenseite ist zu verbuchen, dass Sie als Leser und Anleger an dieser Stelle rechtzeitig auf den drohenden Niedergang hingewiesen wurden, Ihnen aber auch zur rechten Zeit zum Positionsaufbau geraten wurde, noch bevor der DAX die Richtung wechselte. Kritisch betrachtet waren indes die relativ wenigen Negativpositionen unnötig. Wenn man den Crash schon heraufziehen sieht, muss man eben auch das Depot konsequent räumen. Das ist hier nur mit einem Teil der Positionen geschehen. Aber mit dem Börsenwissen ist es wie mit einer Software: Sie wird stets verbessert, ist aber nie perfekt. Diese Verluste zeigen eben auch, wie übel es die Börse zwischenzeitlich erwischt hatte, so dass ich mit der Performance des Musterdepots am Ende doch erhobenen Hauptes das Parkett verlassen darf.

Der ganz überwiegende Teil der Investmentfonds hat dieses Jahr kläglich versagt. Verluste von 40 Prozent und mehr sind keine Seltenheit, womit die institutionellen Anleger fast ausnahmslos schlechter abschnitten als der DAX. Hätten Sie also relativ undifferenziert einfach ein paar DAX-Werte querbeet eingekauft, wären Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit besser weggekommen als mit einem Engagement in einem Investmentfonds. Dabei geht es hier nicht darum, Fonds generell madig zu machen. Aber abgesehen davon, dass man zwischenzeitlich schon "Fondspicker" bemühen soll, um den "richtigen Fonds" zu finden, muss man klaren Blickes die Funktion der institutionellen Anleger erkennen: Es sind Lemminge, die mit ihrem Herdentrieb das Geld in den Markt pumpen und die Kurse nach oben treiben. Der Trend wird aber in New York gesetzt. Selbst in Frankfurt dominieren die Anleger aus dem anglo-amerikanischen Raum das Parkett zu 50 Prozent. Den deutschen Fonds bleibt nur die Statistenrolle. Wenn dieser Herdentrieb einsetzt, müssen Sie die Aktien bereits besitzen. Wenn die Geldhäuser zum Kauf raten, müssen Sie sich langsam auf die Gegenseite bewegen. Und so schwierig das auch ist, macht es doch zumindest klar, dass das Sich-mit-der-Herde-bewegen schon rein logisch keinen Sinn macht.

Vor diesem Hintergrund kann ich Sie nur dazu ermutigen, die Dinge im kommenden Jahr wieder selbst in die Hand zu nehmen. Die Fonds schützen Sie nicht vor Verlusten. Ja, sie sind nicht einmal ein Garant dafür, dass Sie nur mit einem blauen Auge davon kommen. Werfen Sie nicht länger Ihr gutes Geld schlecht gemanagten Fonds hinterher, und natürlich: Werfen Sie ab und an einen Blick in die AZ!

Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten und ein erfolgreiches Börsenjahr 2009. Sie werden sehen, es wird viel besser, als es die Profis derzeit erwarten.


Peter Spermann

Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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