Arzneimittel und Therapie

Tolvaptan – mögliche neue Option bei Hyponatriämie

Der Vasopressin-Rezeptorantagonist Tolvaptan fördert die Ausscheidung von Wasser, ohne dass gleichzeitig vermehrt Elektrolyte ausgeschieden werden. Dieses Therapieprinzip könnte bei Hyponatriämie genutzt werden. Klinische Studien der Phase III zeigen, dass es gelingt, mit Tolvaptan die Natriumwerte zu senken. Vor einer breiten Zulassung sind noch weitere Untersuchungen nötig.

Unter einer Hyponatriämie versteht man eine verminderte Konzentration von Natriumionen im Blut (< 135 mmol/l). Eine Hyponatriämie gehört zwar zu den alltäglichen Diagnosen in der Klinik, dennoch ist sie nicht ungefährlich: Morbidität und Letalität der Patienten sind durch die Elektrolytstörung deutlich erhöht. Weil die Symptome aber eher unspezifisch sind, werden sie häufig zunächst nicht richtig gedeutet. Zu diesen Symptomen zählen unter anderem: Konfusion, Lethargie, Desorientierung, Anorexie, Krampfanfälle, Muskelkrämpfe bis hin zum Koma.

Man unterscheidet drei Formen der Hyponatriämie, je nachdem, ob der Körper zu viel, zu wenig oder die richtige Menge an Flüssigkeit gespeichert hat. Die Therapie richtet sich nach Ursache und Form der Hyponatriämie (siehe Kasten).

Hat der Körper neben Elektrolyten auch entsprechend Wasser verloren, zum Beispiel bei einer massiven Durchfallerkrankung, besteht die Therapie in einer ausreichenden Volumensubstitution, zum Beispiel mit isotonischer NaCl-Lösung. Bei der hypervolämischen und der isovolämischen Hyponatriämie, die sehr häufig bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose vorkommen, ist die Therapie schwieriger. Der Körper hat zu viel Wasser gespeichert, das ausgeschieden werden sollte, ohne dass weitere Elektrolyte verloren gehen.

Mit Tolvaptan, einem Vasopressin-V2 -Rezeptorantagonisten, kann die Aquarese – also die Ausscheidung von Elektrolyt-freiem Wasser gesteigert werden. Vasopressin, auch bekannt als antidiuretisches Hormon (ADH) oder Adiuretin, ist physiologisch für die Förderung der Harnkonzentrierung in der Niere durch Rückresorption von Wasser verantwortlich. Tolvaptan ist ein oral verfügbares Molekül, das den V2 -Rezeptor von Vasopressin besetzt und die Wirkung des Hormons antagonisiert – der Harn wird also nicht so stark konzentriert, es wird mehr Wasser und weniger Elektrolyte ausgeschieden.

Studien mit Tolvaptan zeigen gute Wirkung

In zwei multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien wurde die Wirksamkeit von Tolvaptan bei Patienten mit isovolämischer oder hypervolämischer Hyponatriämie beurteilt. Die Patienten wurden randomisiert der Behandlung mit Placebo (223 Patienten) oder Tolvaptan (225 Patienten) in einer Dosis von 15 mg täglich zugeteilt. Die Dosis von Tolvaptan wurde noch erhöht, falls dies aufgrund der gemessenen Natrium-Werte erforderlich war.

Die beiden primären Endpunkte für alle Patienten waren die Veränderung der Natrium-Konzentration im Serum bis zum Tag 4 und die Veränderung vom Ausgangswert bis zum Tag 30.

Die Natrium-Konzentrationen stiegen in der Tolvaptan-Gruppe signifikant stärker an als in der Placebo-Gruppe, und zwar sowohl während der ersten vier Tage (p < 0,001) als auch nach den vollen 30 Tagen der Therapie (p < 0,001). Beobachtet wurde auch der physische und kognitive Allgemeinzustand der Patienten. Interessant ist, dass sich insbesondere die kognitiven Fähigkeiten während der Therapie verbesserten. Diese Verbesserung ist den Studienautoren zufolge durchaus als klinisch relevant einzustufen, auch vor dem Hintergrund der immer älter werdenden Bevölkerung in den Industrienationen. Für den Einsatz von Tolvaptan spricht auch, dass die Therapie zusätzlich zur Medikation der Grunderkrankung verabreicht werden konnte. Außerdem blieb den Patienten ein "Trinkverbot" erspart, was sonst bei der hypervolämischen Hyponatriämie eingesetzt wird.

Fazit: Ein Fortschritt, aber nicht die perfekte Lösung

Nach dem Absetzen der Therapie trat die Hyponatriämie innerhalb von sieben Tagen erneut auf. Für eine beständige Regulation des Natriumionen-Haushalts wäre daher eine dauerhafte Förderung der Aquarese nötig.

Die in der Studie aufgetretenen Nebenwirkungen sind vom Wirkungsmechanismus von Tolvaptan ableitbar. Es traten häufig Durst, Mundtrockenheit und vermehrtes Wasserlassen auf.

Derzeit befindet sich Tolvaptan in Phase III der klinischen Prüfung. Auch andere Vasopressin-Antagonisten werden bereits seit langem untersucht, nämlich Mozavaptan und Conivaptan. Bei strenger Indikationsstellung sind diese in Japan bzw. USA in parenteraler Form bereits zugelassen. Ein Eingriff in die physiologische Vasopressin-Regulation bleibt aber heikel, denn Vasopressin wirkt konstriktorisch an allen Gefäßen im Körper, zum Beispiel auch am Herzmuskel. Deshalb sind bis zu einem möglichen breiten Einsatz noch weitere intensive Studien notwendig. <

Quelle

Schrier, R. W.; et al.: Tolvaptan, a selective oral vasopressein V2-receptor antagonist, for hyponatriemia. N. Engl. J. Med. 355 , 2099-2112 (2006).

Hays, R. M.: Vasopressin antagonists – progress and promise. N. Engl. J. Med. 355 , 2146–2148 (2006).

Apothekerin Bettina Martini
Diehypovolämische Hyponatriämie entsteht durch ein herabgesetztes Gesamtkörperwasser durch Dehydratation, zum Beispiel bei Diarrhö, Erbrechen oder Diuretika-Gabe. Therapeutisch steht eine Volumensubstitution mit isotonischer NaCl-Lösung im Vordergrund.
Bei der hypervolämischen Hyponatriämie ist das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen stark erhöht, bei relativ gesehen geringerer Erhöhung des Gesamtkörpernatriums. Die hypervolämische Hyponatriämie macht sich durch Ödeme bemerkbar. Sie tritt häufig bei Herzinsuffizienz, nephrotischem Syndrom, Leberzirrhose und Niereninsuffizienz auf. Therapeutische Maßnahme ist die Begrenzung der Flüssigkeitszufuhr.
Bei der isovolämische Hyponatriämie steht die Wasserretention im Vordergrund. Das Gesamtkörperwasser ist erhöht, während das Gesamtkörpernatrium normal ist. Das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen ist minimal bis mäßig erhöht, es liegen aber keine Ödeme vor. Gründe für die Isovolämische Hyponatriämie sind unter anderem Glucocorticoid-Mangel, wasserretinierende Medikamente, Hypothyreose, und das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH). Therapeutisch wird eine langsame und nur partielle Natrium-Substitution versucht.

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