Kein Durchmarsch

Aufschlussreich – ja das war er, der Termin am 3.9.2008, beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Aber eine Prognose, ob das in vielen Ländern für die Organisation des Apothekenwesens konstitutive Fremdbesitzverbot europarechtlich zu Fall gebracht wird, wäre trotzdem gewagt. Es geht erkennbar nicht mehr nur um Deutschland und Italien, deren Apothekensysteme – vordergründig betrachtet – dort auf den Prüfstand gezerrt wurden. Immerhin gilt für mehr als 102.000 der 148.000 Apotheken in der EU das "Approbationsgebot": Die Besitzer sollen Fachleute, sie müssen deshalb Apotheker sein. Der Angriff, der heute auf die Apotheken zielt, kann morgen ähnlich die niedergelassenen Ärzte, Anwälte und die anderen freien Berufe treffen. Damit steht ein Element der europäischen Kultur zur Disposition.

Wird der EuGH eine Entscheidung fällen wollen, die es überall in Europa, trotz sehr unterschiedlicher Rahmenbedingungen in den Ländern, Kapitalgesellschaften und berufsfremden Personen ermöglicht, sich Apotheken anzueignen und zu betreiben? Müssen sich angestellte Apotheker künftig den Weisungen von berufsfremden Apothekenbetreibern beugen?

Die Gefahren, die dahinter lauern, wurden vor Gericht deutlich. Sie müssten dann eben durch zusätzliche Vorschriften gebändigt werden – sagen die Einen. Dazu wäre aber ein kompliziertes und kaum zu kontrollierendes Netz von neuen Regulierungen notwendig, in jedem Land wegen der unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen anders gestrickt. Bei Deutschland mit seiner Niederlassungsfreiheit gibt es z. B. anderes zu bedenken als in Ländern mit Konzessionssystem. Ein weites Feld: Sollte sich der EuGH dahin vorwagen wollen – zumal doch die "Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung" nach EU-Recht (Art. 152) "in vollem Umfang gewahrt" werden soll?

Bemerkenswert war, wie ungeniert die EU-Kommission auch vor den Richtern ihren Schulterschluss mit Celesio, mit der Celesio-Tochter DocMorris und mit dem saarländischen Justiz- und Gesundheitsministerium zur Schau gestellt hat. Mangels eigener Regelungskompetenz versuchte die Kommission den Europäischen Gerichtshof zu instrumentalisieren, um ganz im Sinne von Celesio das Fremdbesitzverbot zu Fall zu bringen. Ob diese Rechnung aufgeht, bleibt fraglich.

Klaus G. Brauer

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