Pharmaspektrum

Phytopharmaka-Markt

Schwabe weiter auf Wachstumskurs

Der Markt der pflanzlichen Arzneimittel ist in den vergangenen Jahren stark rückläufig. Einer der Hauptgründe hierfür dürfte der Ausschluss nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Erstattungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Wie werden die Phytopharmaka-Hersteller mit dieser neuen Situation fertig? Wir sprachen mit einem der größten deutschen Phyto-Unternehmen, der Firma Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel. Dr. Dirk Reischig, Vorsitzender der Geschäftsführung des Unternehmens, wies in unserem Gespräch auch auf zukünftige Chancen im Phytopharmaka-Markt hin.

DAZ Die Vision des Familienunternehmens Schwabe lautet "Mit der Natur. Für die Menschen" – was verbirgt sich hinter dieser Aussage?

Reischig: Mit der Natur für die Menschen: Der Ursprung des 140 Jahre alten Unternehmens Schwabe liegt in Arzneimitteln natürlichen bzw. pflanzlichen Ursprungs. Dem Unternehmen ist es über diesen langen Zeitraum gelungen, Arzneimittel in der Natur aufzufinden und so weiterzuentwickeln, dass den Menschen, die diese verwenden, ein nachvollziehbarer Nutzen, d. h. gute Wirkung mit möglichst geringem Risiko entsteht.

DAZWie sehen Sie die Bedeutung des Phyto-Marktes in Deutschland vor dem Hintergrund der veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen innerhalb der letzten zehn Jahre – GMG 2004?

Reischig: Leider ist der deutsche Phytopharmaka-Markt seit einigen Jahren rückläufig – derzeit fällt er mit etwa -6 %. Der weitgehende Wegfall der Kassenerstattung der Phytopharmaka in 2004 hat diese Entwicklung gefestigt.

DAZWie hat sich dies auf die Entwicklung bei Schwabe ausgewirkt?

Reischig: Zunächst mussten wir unseren Vertrieb umbauen, d. h. die Entscheiderrolle der Apotheker stärker berücksichtigen; dann haben wir unsere Informationen mehr auf die Endverbraucheransprache ausgerichtet. Das Ergebnis gibt uns Recht, wir sind weiter auf Wachstumskurs.

DAZSind die Harmonisierungsbestrebungen der EU bei den regulatorischen Anforderungen für Arzneimittel und Lebensmittel für Schwabe eher eine Bedrohung oder eine Chance?

Reischig: Sie meinen damit sicher u. a. die Richtlinie für Traditional Herbal Medicinal Products. Hierin sehen wir eine klare Chance für unser Unternehmen und haben auch schon zahlreiche Zulassungsanträge eingereicht. In Holland und Österreich haben wir bereits Zulassungen erhalten. In England und Frankreich erwarten wir positive Bescheide im nächsten Jahr. Auf dem Sektor der Lebensmittel bemühen wir uns darum, dass reine Arzneipflanzen wie z. B. Ginkgo oder Hyperikum auch Arzneimitteln vorbehalten bleiben. Auch Lebensmittel mit ernährungsphysiologischer Wirkung sehen wir als Zukunftschance.

DAZSchwabe hat bisher die Basis seiner Erfolge mit der Erforschung von Naturstoffen, inbesondere von Pflanzenextrakten und Herstellung qualitativ hochwertiger Gesundheitsprodukte aus der Natur, gelegt. Kann Schwabe in der klassischen Arzneimittelforschung noch mithalten? Welche Alternativen gibt es?

Reischig: Unsere Kompetenz bei F&E liegt eindeutig auf dem Gebiet der natürlichen/pflanzlichen Wirkstoffe. Die Anforderungen an die Dokumentation eines neuen pflanzlichen Wirkstoffs sind denen eines neuen chemisch/synthetischen Wirkstoffs gleichzusetzen. Um die damit verbundenen Entwicklungsrisiken ausgleichen zu können, beforschen wir nicht nur neue pflanzliche Stoffe, sondern auch monographierte und traditionelle Pflanzen für die weltweit verfügbaren regulatorischen Kategorien. Daneben entwickeln wir unsere existierende Produktpalette weiter in Bezug auf klinische Daten, aber auch auf neue attraktive Darreichungsformen. Alternativen zu klaren Innovationsstrategien sehe ich nicht.

DAZSchwabe ist weltweit engagiert, seine Präparate vermarktet es in unterschiedlichen Ländern, in verschiedenen Kategorien und über unterschiedliche Vertriebskanäle. Vor diesem Hintergrund interessiert uns, wie Sie die zukünftige Entwicklung in Deutschland sehen?

Reischig: Die Schwabe Kernprodukte werden bis auf ganz wenige Ausnahmen auch international als Arzneimittel durch die Apotheke vertrieben. Dies wird auch der Schwerpunkt unserer Aktivitäten in Deutschland bleiben. Dabei werden wir unsere vor einigen Jahren neu gegründete Einheit "Schwabe LifeScience", die qualitativ hochwertige NEM bzw. bilanzierte Diäten bearbeitet, weiter ausbauen. Dies aber exklusiv in der Apotheke.

DAZWie sehen Sie die künftige Rolle des Apothekers – zum einen als Kooperationspartner für mittelständische Unternehmen wie Schwabe? Zum andern als wichtiger Partner für den Verbraucher und den Verbraucherschutz bei der Selbstmedikation?

Reischig: Die Rolle des Apothekers gewinnt für uns zunehmende Bedeutung und ist unverzichtbar, indem er dem Patienten bzw. Verbraucher den Verwendungszweck unserer Präparate vermittelt.

DAZDas Unternehmen wurde vor über 140 Jahren in Leipzig gegründet. Wie bedeutend ist für Schwabe Deutschland als Heimatmarkt? Welche Möglichkeiten bietet das Ausland?

Reischig: Der deutsche Markt stellt immer noch rund 60 % unseres weltweiten Umsatzes dar. Mit umso mehr Besorgnis beobachten wir die oben erläuterte Marktentwicklung. Die Bearbeitung der Auslandsmärkte nimmt in der Unternehmensgruppe weiter zu.

DAZSetzen Sie in der Forschung und Entwicklung und in der Marktbearbeitung stärker auf die eigene Organisation oder sind Kooperationen für Sie wichtiger?

Reischig: Bei F&E sind wir im Wesentlichen auf uns alleine gestellt, da nur noch sehr wenige Unternehmen auf dem Gebiet der Phytos forschen. Die Kooperation mit internationalen und nationalen Forschungseinrichtungen und Universitäten ist für uns selbstverständlich. Die Marktbearbeitung erfolgt im Inland durch eigene Unternehmen; im Ausland operieren wir aber auch sehr erfolgreich neben eigenen Tochtergesellschaften mit Partnern, die unsere Produkte in Lizenz vertreiben.

DAZSchwabe Arzneimittel ist nur ein erfolgreicher Bereich der Unternehmensgruppe Schwabe. Welche eigenen Unternehmen, operative Tochtergesellschaften, Beteiligungen oder Joint Ventures tragen in welchem Umfang zum Gesamtergebnis bei?

Reischig: Im Inland zählen zu unserer Unternehmensgruppe auch Spitzner Arzneimittel und die DHU, wodurch wir nicht nur Marktführer bei den Phytopharmaka und Homöopathika sind, sondern uns auch einen Spitzenplatz im OTC-Markt sichern. Im Ausland sind wir insbesondere in den USA, Mexico, Holland, Schweiz, Österreich, aber auch China sehr erfolgreich.

DAZWelchen Umsatz plant die Schwabe-Gruppe in diesem Jahr zu erzielen?

Reischig: Wir erwarten im Jahr 2007 einen konsolidierten Gruppenumsatz von 490 Mio. Euro.

DAZWie sehen Ihre weiteren Ziele aus?

Reischig: Unsere Unternehmensgruppe muss weiter wachsen, um den Herausforderungen in F&E, aber auch in den Märkten begegnen zu können. Insbesondere wollen wir im europäischen Ausland stärker wachsen als bisher. Weiterhin wollen wir innovative Phytopharmaka aus dem Hause Schwabe in den verschiedenen Märkten einführen.

DAZHerr Dr. Reischig, vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Dirk Reischig, Vorsitzender der Geschäftsführung der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG.
Produktion Blick in die Arzneipflanzen-Extraktion bei Schwabe.
Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel – der Firmensitz des Unternehmens befindet sich in Karlsruhe.
Fotos: Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel
Tablettierung und Verblisterung von Phytopharmaka.
Trocknungsprozesse – sie werden sorgfältig überwacht.
Gewinner Während der Phytopharmaka-Markt in Apotheken in den vergangenen Jahren stark rückläufig war, konnte das Unternehmen Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel seinen Umsatz trotzdem ausbauen.
Schwabe kann auch für 2007 einen steigenden Marktanteil vorweisen.

Das könnte Sie auch interessieren

Firmenporträt der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG

„From Nature. For Health”

Jubiläums-Symposium 150 Jahre Dr. Willmar Schwabe

Vom Produkt zum Patienten

Deutschen Homöopathie-Union

Neue Geschäftsführer für DHU

Stiftungsprofessorin Beatrice Bachmeier will mit Versorgungsforschung Evidenzlücke schließen

Phytomedizin: Tradition mit Perspektive?

Beatrice Bachmeier folgt dem Ruf auf Stiftungsprofessur für Arzneimittel-Versorgungsforschung

Frankfurter Pharmazie geht neue Wege

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.