Arzneimittel und Therapie

Angiogenesehemmer

Bevacizumab bei Nierenkrebs

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) hat eine positive Empfehlung für die Anwendung von Bevacizumab (Avastin®) zur Erstbehandlung von Patienten mit Nierenzellkarzinom, der häufigsten Form von fortgeschrittenem Nierenkrebs, gegeben. Das gab die Firma Roche jetzt bekannt.

Bevacizumab hemmt die Angiogenese, also die Bildung von Blutgefäßen, die das Krebsgewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Bevacizumab wirkt gezielt gegen das natürlich vorkommende Protein VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), das eine Schlüsselrolle bei der Angiogenese spielt. Es unterbindet auf diese Weise die Blutzufuhr zum Tumor, was dessen Wachstum und Streuung (Metastasierung) im Körper bremst.

Bevacizumab hat mittlerweile bei vier Krebsarten ein längeres progressionsfreies Überleben oder Gesamtüberleben bewirkt, und zwar bei Dickdarm-, Brust- und Lungenkrebs sowie beim Nierenzellkarzinom.

Roche und Genentech führen ein umfassendes klinisches Studienprogramm zur Prüfung der Anwendung von Bevacizumab bei unterschiedlichen Tumorarten (unter anderem Dickdarm-, Brust-, Lungen-, Bauchspeicheldrüsen-, Eierstock- und Nierenzellkrebs) und in verschiedenen Situationen (im fortgeschrittenen Stadium und als unterstützende Therapie, zum Beispiel nach einer Operation) durch. Das gesamte Entwicklungsprogramm wird weltweit voraussichtlich über 40.000 Patienten umfassen.

Überleben annähernd verdoppelt

Die aktuelle Entscheidung des CHMP stützt sich auf Daten der zentralen Phase-III-Studie Avoren, die zeigen, dass die Beigabe von Bevacizumab zu Interferon den Patienten mit fortgeschrittenem Nierenkrebs die Chance bietet, doppelt so lange wie nur mit Interferon ohne Fortschreiten ihrer Erkrankung zu leben ("progressionsfreies Überleben”). Dies ist die erste behördliche Empfehlung für die Zulassung von Bevacizumab bei Nierenkrebs.

Nierenkrebs ist die vierte Krebsart, bei der Bevacizumab Überlebensvorteile zeigt. Bisher ist der Wirkstoff bereits bei Dickdarmkrebs (USA, EU, Japan), Brustkrebs (EU) und Lungenkrebs (EU, USA) zugelassen:

  • Februar 2004 (USA) und Januar 2005 (EU) – Erstbehandlung bei Patienten mit metastasiertem Dickdarmkrebs
  • Juni 2006 (USA) – Zweitlinienbehandlung bei Patienten mit metastasiertem Dickdarmkrebs
  • Oktober 2006 (USA) – Erstbehandlung bei Patienten mit fortgeschrittenem, nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC)
  • März 2007 (EU) – Erstbehandlung bei Patienten mit metastasiertem Brustkrebs
  • April 2007 (Japan) – Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder rezidivierendem (erneut auftretendem) Dickdarmkrebs
  • August 2007 (EU) – Erstbehandlung bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC

Das Nierenzellkarzinom

Jedes Jahr erhalten weltweit über 200.000 Menschen die Diagnose Nierenkrebs, und mehr als 100.000 Menschen sterben jährlich daran. Nierenkrebs tritt bei Männern häufiger auf als bei Frauen (etwa 62% der Patienten sind Männer), und seine Häufigkeit steigt mit dem Alter.

Das Nierenzellkarzinom ist der häufigste Typ von Nierenkrebs, auf den neun von zehn Fällen der Erkrankung entfallen. Innerhalb dieses Krebstyps unterscheidet man je nach mikroskopischer Zellbeschaffenheit mehrere Unterarten. Das klarzellige Nierenzellkarzinom ist der häufigste Typ. Wenn das Karzinom im Frühstadium diagnostiziert wird, und wenn der Krebs noch auf die Nieren begrenzt ist, sind die 5-Jahres-Überlebensraten mit 60 bis 75% relativ gut. Wird die Diagnose jedoch in einem späteren Stadium gestellt, wenn sich der Krebs bereits in andere Körperregionen ausgebreitet hat, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate weniger als 5%. Weil Nierenkrebs häufig keine Symptome verursacht, wird die Diagnose bei den meisten Patienten jedoch erst in späteren Krankheitsstadien gestellt.

Die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Nierenkrebs sind begrenzt. Grundpfeiler der Behandlung ist die chirurgische Entfernung eines Teils der Niere oder der ganzen Niere; diese Operation ist jedoch nur im frühen Stadium der Erkrankung wirklich erfolgreich. In späteren Krankheitsstadien zielt die Behandlung eher darauf ab, den Krebs unter Kontrolle zu halten und die mit der Erkrankung verbundenen Symptome zu lindern.

Die Avoren-Studie

Die Avoren-Studie hat gezeigt, dass Bevacizumab ein wirksames und sicheres Medikament für Patienten mit Nierenkrebs ist und neue Therapiemöglichkeiten bei fortgeschrittenem Nierenkrebs bietet, bei dem Chemotherapie und Bestrahlungen weniger wirksam sind als bei anderen Krebserkrankungen. In der randomisierten, kontrollierten, doppelblinden Phase-III-Studie mit 649 Patienten an 101 Studienzentren in 18 Ländern wurde den Patienten entweder Bevacizumab und Interferon alfa-2a oder Placebo und Interferon verabreicht, einer Standardtherapie bei fortgeschrittenem Nierenkrebs.

Bei Zugabe von Bevacizumab zu Interferon, einer derzeitigen Standardtherapie, verdoppelte sich die Dauer des progressionsfreien Überlebens annähernd von 5,4 auf 10,2 Monate (Medianwert). Die Tumoransprechrate verbesserte sich signifikant von 12,8% mit Interferon allein auf 31,4% bei zusätzlicher Gabe von Bevacizumab. Eine Dosisreduktion von Interferon schien die Wirksamkeit der Kombination von Bevacizumab hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens nicht zu beeinflussen, wie eine Untergruppenanalyse ergab. Die Studie zeigte auch einen Trend zu einem verlängerten Gesamtüberleben, doch die endgültigen Überlebensdaten stehen noch aus. Es wurden keine neuen oder unerwarteten Nebenwirkungen beobachtet.

Im Dezember 2006 wurde eine Zwischenanalyse der Avoren-Studie durchgeführt, und der Nutzen von Bevacizumab war so offensichtlich, dass das Drug Safety Monitoring Board (DSMB) empfahl, die Studie zu entblinden und allen Patienten eine Behandlung mit Bevacizumab anzubieten. Die Studie belegte erstmals, dass Bevacizumab den Patienten auch in Kombination einer Immuntherapie wie Interferon hilft.

Quelle

Pressemitteilung der Firma Roche, Basel.

hel

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