DAZ aktuell

Arzneimittelzulassung

Ökotox-Bewertung kommt

FRANKFURT (hb). Am 1. Dezember 2006 ist die europäische Leitlinie zur Umweltbewertung von Arzneimitteln in Kraft getreten. Mit ihr wird eine Forderung im Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens konkretisiert, die mit der 14. AMG-Novelle im August 2005 Eingang in das Gesetz gefunden hatte (§ 22 Abs. 3c Satz 1 e) und nun in der Breite angewendet werden soll. Bei einer Veranstaltung von Colloquium Pharmaceuticum am 15. Februar 2007 in Frankfurt wurden nähere Einzelheiten erläutert und diskutiert.

Das Thema "Umweltbewertung" ist auch für die "Ware besonderer Art", das Arzneimittel, keineswegs neu. Dreizehn Jahre hatten die europäischen Fachgremien an einer entsprechenden Richtlinie gefeilt, bis im Jahr 2005 der erste Entwurf veröffentlicht wurde.

Im selben Jahr wurde die Forderung nach der Vorlage von Ergebnissen der Umweltbewertung in das Arzneimittelgesetz aufgenommen. Sie gilt grundsätzlich für alle Anträge und bezieht sich auf die Evaluierung der Risiken für die Umwelt, die mit der Anwendung, Lagerung und Entsorgung von Arzneimitteln einhergehen. Im Ergebnis kann die Zulassungsbehörde gegebenenfalls Vorkehrungen zur Begrenzung des Einflusses auf die Umwelt, etwa durch entsprechende Hinweise in der Kennzeichnung und Packungsbeilage, verlangen.

Nach der neuen Leitlinie (EMEA/CHMP/SWP/4447/00, www.emea.europa.eu/pdfs/human/swp/444700en.pdf) soll die Bewertung in zwei Phasen erfolgen. Sie kann bereits in der ersten Phase beendet sein, wenn die Konzentration im Oberflächengewässer (PECsurfac water) nach einer groben Abschätzung unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes liegt. Ist dies nicht der Fall, so werden in Phase 2 mit den Stufen A und B weitergehende Studien erforderlich. Deren Zweck ist die Ermittlung des PEC/PNEC Quotienten (siehe Abbildung). Wird ein Einfluss auf die Umwelt angezeigt (Quotient aus der Konzentration, die man in der Umwelt vorzufinden erwartet (PEC) und der Konzentration bei der keine unerwünschten Nebenwirkungen auf die Umwelt entstehen (PNEC) größer oder gleich 1), so müssen beide Werte näher spezifiziert werden. Solche Studien sind nicht nur mit erheblichem Kostenaufwand verbunden, sie könnten, so die Befürchtung der Industrie, auch die Entwicklungszeit eines Arzneimittels weiter in die Länge ziehen.

Rückgriff auf bekannte Daten

Vor diesem Hintergrund gibt es in der Frage der Anwendbarkeit und des Umfangs der vorzulegenden Unterlagen unterschiedliche Auffassungen. Für neue Stoffe scheint klar zu sein, dass hier nicht ohne neue Studien zur Ökotoxizität auszukommen sein wird. Für bekannte Stoffe wäre es allerdings auch denkbar, die Okötox-Bewertung aus bereits vorhandenen Daten im Sinne des "well-established use" abzuleiten. Aus der Sicht der stellvertretenden BPI-Hauptgeschäftsführerin Prof. Dr. Barbara Sickmüller ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut keineswegs die konkrete Forderung nach entsprechenden Studien. Im Übrigen war der Anwendungsbereich der Leitlinie erst "im letzten Moment" auf bekannte Stoffe ausgedehnt worden, ohne, wie Sickmüller monierte, der Industrie eine angemessene Anhörung hierzu zu gewähren.

Umweltbundesamt beurteilt Unterlagen

Zuständig für die Beurteilung der von den Antragstellern vorgelegten Unterlagen zur Umweltbewertung ist das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau. Es wird daher im internen Behördenverkehr vom BfArM an den Zulassungsverfahren beteiligt. Einige Erfahrungen hat die Umweltbehörde auf diesem Sektor bereits gesammelt, wie Dr. Jan Koschorreck vom UBA darlegte, zum einen seit 2003 aus europäischen Zulassungsverfahren und zum anderen schon seit 1998 im Bereich Tierarzneimittel. Bei letzteren gab es bereits 80 behördliche Auflagen zu Umwelthinweisen, und in drei Fällen wurde die Zulassung sogar deswegen versagt. Allerdings ist die Exposition der Umwelt bei Tierarzneimitteln erheblich höher als im Humanbereich, weshalb eine Versagung aus diesem Grund überhaupt möglich ist. Bei Humanarzneimitteln sind Risiken für die Umwelt kein Grund für eine Zulassungsversagung.

Bei der Veranstaltung wurde deutlich, dass sowohl auf Behörden- als auch auf Industrieseite noch viel Aufklärungs- und Diskussionsbedarf bezüglich der Umweltbewertung von Arzneimitteln besteht. Das Umweltbundesamt beantwortet bereits jetzt individuelle Anfragen von Antragstellern (info@uba.de). Darüber hinaus kündigte Koschorreck an, auf der Webseite des UBA gesonderte Informationen hierzu anzubieten (www.uba.de).

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