Durch die Wettbewerbsbrille

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat per Gesetz den Auftrag, unsere wirtschaftliche Lage zu analysieren, zu erkennen, was sich derzeit dort abspielt, und vor dem Hintergrund seines volkswirtschaftlichen Wissens Vorschläge an die Politik zu machen. Gesundheitswesen und Arzneimittelmarkt werden dabei nicht ausgespart. Das Ergebnis fiel so aus, wie es bei Volkswirtschaftlern und Ökonomen ausfallen musste: Es fehlt in unserem Lande eine "wettbewerbsorientierte Distribution von Arzneimitteln", heißt es in dem jetzt vorgelegten Gutachten. Schuld daran sei das Fremd- und Mehrbesitzverbot – in den Augen der Ökonomen ein alter Zopf genauso wie die staatlich festgeschriebenen Arzneipreise, die bereits auf das Edikt von Salerno aus dem Jahr 1241 zurückgehen, wie die Volkswirtschaftler die Geschichte zitieren. Sie hoffen daher auf eine Liberalisierung durch das EuGH-Urteil, damit sich ein "fairer Wettbewerb der Vertriebskanäle" herausbilden kann. Die Politik sollte den Liberalisierungsprozess aktiv angehen, statt sich von der Politik in eine Liberalisierung der Vertriebskanäle treiben zu lassen.

Die Gutachter, gelernte Volkswirtschaftler, können nicht anders als auch den Arzneimittelmarkt durch ihre Wettbewerbsbrille zu sehen. Arzneimittel sind für sie nur eine Ware: die einen verkaufen sie auf dem Gesundheitsmarkt, die anderen kaufen sie. Und wie bei anderen Waren auch, ergeben sich im Weltbild der Volkswirtschaftler die besten und günstigsten Ergebnisse für die Marktwirtschaft, wenn Wettbewerb herrscht. Leider lassen sie in ihren Betrachtungen vollkommen außer Acht, dass es hier um Gesundheit und Krankheit geht, um Neben- und Wechselwirkungen, um Eingriffe am menschlichen Körper, mitunter um Leben und Tod. Der Arzneimittelmarkt ist nicht vergleichbar mit dem Strom- oder dem Telekommarkt. Und was passiert, wenn das Großkapital in einem Markt vertreten ist, zeigt die aktuelle Finanzkrise.

Ihrem aktuellen Gutachten haben die Sachverständigen die Überschrift gegeben "Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken". Der Arzneimittelmarkt steht – im Vergleich zum Finanzmarkt –fest und solide da. Vielleicht sollten sich die Experten fragen, warum dies so ist. Mit unserem Distributionssystem haben wir keine Krise, und der Markt ist stabil und wächst – auch mit Fremd- und Mehrbesitzverbot und ohne Apothekenketten.

Peter Ditzel

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