EuGH bestätigt deutsche Regelungen zur Arzneimittelversorgung von Kliniken

Berlin (ks). Die deutschen Bestimmungen zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern waren lange ein Zankapfel zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem Streit ein Ende gesetzt: Am 11. September entschieden die Luxemburger Richter, dass die streitigen Regelungen aus Gründen des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung als gerechtfertigt anzusehen sind.
Luxemburger Richter weisen Klage der EU-Kommission ab

Beim Thema Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern hat der deutsche Gesetzgeber Standvermögen gezeigt. Bereits im Jahr 2003 hatte die Kommission die einschlägigen Vorschriften im Apothekengesetz (ApoG) gerügt – damals galt noch ein ausdrückliches Regionalprinzip in der Krankenhausversorgung. Die Bestimmungen wurden aufgrund des Drucks aus Brüssel vom Parlament geändert. Allerdings recht vorsichtig. Für die Versorgung einer Klinik durch eine externe Apotheke wurden enge und kumulative Voraussetzungen festgeschrieben, die es de facto nur Apotheken in räumlicher Nähe zum Krankenhaus ermöglichten, mit diesem einen Versorgungsauftrag abzuschließen. Aus Sicht der Kommission behielt Deutschland damit sein Regionalprinzip in versteckter Weise bei. Für die Brüsseler Behörde wäre es kein Problem gewesen, die Standard- und die Notfallversorgung zu trennen und somit auch weiter vom Krankenhaus entfernten Apotheken die Möglichkeit für Vertragsabschlüsse einzuräumen. Doch die Bundesrepublik verteidigte ihre Position, die zeit- und ortsnahe Versorgung in einer Hand zu belassen – mit Erfolg.

Der EuGH wies nun die Klage der Kommission gegen Deutschland ab. Damit folgte es den Schlussanträgen des Generalanwalts Yves Bot – dem französischen Juristen, der auch im Fall des deutschen Fremdbesitzverbotes im kommenden Dezember die Schlussanträge stellen wird. In seinem Urteil führt der Gerichtshof aus, dass es sich bei den beanstandeten Regelungen des § 14 ApoG um Verkaufsmodalitäten handelt, die unter das in Art. 28 EG aufgestellte Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen fallen und damit den freien Warenverkehr in der Gemeinschaft beschränken. Zwar können Verkaufsmodalitäten nach der Rechtsprechung des EuGH unter bestimmten Voraussetzungen von diesem Verbot ausgenommen sein – doch diese seien vorliegend nicht gegeben. Vielmehr führten die streitigen Regelungen durchaus dazu, die Versorgung deutscher Krankenhäuser mit Arzneimitteln für Apotheken aus anderen Mitgliedstaaten schwieriger und kostspieliger zu gestalten als für deutsche Apotheken. Doch auch wenn die Richter zu dem Ergebnis kommen, dass § 14 ApoG geeignet ist den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, so ist die Norm in ihren Augen nach Art. 30 EG aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt.

… aber in gerechtfertigter Weise

Das Gericht erinnert daran, "dass unter den in Art. 30 EG geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den ersten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll". Da dieses Niveau sich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden könne, sei den Mitgliedstaaten ein entsprechender Beurteilungsspielraum zuzuerkennen. Der Umstand, dass ein Mitgliedsstaat Vorschriften erlässt, die weniger streng sind als die in einem anderen, bedeute nicht, dass Letztere unverhältnismäßig wären. Aus Sicht der Richter hat sich die Bundesrepublik bei ihrer Entscheidung, mit den streitigen engen Bestimmungen eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern durch externe Apotheken sicherstellen zu wollen, im Rahmen des Zulässigen gehalten. Die Regelungen seien geeignet und auch erforderlich, um das erstrebte Ziel zu erreichen. Ersteres wurde auch von der Kommission nicht bestritten. Was die Erforderlichkeit betrifft, so führen die Richter aus, dass es einem Krankenhaus frei stehe, sich für eine Arzneimittelversorgung durch eine interne oder eine externe Apotheke zu entscheiden. Die streitigen Bestimmungen übertrügen dabei die Anforderungen an das System der internen Versorgung auf das der externen Versorgung. In beiden Fällen sei es nötig, dass ein Apotheker für die Versorgung verantwortlich ist und zudem schnell vor Ort zur Verfügung stehen muss. Damit "stellen diese Bestimmungen die Gleichwertigkeit und Vereinbarkeit sämtlicher Bestandteile des Arzneimittelversorgungssystems für die Krankenhäuser in Deutschland sicher und garantieren somit die Einheit und das Gleichgewicht des Systems", heißt es im Urteil. Erwähnung findet auch, dass es für die Kliniken zusätzliche Kosten verursachen würde, wenn sie – wie von der Kommission vorgeschlagen – mehrere Apotheken vertraglich verpflichten würden, um unterschiedliche Aufgaben der Versorgung sicherzustellen. Auch wenn rein wirtschaftliche Ziele grundsätzlich nicht ausreichten, um eine Beschränkung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen, so sei es doch anerkannt, dass wirtschaftliche Interessen, die auf die Aufrechterhaltung einer ausgewogenen und allen zugänglichen medizinischen Versorgung gerichtet sind, eine Ausnahme darstellen können. So sorge die Finanzplanung der Kliniken dafür, dass eine Vergeudung von Geldern möglichst vermieden wird. Damit erweise sich § 14 ApoG unter diesen beiden Aspekten als erforderlich, um ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu erreichen.

Aufatmen in der Apothekerschaft

Seitens der deutschen Apothekerschaft wurde das Urteil begrüßt: "Dies ist ein guter Tag für die Klinikpatienten in Deutschland!" sagte Holger Hennig, Präsident des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA). "Wir sind sehr froh, dass der EuGH heute einmal mehr seine Unabhängigkeit bewiesen hat. Es war aus unserer Sicht schon erstaunlich, in welchem Maße sich die EU-Kommission durch interessierte Wirtschaftskreise instrumentalisieren lässt" erklärte ADKA-Geschäftsführer Klaus Tönne. Das von der Kommission eingeleitete Verfahren war seinerzeit auf Drängen einer großen deutschen Klinik-Betreibergesellschaft in Gang gesetzt worden. Dass dieser politische Angriff gegen das bewährte Versorgungsprinzip gescheitert ist, begrüßte auch der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA). Die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, freute es besonders, "dass der EuGH der Souveränität der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Arzneimittelversorgung offensichtlich mehr Bedeutung beimisst als die EU-Kommission"..

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