Arzneimittel und Therapie

Knochenstoffwechsel

Hypophosphatämie durch Imatinib

Der Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib (Glivec®) schädigt möglicherweise den Knochenstoffwechsel. Diese Beobachtung geht aus einer retrospektiven Studie hervor, bei der jeder zweite Proband nach der Einnahme von Imatinib eine Hypophosphatämie entwickelte.

Imatinib wird bei einigen Krebserkrankungen wie der chronisch myeloischen Leukämie (CML) und dem gastrointestinalen Stromatumor (GIST) erfolgreich eingesetzt. Die Substanz ist gut verträglich. In der Fachinformation wird zwar das "gelegentliche" Auftreten einer Hypophosphatämie erwähnt, häufig auftretende Auswirkungen auf den Elektrolythaushalt waren aber bis vor Kurzem nicht bekannt. Im Rahmen einer klinischen Studie fiel auf, dass überraschend viele Patienten, die aufgrund einer neu diagnostizierten CML auf Imatinib eingestellt wurden, eine Hypophosphatämie entwickelten. Darauf hin wurden die Aufzeichnungen von 77 Patienten ausgewertet, um die Inzidenz der Hypophosphatämie zu bestimmen. Bei 49 Patienten waren die Phosphatwerte bestimmt worden. Rund die Hälfte dieser 49 Patienten wies erniedrigte Serumphosphatwerte auf.

Zur weiteren Klärung wurden bei 16 Studienprobanden, bei denen ein niederer Phosphatspiegel festgestellt wurde, und bei acht Patienten mit normalen Phosphatwerten sowie bei 14 gesunden Erwachsenen als Kontrollgruppe weitere Untersuchungen durchgeführt. Bestimmt wurden unter anderem Marker des Knochenstoffwechsels, Calcium-, Vitamin-D- und Parathormonspiegel, Phosphatausscheidungen im Harn und Osteocalcinwerte. Dabei zeigte sich, dass die Hypophosphatämie vor allem bei jüngeren Patienten auftrat, die mit höheren Dosen Imatinib behandelt worden waren. Bei ihnen war auch der Parathormonspiegel erhöht und der Calciumspiegel leicht erniedrigt. Langfristig könnte dies zu einem Knochenabbau führen.

Auch die Patienten mit normalen Serumphosphatwerten hatten eine höhere Phosphatausscheidung im Harn und eine verringerte Konzentration an Osteocalcin – das heißt, auch bei ihnen lagen Anzeichen eines gestörten Knochenstoffwechsels vor.

Mögliche Konsequenzen

Wie kann der negative Einfluss von Imatinib auf den Knochenstoffwechsel erklärt werden? Imatinib hemmt verschiedene Tyrosinkinase-Aktivitäten, unter anderem auch die Aktivität des PDGF(platelet-derived growth factor)-Rezeptor, der wiederum eine zentrale Rolle im Knochenstoffwechsel spielt. Eine Hemmung dieses Rezeptors kann sich negativ auf den Knochenstoffwechsel auswirken und zu einer Osteomalazie führen.

Sollten sich diese Beobachtungen verdichten und in weiteren Studien bestätigt werden, ist unter einer Imatinib-Therapie ein routinemäßiges Phosphat- und Vitamin-D-Monitoring angezeigt, um im Bedarfsfall eine Phosphatsupplementierung einzuleiten, so das Fazit der Autoren.

Quelle

Berman, E.; et al.: Altered bone and mineral metabolism in patients receiving imatinib mesylate. N. Engl. J. Med. 354 , 2006-2013 (2006).

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Imatinib bei CML und GIST
Der chronisch myeloischen Leukämie (CML) liegt eine zytogenetische Alteration, eine sogenannte BCR-ABL-Translokation, zugrunde. Diese Veränderung führt zur Aktivierung bestimmter Tyrosinkinasen und zu unkontrollierter Zellteilung der weißen Blutkörperchen. Imatinib wiederum hemmt kompetitiv die ATP-Bindungsstelle spezifischer Tyrosinkinasen (unter anderem ABL und BCR-ABL) und greift somit zielgerichtet in die Pathogenese der Erkrankung ein.
Beim gastrointestinalen Stromatumor (GIST) finden sich unter anderem Mutationen an einem Tyrosinkinase-Rezeptor und am PDGF(platelet-derived growth factor)-Rezeptor. Die Mutation am Tyrosinkinase-Rezeptor wird als aktivierende oder "gain of function" Mutation bezeichnet und verursacht eine kontinuierliche Aktivität der Tyrosinkinase. Diese Daueraktivierung führt wiederum zu unkontrollierten Zellproliferationen. Imatinib unterbindet diese Aktivität.
  • Normwerte Erwachsene: 0,84 bis 1,45 mmol/l
  • Physiologie Verteilung: 85% in Knochen und Zähnen, 14% in Körperzellen, 1% im Extrazellulärraum Aufgaben: Steuerung des Phosphathaushalts (Parathormon, Vitamin D)
  • erhöhte Werte u. a. bei Niereninsuffizienz Knochentumoren Vitamin-D-Überdosierung Akromegalie Lactatazidose Hämolyse
  • erniedrigte Werte u. a. bei Hypocalcämie Rachitis Malabsorptionssyndrom tubulärer Niereninsuffizienz

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