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Über das Verblistern von Arzneimitteln, genauer gesagt die patientenindividuelle Zweitverblisterung von Arzneimitteln, insbesondere für Alten- und Pflegeheime, wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. Viele rechtliche Fragen wurden bereits durch Gesetze und durch die Rechtsprechung geklärt, dennoch stößt das Verblistern von Arzneimitteln nicht bei allen auf uneingeschränkte Zustimmung – aus den unterschiedlichsten Gründen. Die Hauptgründe, die pro patientenindividuelle Zweitverblisterung sprechen: es ist ein möglicher Beitrag für eine bessere Compliance und die Handhabung des Stellens von Arzneimitteln in den Heimen wird vereinfacht, was zu einer größeren Arzneimittelsicherheit beitragen kann. Doch es gibt auch Nachteile: Nur wenige Arzneimittelformen, nämlich feste, orale Darreichungsformen, sind für die Zweitverblisterung geeignet. Und auch davon lassen sich nicht alle Darreichungsformen in den Blisterautomaten verarbeiten. Außerdem: die patientenindividuelle Zweitverblisterung kostet Geld. Da in Deutschland keine Bulkware zugelassen ist, müssen die geeigneten Darreichungsformen zunächst entblistert werden, in die Blisterautomaten gefüllt und dann entsprechend der ärztlichen Verordnung neu verblistert werden. Diese Arbeitsvorgänge erfordern einen enormen Aufwand an Logistik und Technik, an hygienischen Vorkehrungen und an Dokumentation. Fest steht: Wenn heute ein Betrieb (beispielsweise auch eine Apotheke) die patientenindividuelle, maschinelle Zweitverblisterung für eine Apotheke durchführt, dann fällt dieser Vorgang arzneimittelrechtlich gesehen unter den Begriff der Arzneimittelherstellung – mit allem, was dazu gehört (Arzneimittelqualität ist nicht teilbar). Der herstellende Betrieb benötigt eine entsprechende Erlaubnis (§ 13 AMG). Lediglich das Produkt selbst (also das neuverblisterte Arzneimittel) bedarf keiner neuen Zulassung, sofern für Deutschland zugelassene Arzneimittel verwendet wurden.

Wer also dachte, mit der patientenindividuellen Zweitverblisterung könnte mal eben so ein kleiner lukrativer Zweitbetrieb neben der Apotheke aufgebaut werden, wird schon an der kursorischen Auflistung der Anforderungen erkennen, dass dies nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Mal eben einen Blisterautomaten kaufen, ihn mit Arzneimitteln befüllen und die unten herauskommenden Blisterstreifen ans Pflegeheim ausliefern – so einfach geht‘s nicht. Unser Beitrag in dieser Ausgabe auf Seite 44 zeigt, welcher Kraftakt nötig ist, eine Blisterproduktion aufzubauen, welche Anforderungen erfüllt werden müssen. Denn der herstellende Betrieb ist voll und ganz für den Blister verantwortlich. Der Automat muss fehlerfrei die für den individuellen Patienten angeforderten Arzneimittel abfüllen und richtig beschriften. Es darf außerdem zu keinen Interaktionen der Arzneimittel im eingeschweißten Blistertütchen kommen. Nicht zu vergessen sind die Kosten für die Investitionen, aber auch die Kosten, die eine Apotheke für den fertigen Blister bezahlen muss. Die Krankenkassen zahlen für diese Dienstleistung (noch) nicht, die Apotheke wird es den Heimen kaum in Rechnung stellen können.

Trotz aller Hürden und Schwierigkeiten wagen es in Deutschland Unternehmen und Apotheken, einen Betrieb für die Zweitverblisterung aufzubauen. Beispielsweise will die zur Kohl-Unternehmensgruppe gehörende "7x4 pharma" in Merzig im Frühjahr 2008 antreten, Apotheken ihren Blisterdienst anzubieten. Allerdings ist es fraglich, ob man diesen Dienst "patientenindividuell" nennen kann, denn diese Blister können nur unter bestimmten Einschränkungen produziert werden. So ist der verordnende Arzt an eine bestimmte Software gebunden, er kann nur aus einem bestimmten Spektrum an Arzneimitteln auswählen und – der Name des Systems sagt es bereits – die Zeitpunkte der Verabreichung von Arzneimitteln sind auf sieben Tage und pro Tag auf vier (7 x 4) begrenzt. Außerdem sollte man wissen, dass zur Kohl-Gruppe auch das Arzneiimportunternehmen Kohlpharma und das Franchiseunternehmen Avie gehören.

Wir haben uns einen apothekereigenen Betrieb angesehen, die "Blisterpharm" in Mönchengladbach (siehe unser Interview auf Seite 55). Zwei Apotheker haben dieses Unternehmen aufgebaut und bieten ihre Dienste Apotheken an, die Heime zu versorgen haben. Der Vorteil von Blisterpharm: es gibt keine Beschränkung auf bestimmte Arzneimittelfirmen, der Arzt ist nicht an eine bestimmte Software und Arzneimittelvorauswahl gebunden, die Einnahmezeitpunkte, die auf den Blister gedruckt werden, sind frei wählbar und nicht beschränkt.

Ob die Dienstleistung der patientenindividuellen Zweitverblisterung in Zukunft verstärkt nachgefragt werden wird, hängt von mehreren Faktoren ab, u. a. ob die Heime dies vermehrt wollen und ob die Kosten für alle Beteiligten bezahlbar sind. Letztlich auch davon, ob die Krankenkassen bereit sind, dafür zu zahlen.

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