"Nichts ist falscher, als gar nichts zu tun"

(bü). Jeder ist – bei Androhung von Strafe – zur Ersten Hilfe verpflichtet, wenn jemand in Not ist. Das ergibt sich aus dem Strafgesetzbuch, in dem die "unterlassene Hilfeleistung" behandelt wird – in der Theorie. Aber wie sieht die Praxis aus?
Aus "Erster Hilfe" kann keine "unterlassene Hilfeleistung" werden

Bei "Ersthelfern" herrscht oft große Unsicherheit bei der Frage nach der Verpflichtung zur Hilfeleistung sowie nach der Haftung bei Schäden oder bei Fehlern in der Anwendung der Ersten Hilfe. Dabei sind zwei Bereiche zu unterscheiden: Zum einen geht es um strafrechtliche Nachwirkungen, die das "Tun oder Unterlassen" haben können. Zum anderen ist zivilrechtlich zu klären, ob der (Nicht-)Helfer dem Opfer gegenüber schadenersatzpflichtig ist und ob (und gegen wen) er Ansprüche auf Erstattung eigener Aufwendungen haben kann. Letzteres jedenfalls wird von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Dazu zählen beispielsweise die Kosten für einen verschmutzten Mantel, der einem Verletzten untergelegt wurde, oder die Arzt- und Behandlungskosten für einen verletzten Helfer.

Das Bayerische Landessozialgericht musste folgenden Fall beurteilen: Eine Autofahrerin hatte einen Unfall am Straßenrand bemerkt und wollte anhalten, um Hilfe zu leisten. Dabei kam sie bei Glatteis von der Straße ab, überschlug sich und verletzte sich schwer. Die Frage war nun, ob sie Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hatte. Das Gericht: Weil sie bereits "mit einer Handlung begonnen hatte, die einer Hilfeleistung dienen sollte" (= sie wollte anhalten), muss die gesetzliche Unfallversicherung zahlen. (Az.: L 2 U 256/02)

Das Strafgesetzbuch sagt Folgendes: "Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft." Bei einer Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung drohen also Geld- oder Freiheitsstrafen, die vom Gericht – je nach Schwere des Vergehens – festgesetzt werden.

Bereits in der Straßenverkehrsordnung steht, dass sich jeder Unfallbeteiligte "über die Unfallfolgen zu vergewissern und Verletzten zu helfen hat". Dabei reicht es unter Umständen aus, den Notruf der Polizei, der Feuerwehr oder des Rettungsdienstes anzurufen. Häufig dauert es aber, bis die professionellen Helfer eintreffen, was zur Folge haben kann, dass – werden nicht sofort lebensrettende Maßnahmen durchgeführt – (Schwer-)Verletzte bleibende Schäden davontragen oder sogar sterben.

Gesetzesverstoß aus "Angst, etwas falsch zu machen"

Die Sprecher von Hilfsorganisationen (wie zum Beispiel des Deutschen Roten Kreuzes oder der Johanniter-Unfall-Hilfe) weisen darauf hin, dass im Ernstfall meist nur deswegen und unbewusst gegen das Gesetz verstoßen wird, weil die Bürger "Angst haben, etwas falsch zu machen". Sie appellieren an die Bevölkerung, dass "nichts falscher ist, als gar nichts zu tun". Die regelmäßige Auffrischung des Erste-Hilfe-Kurses, den die meisten Autofahrer letztmals beim Erwerb des Führerscheins absolviert haben, würde da Abhilfe schaffen.

Was ist bei Fehlalarm oder falschem Alarm?

Für "falschen" Alarm können Helfer nur dann zur Rechenschaft gezogen werden, wenn nachgewiesen wird, dass ein Notruf vorsätzlich oder grob fahrlässig abgegeben wurde. Wenn Helfer in guter Absicht Rettungsmittel anfordern, die nicht benötigt werden, können sie auf keinen Fall für die Kosten herangezogen werden.

Eine "unklare Notlage" liegt vor, wenn es der – einen Notruf empfangenden – Rettungsleitstelle trotz intensiver Rückfragen nicht möglich ist, exakt festzustellen, ob tatsächlich eine Notlage vorliegt oder nicht. In dieser Situation muss ein Mitarbeiter "zur Abklärung des Sachverhalts, insbesondere zur Prüfung, ob tatsächlich ein lebensbedrohlicher Zustand vorliegt", einen Krankenwagen entsenden. Tut er das nicht, so kann er wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Haftstrafe verurteilt werden. Hier ging der Zentralenleiter davon aus, der Anrufer sei "nur betrunken" gewesen, was sich als fataler Irrtum herausstellte. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. (Amtsgericht Stendal, 21 Ls 301 Js 982/07)

Wenn in der Aufregung eine Erste-Hilfe-Maßnahme nicht gelingt, kann ein Laienhelfer dafür nicht strafrechtlich belangt werden..

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