Steiniger Weg zum Gesundheitsfonds

Berlin (ks). Die Debatte um den Gesundheitsfonds nimmt kein Ende. Nachdem vergangene Woche der wissenschaftliche Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs beim Bundesversicherungsamt (BVA) geschlossen zurückgetreten ist, sieht die Opposition einen Grund mehr, auf den Fonds zu verzichten. Bundesgesundheitsministerium (BMG) und das BVA sehen durch den Rücktritt aber keine Gefahr für den Fonds.

Wissenschaftlicher Beirat zur Erarbeitung des Morbi-RSA zurückgetreten

Offizielle und erhellende Erläuterungen zu dem überraschenden Rücktritt waren in der letzten Woche nicht zu vernehmen. Das Gremium habe dem BMG seine Entscheidung in einem kurzen Schreiben ohne Angabe von Gründen mitgeteilt, berichtete das "Handelsblatt". Offenbar gab es Meinungsunterschiede zwischen den Wissenschaftlern im Beirat sowie dem Ministerium und dem BVA über die Umsetzung des neuen Finanzausgleichs ("Morbi-RSA"), der den für das kommende Jahr geplanten Gesundheitsfonds flankieren soll. Der Vorsitzende des sechsköpfigen BVA-Beirats, Prof. Gerd Glaeske, sagte der dpa, bei den Vorbereitungen des Konzepts sei der "Spagat zwischen Rechtssicherheit und politischen Zielen einerseits und wissenschaftlicher Begründbarkeit andererseits" immer größer geworden.

Das Expertengremium war vor einem knappen Jahr vom BMG eingerichtet worden, um die Grundlagen des "Morbi-RSA" zu erarbeiten. Dieser soll dafür sorgen, dass das durch den Fonds an die Kassen verteilte Geld dem tatsächlichen Versorgungsbedarf folgt. Neben einer Grundpauschale sollen die Kassen ab dem kommenden Jahr sogenannte risikoangepasste Zuschläge erhalten, die die Morbidität der Versicherten berücksichtigen. Im Januar hatten die Wissenschaftler ihr Gutachten zur Weiterentwicklung des RSA vorgelegt. Darin wurden 80 Krankheiten aufgeführt, deren Belastungen nach Auffassung des Beirates im Finanzausgleich berücksichtigt werden sollen. Die Kassen hatten sich im anschließenden Stellungnahmeverfahren kritisch zu den Vorschlägen des Beirats geäußert. Im BMG war man offenbar ebenfalls nicht mit den Vorarbeiten des Beirats einverstanden. Das Gutachten habe in mehreren Punkten nicht geltendem Recht entsprochen, hieß es. Einzelheiten waren jedoch weder vom Ministerium noch vom BVA zu erfahren. Dafür sind BMG und BVA einer Meinung, dass auch der Rücktritt der Wissenschaftler den Fonds nicht gefährden kann. Am Zeitplan werde sich nichts ändern, ließen beide Häuser verlauten. Der Finanzausgleich soll auch ohne den Beirat zum 1. Juli fertiggestellt sein. Das BVA will nun selbst Veränderungen an der Krankheitenliste vornehmen.

Doch andere sind skeptischer: "Der Rücktritt des Beirats zeigt, dass es noch ein steiniger Weg ist, bis alle Voraussetzungen für den Morbi-RSA geschaffen sind", sagte etwa die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) dem "Handelsblatt". Ohne einen fachlich sauber ausgearbeiteten Morbi-RSA sei der Gesundheitsfonds ein Torso und werde nicht zum 1. Januar 2009 in Kraft treten können. Auch bei den Krankenkassen äußerte man sich zweifelnd, ob der Zeitplan für den Fonds noch zu halten ist. Selbst wenn das BVA nun die Arbeiten in eigener Regie übernehme, werde eine Verzögerung unvermeidlich sein, hieß es beim BKK-Bundesverband. Auch beim IKK-Bundesverband sieht man die Zeit gekommen, die Terminplanung für den Morbi-RSA und damit auch für den Gesundheitsfonds zu überdenken. Der neue Finanzausgleich sei grundlegend für die künftige Finanzierung der Kassen und für ein transparentes und sorgfältiges Vorgehen daher dringend nötig.

Für die Fonds-kritische Opposition ist der Rücktritt ein gefundenes Fressen: "Statt an einem immer weiter abgenagten Torso des Gesundheitsfonds mit aller Kraft festzuhalten, sollte die Regierung die Chance ergreifen und endlich die Notbremse ziehen: Der Gesundheitsfonds muss weg", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender. Ihr FDP-Kollege Daniel Bahr zollte der Entscheidung des Beirats Respekt: Die Wissenschaftler weigerten sich zu Recht, "als Feigenblatt für politische Umverteilungsentscheidungen herzuhalten". Das BMG habe offensichtlich mehrfach versucht, die Vorschläge des Beirats politisch zu beeinflussen. Für Bahr ist es "ein Skandal", wenn das BVA nun nach Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums darüber entscheiden sollte, wie die Kassen-Milliarden jährlich verteilt werden. .

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