FDP und Linke wollen Arzneiversand einschränken

Berlin (ks). Sowohl die FDP-Bundestagsfraktion als auch die Linksfraktion haben am 26. Juni jeweils einen Antrag zur Einschränkung des Arzneimittelversandhandels ins Plenum des Bundestages eingebracht. Die FDP fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, "umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Abgabe von Arzneimitteln über Abholstellen, wie es zurzeit z. B. von Drogeriemärkten angeboten wird, unterbindet". Die Linksfraktion geht noch weiter: Sie spricht sich dafür aus, den Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu begrenzen. Union und SPD signalisierten Gesprächsbereitschaft.

Opposition bringt Anträge ins Plenum ein – Debatte fand jedoch nur schriftlich statt

Die FDP-Fraktion führt in ihrer Antragsbegründung aus, dass die seit 2004 geltende gesetzliche Regelung zum Arzneimittelversandhandel entgegen der Intention des Gesetzgebers so ausgelegt werden kann, dass die Abgabe von Arzneimitteln über sogenannte Abholstellen – etwa in Drogeriemärkten – möglich ist. Dies habe das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Kooperation des dm-Drogeriemarkts mit der Europa Apotheek Venlo vom 13. März 2008 gezeigt. Danach setzt der Begriff des Versandes in der gegenwärtigen Gesetzesfassung nicht voraus, dass die Ware individuell an die Anschrift des Empfängers zugestellt wird. Die Richter sehen vielmehr auch die Auslieferung über eine Abholstation mit umfasst. Damit wird der Bestell- und Abholservice für Arzneimittel unter bestimmten Bedingungen zugelassen. Und das, so betonen die Liberalen, obwohl das Bundesverwaltungsgericht selbst feststellt hat, dass der Gesetzgeber von dem "klassischen" Versandhandelsmodell mit individueller Zustellung ausgegangen sein dürfte, er seine Regelung jedoch nicht auf dieses Modell beschränkt hat. Damit sei es nach geltender Rechtslage möglich, dass anstelle des Apothekers zukünftig auch z. B. Kioskbetreiber oder Tankwarte unkontrolliert Rezepte einsammeln und die bestellten Arzneimittel ausgeben können. Eine sachgemäße Behandlung und Lagerung ist damit aus Sicht der FDP-Fraktion nicht gewährleistet. Problematisch sei zudem, dass die Abgabestellen zum Teil Gutscheine für ihren eigentlichen Geschäftsbetrieb ausstellen, wenn Patienten Arzneimittel über sie beziehen. Damit schwinde "das Bewusstsein dafür, dass es sich bei Arzneimitteln um ein ganz spezielles Gut handelt, das mit Nebenwirkungen verbunden ist und bei dem eine sorglose Ausweitung des Konsums auf jeden Fall verhindert werden muss". Daraus folgern die Liberalen zwar nicht, dass der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln wieder verboten werden müsse. Wohl aber halten sie es für notwendig, gesetzlich klarzustellen, "dass ein Versand von Arzneimitteln nur aus Apotheken durch Apotheken selbst oder von diesen beauftragte Transportunternehmen unmittelbar an den Endverbraucher zulässig ist". So werde den Anforderungen an die Arzneimittelsicherheit Rechnung getragen und ein Aufweichen des Bewusstseins, dass Arzneimittel ganz besondere Güter sind, vermieden, ohne die Berufsfreiheit unangemessen einzuschränken. Ein solches Verbot des Arzneimittelversandes nach dem "Abholkonzept" würde zwar in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Apotheker und der Abholstellenbetreiber eingreifen – ein solcher Eingriff wäre nach Auffassung der Fraktion jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Auch im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht sehen sie keine Probleme.

Die Linksfraktion will den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln hingegen ganz unterbinden. "Meine Fraktion will eine patientennahe, sichere und rasche Arzneimittelversorgung auf lange Sicht flächendeckend sicherstellen", erklärte Dr. Martina Bunge, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, gegenüber der AZ. Die unabhängige und umfassende Beratung in den öffentlichen Apotheken solle daher weiter ausgebaut und die Rolle der Apotheker als Heilberufler weiter gestärkt werden. "Die Beschränkung des Versandhandels auf rezeptfreie Arzneimittel kann unseres Erachtens hierzu einen wichtigen Beitrag liefern", so Bunge. In dem Antrag der Linksfraktion wird weiterhin ausgeführt, dass auch die "alarmierend hohe Zahl medikamentenabhängiger Menschen" nicht eine Erleichterung des Zugangs zu Arzneimitteln verlange, sondern vielmehr den Ausbau der Beratung vor Ort. Daher solle der Bundestag die Bundesregierung auffordern, "umgehend rechtliche Regelungen zu schaffen, die den Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel begrenzen".

Zu einer parlamentarischen Debatte kam es am vergangenen Donnerstag allerdings nicht. Die beiden Anträge wurden erst nach 22.30 Uhr aufgerufen; die Reden gingen lediglich zu Protokoll. Für die CDU äußerte sich Wolf Bauer – selbst Apotheker – schriftlich zu Wort. Auch er sieht die Auswüchse des Versandhandels nach dem dm-Urteil kritisch. Damit man sich über die Konsequenzen ausreichend Klarheit verschaffen könne, hält er es für "erforderlich, die in den Initiativen angesprochenen Handlungsoptionen genau zu prüfen und zu bewerten". In einem solchen Prozess befinde sich die Unionsfraktion derzeit – erst wenn dieser abgeschlossen sei, könne man sich auf eine Handlungsoption festlegen, so Bauer. Für die SPD-Fraktion gab Marlies Volkmer, die sich zuvor bereits für ein Versandverbot von rezeptpflichtigen Arzneien ausgespochen hatte, ihre Rede zu Protokoll. Nunmehr gibt sie sich zurückhaltender und kritisiert den Antrag der Linken als zu schlecht begründet. Dennoch meint auch Volkmer, dass in der anstehenden parlamentarischen Debatte alle Wege zu prüfen seien, wie eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung sichergestellt werden kann. Biggi Bender von den Grünen hält erwartungsgemäß nichts von einem Versandverbot für Rx-Arzneien. Es sei "illusorisch", anzunehmen ein Verbot könne wirksam vor Arzneimittelfälschungen schützen. Allerdings hat Bender offenbar Sympathien für den FDP-Antrag. Zwar glaubt sie nicht, dass Pick-up-Stellen die Arzneimittelsicherheit unmittelbar gefährden. "Allerdings muss vermieden werden, dass ein solcher Abholservice zum Türöffner für die Aufhebung der Apothekenpflicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wird", so Bender. Einen überall möglichen Verkauf rezeptfreier Arzneimittel hält sie "mit Blick auf die Risiken des Arzneimittelkonsums für falsch". Auch der Gesundheits-Staatssekretär Rolf Schwanitz äußerte sich zu Protokoll. Er betont erneut, dass das Ministerium keine Gründe sieht, die bestehenden Regelungen zu ändern. Eine Begrenzung des Versandhandels auf rezeptpflichtige Arzneien würde vielmehr den illegalen Versandhandel noch bestärken.

Die Anträge wurden zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Dort ist jedoch bereits die Sommerpause eingeläutet – erst im September wird hier die Arbeit fortgesetzt. Sobald es die Anträge auf die Tagesordnung des Gesundheitsausschusses geschafft haben, kann eine öffentliche Anhörung beantragt werden. Damit ist es durchaus denkbar, dass es noch bis zum Jahresende dauern wird, bis tatsächlich eine fachliche Diskussion zur Begrenzung des Arzneimittelversandes im Bundestag stattfindet. Daneben wird die Initiative Bayerns und Sachsens im Bundesrat voran gebracht: Am 4. Juli wird sich die Länderkammer mit den Anträgen der Bundesländer für ein Verbot des Rx-Versandhandels befassen – allerdings werden auch diese dann zunächst in die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates überwiesen und erst nach der Sommerpause weiter beraten..

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