Totengräber

Nicht nur Pharmagroßhandlungen mit Hang zur Kette, Drogeriemarktketten, Lebensmittelkonzerne, Apotheken-Franchisesysteme und die Europapolitik wollen unserem bewährten Apothekensystem an den Kragen. Auch ausländische Konzerne schielen auf den 38 Milliarden schweren deutschen Arzneimittelmarkt und wollen sich ein großes Stück dieser Torte sichern. Unter der Überschrift "Totengräber des Apothekers" berichtete das "Handelsblatt" in der letzten Woche über den US-Pharmahändler Medco. Noch nie gehört? Noch nicht. Aber das könnte sich bald ändern. Der Konzern Medco Health Solutions (s. S. 8 in dieser Ausgabe) ist als Arzneimitteleinkäufer und -versender mit 45 Milliarden Dollar Umsatz Marktführer im US-amerikanischen Pharmamarkt. Er hat für rund 120 Millionen Dollar die Mehrheit an der niederländischen Versandapotheke Europa-Apotheek übernommen und steht damit bereits ante portas. Und Fühler sind bereits nach Deutschland ausgestreckt, nämlich über die Zusammenarbeit der Europa-Apotheek mit der Drogeriemarktkette dm. Die Abholpunkte im Dromarkt sind bis jetzt noch kein Renner: die Aufgabe der Bestellung gestaltet sich recht umständlich und die Lieferzeit ist mit zwei bis drei Tagen lang. Doch preisliche Vorteile und Bonusgutscheine locken Sparfüchse.

Medco sieht diesen Erwerb als logische Entwicklung in der internationalen Beteiligungsstrategie des Konzerns. Und ohne Umschweife gibt er auch zu, dass Deutschland als einer der am schnellsten wachsenden Märkte für Arzneimittel in Europa besonders interessant ist.

Was kommt da auf uns zu? Könnte Medco tatsächlich zum Totengräber der deutschen Apotheker werden? Schwer zu sagen. Auch hier hängt viel von der europäischen Rechtsprechung ab, wie sie mit dem deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbot umgeht. Solange dieses Verbot besteht, kann auch Medco in Deutschland nicht aktiv werden. Das Versandhandelsgeschäft mit Arzneimitteln ist einer neuesten Infratest-Erhebung zufolge rückläufig. Es bestehen zudem reelle Chancen (mit starker Unterstützung aus der Politik), die Pick-up-Stellen in Drogeriemärkten wegzubekommen. Als "Pharmaceutical Benefit Manager" tätig zu werden, der im Auftrag der Kassen Arzneimittel einkauft und an Patienten versendet – das ist in unserem heutigen System (noch) nicht möglich. Bevor hier ein Schreckgespenst aufgebaut wird, sollten wir aufpassen, dass wir uns nicht selber das Grab schaufeln – durch mangelhafte Leistungen (siehe "test").

Peter Ditzel

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