Patent verletzen oder Arzneimittel verschenken?

Apotheker im rechtlichen Dilemma

HAMBURG (tmb). Die für Apotheker bedrohliche Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit dem Betablocker Nebivolol treibt die praktischen Probleme bei der Umsetzung der Rabattverträge auf die Spitze. Dies macht exemplarisch den alltäglichen Kampf der Apotheke gegen die Folgen widersprüchlicher Regelungen deutlich. Das war die zentrale Botschaft des fünften Treffpunktes Apothekerhaus der Hamburger Apotheker am 14. Juli.

Vor zahlreichen Gästen aus Politik und Medien berichtete Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, aus dem Alltag der deutschen Apotheken und konzentrierte sich dabei auf den Problemfall Nebivolol. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe den Betablocker in eine Festbetragsgruppe eingeordnet. Generikahersteller hätten in Erwartung eines Wegfalls des Patents Nachahmerprodukte hergestellt und würden die Ärzte nun zur Verordnung auffordern. Zwar habe das Patentgericht gegen die Gültigkeit des Patents entschieden, doch sei diese Entscheidung nicht rechtskräftig, weil der Bundesgerichtshof als Berufungsinstanz angerufen worden sei. Bei dem Patentstreit geht es um unterschiedliche Rechtsauffassungen über den Innovationscharakter stereochemischer Aspekte.

Zuspitzung durch Rabattverträge

Der Verstoß gegen ein Patent sei ein Offizialdelikt, das von Staatsanwaltschaften ohne Anzeige verfolgt werden müsse. Bei Verletzungen des Patentrechts drohe den Apothekern sogar eine Gefängnisstrafe. Patienten würden hingegen auf die Verordnung der Generika drängen, um die erhebliche Aufzahlung gegenüber dem Festbetrag zu sparen. Eine weitere Verschärfung des Problems ergebe sich aus den Rabattverträgen über Nebivolol-Generika. Die Apotheker würden von den Krankenkassen zum strafbewährten Verstoß gegen das Patent aufgefordert und es droht bei Rezepten zulasten der betreffenden Krankenkassen sogar eine Retaxation der Rezepte auf null, wenn das Originalpräparat abgegeben wird. Die Krankenkassen würden sich bei solchen Null-Retaxationen auf ein vor Jahren in einem ganz anderen Zusammenhang ergangenes Urteil des Bundessozialgerichts stützen.

So stünden die Apotheker "zwischen Baum und Borke". Doch einen Musterprozess gebe es bisher nicht. In den Apotheken würden solche Widersprüche ein fürchterliches und groteskes Durcheinander schaffen. Wenn ein Kunde mit einem Rezept drohe, gehe er schon lieber in die hinteren Apothekenräume, um nichts falsch zu machen, meinte Graue als Reaktion auf das Dilemma. Ihm liege sogar ein Rezept vor, auf dem ein Arzt Nebivolol als Ärztemuster verordnet habe.

Hilfe aus der Politik?

Der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen zeigte sich entsetzt über diese Situation und kündigte an, dies auf politischer Ebene zu thematisieren. Auch viele weitere Gespräche während des Sommerfestes wurden von dieser Problematik geprägt. In FDP-Kreisen wurde beklagt, dass zu differenzierte staatliche Regelungen immer wieder Korrekturen der Fehlentwicklungen auf der Detailebene erfordern. Besser seien dagegen allgemeine wettbewerbliche Lösungen.

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