Wirtschaft

DAX: Zahltag!

US-Kreditkrise als Stolperstein

(hps). Sagen Sie nicht, man hätte Sie nicht gewarnt. Ein überaus problematisches wirtschaftliches Umfeld und eine Analystenschar, die unachtsam war und allen Fundamentaldaten zum Trotz in ihren Prognosen immer nur den Weg nach oben suchte – das war der ideale Nährboden für eine Baisse. Unterdessen rückt die Chance für einen Einstieg näher.

Da sind wir also, im vorhergesagten Korridor zwischen 6500 und 7000 Punkten. Die Experten lagen fast ausnahmslos falsch, was urplötzlich eine Menge Aktien auf den Markt brachte. Zeitpunkt und Ausmaß einer Erholung lassen sich derzeit nicht prognostizieren. Das Handelsblatt sieht in den hohen Umsätzen der letzten Tage ein Indiz für eine anstehende Erholungsphase. "Hoffnungslos überverkauft", so das Urteil der Düsseldorfer. Viele Aktien seien nun von den "zittrigen" in "sichere Hände" gewechselt. Wer bei derart schlechten Nachrichten Aktien kaufe, halte sie auch bei weiteren Negativmeldungen. Oder geht damit unter – möchte man anfügen. Tatsache ist, dass sich die Weltwirtschaft von dem ursprünglich rein amerikanischen Schlamassel nicht unbeeindruckt zeigt. Der Baltic Dry Index, der die weltweite Schiffsauslastung auf eine Skala bringt, ist seit Jahresbeginn um 20% gesunken. Und die US-Kreditkrise ist ein Problem, das so leicht nicht aus der Welt zu schaffen ist.

Viele Leute haben jetzt an der Börse eine Menge Geld verloren. Und infolge des schnellen Einbruchs werden noch viele die kurzfristigen Gewinne einer Kurserholung zur Liquidation ihrer noch bestehenden Positionen nutzen. Man sollte daher die anstehende Aufwärtskorrektur als Zuschauer begleiten. Erst der darauf folgende Rückschlag wird zeigen, ob die Tiefpunkte nochmals unterschritten werden – und wenn ja, ob dies mit hoher Dynamik geschieht oder nur noch unter geringen Tagesschwankungen. Letzteres wäre ein Indiz für eine Trendwende. Eine bestimmte Branche lässt sich momentan noch nicht favorisieren. Wie an dieser Stelle vorhergesagt, sind nun auch die "defensiven Werte" eingebrochen. Energieaktien leiden, weil eine mögliche Rezession in diesem Bereich zu weniger Nachfrage führt. Dies gilt auch – wenngleich in geringerem Umfang – für Chemie- und Pharmawerte. Beispielhaft ist auch der Absturz der Telekom. Von der Gewinnentwicklung her eher unterdurchschnittlich, setzten hier viele auf die in Aussicht gestellte Dividendenerhöhung. Aber am Ende ging auch dieser Titel den Weg alles Irdischen. Die Favoriten werden sich erst nach dem ersten Erholungsversuch herauskristallisieren. Dabei sollte es nicht darum gehen, die am meisten geschundenen Titel zu kaufen. Zu bevorzugen sind Aktien, die sich im Vergleich zum DAX besser geschlagen haben. Nach Lage der Dinge könnten dies die Pharmawerte sein.

Kursgewinne nur "technischer Natur"

Der Markt sei "überverkauft" und eine technische Erholung sei zu erwarten, so hört man derzeit häufig. Dahinter verbergen sich oft "Leerverkäufe" der Händler. Diese haben die Möglichkeit, Aktien zu einem festgelegten Preis zu verkaufen, die sie zum Zeitpunkt der vertraglichen Verpflichtung noch gar nicht besitzen. Die Händler spekulieren nun darauf, die Aktien zum späteren Erfüllungszeitpunkt billiger an der Börse erwerben zu können. Sie setzen also auf fallende Kurse. Spätestens dann müssen sich die Profis aber tatsächlich "eindecken", was dann die Kurse nach oben treibt. Diese Gewinne sind allerdings oft nur Zwischenerholungen. Eine Trendwende lässt sich daraus nicht unbedingt ableiten, weshalb Vorsicht geboten ist.

Chronik einer Fehleinschätzung

Ob als Ratsuchender oder nur so zum Vergnügen – die Marktanalysen der selbsternannten Profis zu lesen hat einen gewissen Unterhaltungswert. Beispielsweise die Empfehlungen von Herrn Müller, regelmäßig zu bestaunen in der Expertenrunde unter boerse.de. Herr Müller sei hier nur stellvertretend für viele andere Analysten genannt, die unter stabilen Börsenbedingungen eine Zeitlang richtig liegen, den Trendwechsel dann aber nicht einmal ansatzweise zu erkennen in der Lage sind. So erschien am 12. Dezember letzten Jahres Müllers 14-tägige Expertenkolumne unter der Headline: "Die Hausse wird sich beschleunigen". Der DAX notierte seiner Zeit bei 7830 Punkten. Dann, am 2. Januar – und offensichtlich unter dem Eindruck der steigenden Aktienmärkte – lautete die Schlagzeile: "2008 wird ein positives Jahr". Der DAX präsentierte sich damals mit 8097 Punkten. Danach gerieten die Märkte ins Wanken, der Start ins neue Jahr verlief alles andere als glücklich. Beim DAX-Stand von 7472 Punkten war dann am 16. Januar zu lesen: "Seien Sie mutig!" Dabei tat der Experte kund, er sei gerade wegen des misslungenen Start ins neue Jahr davon überzeugt, dass überraschende Ereignisse nur noch auf der positiven Seite zu finden sein könnten. "Ganz banal gefragt: Was soll eigentlich noch passieren?" lautete sein etwas hilfloser Kommentar. Das war denn wohl etwas zu banal.

Noch katastrophaler – weil es das Vertrauen in die deutschen Wirtschaftslenker endgültig erschüttert – ist der Insiderindex der Financial Times Deutschland. Dieser untersucht die Insiderkäufe der eigenen Unternehmensanteile deutscher und europäischer Topmanager. Die Idee dahinter: Kaufen die Manager ihre eigenen Aktien zurück (meldepflichtiger Vorgang), ist das als Kaufsignal für die Börse zu werten. Im Januar sprang der Index auf 96,5 von 100 erreichbaren Punkten. Ein wahrer Kaufrausch, den die Damen und Herren aus dem Management da beflügelte. Dieses Urvertrauen wurde allerdings ein wenig erschüttert, als bekannt wurde, dass sich die Vorstandsmitglieder der Hypo Real Estate (HRE) im September letzten Jahres in beachtlichem Umfang mit eigenen Aktien eindeckten. Der anstehende gewaltige Abschreibungsbedarf der HRE muss wohl am Management vorbeigegangen sein. Die Aktie knickte daraufhin im Januar mit einem 35%igen Tagesverlust ein. Es gibt übrigens auch Insiderzertifikate, die auf der Beobachtung der Insiderkäufe basieren. Nur für den Fall, dass Sie bei der vorsätzlichen Vernichtung des eigenen Vermögens nicht zügig genug vorankommen.

Fazit

Der DAX ist jetzt im Zielkorridor zwischen 6500 und 7000 Punkte. Jetzt heißt es ruhig bleiben und auspendeln lassen. Die Börse wird sich stabilisieren, es gibt keinen Grund für überstürztes Handeln. DAX am 23. Januar (16.00 h): 6530 Punkte.

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