DAX: Zeit zum Umdenken

(hps). Der DAX feierte letzten Dienstag seinen 20. Geburtstag. Doch nach Feiern war den Investoren nicht zumute. Der Margendruck der Unternehmen und die inflationären Tendenzen der haussierenden Ölmärkte spiegeln sich nun in den Kurslisten der deutschen Blue Chips wider. Nun dreht der DAX am unteren Ende seines Rückfallpotenzials seine üblichen Pirouetten.
Pessimismus-Orgie in Sachen Öl

Die steigenden Energiepreise werden zweifelsohne auch Spuren in den Quartalsberichten der großen DAX-Unternehmen hinterlassen. Die Frage ist nur: Inwieweit ist dies im heutigen Kursgeschehen bereits eingepreist? "Kaum" scheint darauf die Antwort der Profis zu lauten, denn für den DAX gab es phasenweise kein Halten mehr. Bei den Verantwortlichen glühen jetzt die Taschenrechner: Bislang galt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 bei deutschen Aktien als recht günstig. Aber andererseits: Wenn die Gewinnentwicklung jetzt unsicher wird, ja dann?

Da stehen sie nun, unsere Helden der Finanzszene. Ewig lang haben sich die Profis unter dem Gerede der US-Notenbank über die niedrige "Kerninflation" sorglos gegeben. Sich erfreut an der Mär, die schwankungsfreudigen Energie- und Nahrungsmittelpreise könne man getrost unberücksichtigt lassen, denn die würden sich schließlich ja auch wieder beruhigen. Argument: War bisher immer so.

Preise werden heute global festgesetzt, die Unzulänglichkeiten in der Anlageberatungsszene scheint allerdings eine deutsche Domäne zu bleiben. Haben die Damen und Herren Fondsmanager diesen Stuss von der Kerninflation denn wirklich geglaubt? Oder wollten sie damit nur ihre Anlegerschaft ruhig stellen? Vor voreiligen Schlüssen sei indes gewarnt, denn wer hinter diesem Verhalten bösen Willen vermutet, denkt nicht nur Böses – er unterstellt den Profis besseres Wissen – und das will nun wirklich gut überlegt sein.

Seis drum: Das Sorgenkind der Börse heißt Öl. Und die Ölnotierungen wiederum werden durch die Dollarschwäche gesteuert. Nur: Das aktuelle Bewertungsniveau von ca. 1,60 Dollar macht den Euro zur Luxusanlage. Bliebe es also bei der engen Bindung zwischen Dollar und Öl, müsste der Euro in naher Zukunft bei 2 Dollar notieren, sollten sich die Prognosen von 170 bis 200 Dollar pro Barrel Öl bewahrheiten. Das wäre dann wirklich Unsinn.

So lautet das wahrscheinlichste Szenario: Sowohl Euro als auch das Öl können sich auf dem aktuellen Bewertungsniveau nicht behaupten und setzen zur Korrektur an (die maßgebliche Linie zwischen Gut und Böse dürfte beim Euro bei 1,55 liegen). Gleichzeitig sind allerdings rückläufige Gewinnprognosen bei den Blue Chips zu befürchten. Da aber der DAX inzwischen deutlich abgestraft wurde und niedrigere Öl- und Euronotierungen die Zukunft an der Börse rosiger erscheinen lassen, kommt es zu der überfälligen Erholung mit Kursziel 6800 Punkte. Danach wird neu verhandelt.

Am Ölmarkt hält OPEC-Chef Chelil 170 Dollar pro Barrel für möglich. Ja sogar 200, 300 oder gar 400 Dollar seien denkbar, falls es zu einem Angriff auf den Iran kommt. Nach dieser Aussage brachen die Weltbörsen ein – was Herrn Chelil von seinen weiß gewandeten Kollegen wohl auch kritische Töne eingebracht haben dürfte. Ähnlich schwarzmalerisch die Stimmung beim Dollar. Wegen der drohenden Zinserhöhung durch die EZB seien hier neue Höchststände in Sicht – sagt man. Entsprechend schlecht ist die Laune am Aktienparkett. In den USA sieht man den Dow Jones schon kurz vor dem Bärenmarkt.

Bei dieser Pessimismus-Orgie in Sachen Öl wird indes leicht übersehen, dass Spekulanten grundsätzlich nur solange an ihrer Wette festhalten, soweit sich diese für sie nicht zum Bumerang entwickelt. Denn sind die Preise erst einmal überzogen, wirkt sich dies am Ende auch schädlich auf die Nachfrage nach dem eigenen Spekulationsgut aus – die Blase platzt.

"Vermeiden Sie auf jeden Fall den Dollar, kaufen Sie Rohstoffe" – tönt es da von Jim Rogers. Mit dieser Meinung steht der viel beachtete US-Hedgefondsmanager nicht alleine da. Die Dollarschwäche wird nach herrschender Marktmeinung als treibende Kraft hinter der Öl-Hausse gesehen. Nur: Warum kann dann der Euro in letzter Zeit nur noch marginale Zuwächse gegenüber dem Dollar erzielen? Gehen Dollar und Öl nun getrennte Wege? Oder bahnt sich da eine Korrektur bei den Rohstoffen an?

Letzteres dürfte der Fall sein. Auch wenn man langfristig positiv für Rohstoffe gestimmt sein darf, scheint sich auf kurze Sicht ein Rücksetzer anzubahnen. So dürfte die Nachfrage nach Öl sinken. Alleine Continental Airlines zieht infolge des Kerosinschocks fast 70 Flugzeuge komplett aus dem Verkehr. Andere Gesellschaften legen Strecken still. Bei anderen Rohstoffen wie z. B. Kupfer haben selbst die Chinesen preisbedingt ihren Import um fast 20% zurückgefahren. Gleichzeitig erhöhen Rohstoffproduzenten weltweit die Förderung.

Die Rohstoffhausse basierte bislang ganz wesentlich auf der Hoffnung der Anleger, in diesem Segment höhere Gewinne als bei Aktien oder Anleihen zu erzielen. Tatsächlich stieg der Bloomberg Rohstoffindex in diesem Jahr um 32 Prozent, während der amerikanische Standard & Poors Aktienindex um 13 Prozent zurückfiel. Aber die Wende bahnt sich bereits an. Im zweiten Quartal flossen europäischen Rohstoffanlagen im Vergleich zum Vorquartal laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg bereits 58 Prozent weniger Kapital zu.

Strategie

6800 bzw. bis 7000 Punkte mit Rückenwind sind dem DAX in der Erholungsphase zuzutrauen. Dies stellt eine Kurskorrektur innerhalb des Abwärtstrends dar, nicht aber unbedingt schon die Wende zum Besseren. Dabei sollten insbesondere die fundamental starken Adidas (38,80) überzeugen, Allianz (108,80), weil sie bald den Bremsklotz Dresdner Bank los haben wird und Commerzbank (18,85) wegen der Übernahmephantasie und guter charttechnischer Ausgangslage. DAX vom 2. Juli (Schluss): 6305 Punkte..

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